Little Miss Sunshine
Zusammen mit einem Motivationsredner, einem Emo-Teen, einem mürrischen Porno-Opa und einem deprimierten Proust-Gelehrten in einem abgewrackten VW-Bus durch das amerikanische Wunderland zu fahren, klingt zunächst nach einer wenig genießbaren Ausgangssituation. Little Miss Sunshine aus dem Jahre 2006 schafft es aber, den Roadtrip der Familie Hoover in ein entzückendes Erlebnis zu verwandeln – ein bisschen süß, ein bisschen bitter, ein bisschen böse – und dabei dem amerikanischen Traum den Stinkefinger zu zeigen.
Für die kleine Olive Hoover (Abigail Breslin, Signs) geht ein Traum in Erfüllung. Per Nachrückverfahren kann sie sich für den Schönheitswettbewerb „Little Miss Sunshine“ qualifizieren. Gemeinsam mit ihrer zerrütteten Familie begibt sie sich auf eine 800-Meilen-Tour quer durch Amerika und erlebt dabei alles, was Murphys Gesetz nur in petto haben kann: Nietzsche, Stripper-Choreographien und einen Todesfall.
Süßer Titel – bitterer Inhalt
Man mag Little Miss Sunshine auf den ersten Blick für einen typischen Underdog-Film halten. Die kleine Olive möchte einen Schönheitswettbewerb gewinnen und nimmt dafür eine Marathon-Fahrt nach Los Angeles auf sich, an deren Ende sie sich in ihrer pummeligen Durchschnittlichkeit an die Spitze des Beauty Rankings boxen will. „Glaub an dich und dein Traum wird wahr!“ könnte das Motto des Films lauten. Dass dieses Motto allerdings ziemlich ausgelutscht ist (gerade für Anime-Fans), im realen Leben nicht immer anwendbar ist und auch in diesem Film keine bedeutende Funktion erfüllen wird, wird einem bereits im Intro klar – spätestens dann, wenn der Filmtitel eingeblendet wird und das „Sunshine“ fett und markant auf dem völlig abgebrannten Gesicht des suizidalen Onkel Frank prangt.
Die Familie – ein bunter Strauß voller Probleme
Originaltitel | Little Miss Sunshine |
Jahr | 2006 |
Land | USA |
Genre | Tragikkomödie |
Regisseur | Jonathan Dayton, Valerie Faris |
Cast | Richard Hoover: Greg Kinnear Onkel Frank: Steve Carell Sheryl Hoover: Toni Collette Dwayne Hoover: Paul Dano Olive Hoover: Abigail Breslin Edwin Hoover: Alan Arkin |
Laufzeit | 98 Minuten |
FSK |
Die Familie Hoover bildet das Herzstück dieses Ensemble-Films. Da hätten wir besagten Onkel Frank (Steve Carell, The Office), einen verbitterten, homosexuellen Proust-Gelehrten, der nach einem verkorksten Selbstmordversuch bei den Hoovers landet. Olives Vater Richard (Greg Kinnear, Flash of Genius), der mit seinem „Neun-Stufen-Modell“ den ultimativen Weg zum Gewinnerdasein gefunden haben will, bei seinen mäßig besuchten Vorträgen aber selbst wie ein Verlierer wirkt. Den Bruder Dwayne (Paul Dano, Looper, Okja), einen misanthropischen Nietzsche-Fan, der ein Schweigegelübde abgelegt hat, das er halten will bis er es zum Test-Piloten bei der Air Force schafft. Den exzentrischen Großvater Edwin (Alan Arkin, Argo) mit einem Hang zu Heroin, Porno-Magazinen und dem F-Wort. Und schließlich die Mutter Sheryl (Toni Colette, About A Boy), die einfach nur versucht, das Chaos zusammen zu halten. Eine dysfunktionale Familie in Perfektion.
Fuck it, America
Die unschuldige Olive bleibt von diesen sozialen Komplikationen unberührt. Denn sie möchte einfach nur beim Schönheitswettbewerb mitmachen. Unterstützt wird sie dabei vor allem von ihrem Vater, der die Situation nutzt, um dem amerikanischen Traum von Erfolg und Perfektion hinterherzujagen. Er entpuppt sich dabei als pseudo-optimistische Nervensäge mit fragwürdiger „Gewinner vs. Verlierer“-Mentalität, der sogar versucht, seine Tochter zu indoktrinieren. Gegenwind erfährt er dabei vor allem durch Dwayne und Onkel Frank. Mithilfe dieser zwei Außenseiter stellt sich Little Miss Sunshine gegen die sozialen und ästhetischen Standards in Amerika. Nach zahlreichen Unglücken und Komplikationen auf der Reise und vor dem großen Contest-Finale führen Dwayne und Onkel Frank das wichtigste Gespräch im Film und vermitteln dessen philosophische Essenz: “Tu das, was dich glücklich macht und scheiß auf den Rest” (– Friedrich Nietzsche). “Und sollte es zu leidvollen Rückschlägen kommen, dann ist das auch ok” (– Marcel Proust).
And the Winner is….
Little Miss Sunshine ist ein einziges großes, an die unterschiedlichsten Adressaten gerichtetes „Nimm das!“. Drehbuchautor Michael Arndt (Die Tribute von Panem – Catching Fire) verriet im Jahre 2007, dass sich der Film vordergründig gegen Arnold Schwarzenegger richte, der in einer an Studenten gerichteten Rede seine Abscheu gegen „Verlierer“ zum Ausdruck brachte. Darüber hinaus werden diverse amerikanische Oberhäupter (George W. Bush) aufs Korn genommen und natürlich die Schönheitswettbewerbe. Interessant ist, dass sich die Contest-Jury im Film gerade von Olives „dirty-dancing-striptease“ angegriffen fühlt, obgleich die ganze Schönheitsindustrie gerade auf diesen Pädophilie-Bonus setzt. Daneben frage ich mich auch, wie es das Regisseur-Pärchen Jonathan Dayton und Valerie Faris (Ruby Sparks) geschafft hat, reale Beauty Pageant Contestants anzuheuern, obgleich der Film sie in keinem guten Licht dastehen lässt. Da haben die Helikoptereltern einmal nicht rundum gesichert und schon passiert sowas, huh? Bevor ich aber noch gemeiner werde, schnell zurück zu Little Miss Sunshine und meinem Fazit. Ein toller Film mit ‘ner tollen Botschaft: Das Leben ist wie ein abgewrackter VW-Bus – mit kaputter Kupplung und Hupe zwar, dafür aber in strahlendem Gelb.
Zweite Meinung:
Amerikanische Komödien und ich verstehen uns nur selten gut, doch Little Miss Sunshine zaubert sogar mir ein Lächeln ins Gesicht. Die Mischung aus Familiendrama und Roadtrip funktioniert hier einfach wunderbar. Die Schauspieler, die hier nicht auf Hochglanz poliert worden sind, sondern wie deine eigenen Nachbarn aussehen, bringen die Sorgen und Probleme von Anfang an perfekt rüber. Alleine die wenigen ersten Minuten reichen aus, um zu zeigen, dass auf dieser Reise so einiges Lustiges, Spannendes passieren wird. Was mir besonders gefällt, dass der Humor über Dialoge transportiert wird. Gerade die sarkastischen Kommentare von Onkel Frank sind herrlich und auch ich muss sagen:
© Twentieth Century Fox
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