Love, Simon
Im Jahr 2015 wurde Becky Albertallis Debütroman Simon vs the Homo Sapiens Agenda veröffentlicht, der ein Jahr später als Nur drei Worte auch in Deutschland beim Carlsen Verlag erschien. Die Teenie-Love-Story rund um ein Coming Out in der High School fand schnell eine Fangemeinde, und diese wird nun mit der filmischen Umsetzung Love, Simon belohnt. Greg Berlanti, Produzent von Hit-Shows wie Riverdale oder The Flash, nahm auf dem Regiestuhl Platz und liefert hier eine herzliche RomCom ab, in dessen Mitte ein schwuler Jugendlicher steht. Ein Mainstream Unikum!
Simon Spier (Nick Robinson, Jurassic World) beschreibt sich selbst als ganz normalen Teenager. Er ist in seinem letzten Jahr auf der High School, hat gute Freunde, ein harmonisches Familienleben und im Grunde stinknormale Hobbies. Aber auch ein großes Geheimnis. Simon ist schwul und das hat er noch keiner Menschenseele anvertraut. Als sich auf einer schulzugehörigen Internetseite jemand anonym dazu bekennt homosexuell zu sein, fühlt Simon sich angesprochen und er schreibt der Person unter einem Pseudonym. Als Jacques und Blue tauschen Simon und der Unbekannte viele Nachrichten aus, in denen sie ihre Lebensumstände vergleichen und sich gegenseitig Mut zusprechen. Simon ist sich sicher, dass seine Eltern im Grunde kein Problem mit seiner Sexualität hätten und seine Freunde sind doch auch keine Idioten. Aber Simon weiß, dass ein Coming Out die Beziehungen ändern kann, dass es dann kein Zurück mehr gibt. Umso schlimmer, als einer seiner Mitschüler über die E-Mails stolpert und ihn erpresst.
Kleines Detail mit großer Wirkung
Es klingt ein wenig absurd, aber Love, Simon ist tatsächlich schon nur als Produktion etwas Besonderes. Das Queer Cinema hat eine lange Tradition und schwule, lesbische oder bisexuelle Charaktere gibt es im Mainstream-Film und Fernsehen immer öfter zu sehen. Aber eine romantische Komödie mit einem schwulen jugendlichen Protagonisten, die im Aufbau den heterosexuellen Vertretern stark gleicht, und dabei von einem großen Studio finanziert wurde? Das ist neu. Kein Erbetteln von Geldern, kein langes Abklappern von unabhängigen Studios. 2000 Fox Studios, die schon John Greens Das Schicksal ist ein mieser Verräter in die Kinos brachten, gaben dem Drehbuch von Elizabeth Berger und Isaac Aptaker (This is Us) grünes Licht und mit Greg Berlanti ist ein wohlbekannter Produzent mit an Bord. Berlanti ist momentan untrennbar mit dem Sender The CW und den auf Teens ausgerichteten Serien verbunden. Er war auch einer der Produzenten von Dawson’s Creek, eine Serie, die damals Furore machte mit einem der ersten schwulen Hauptcharakter zur Prime Time. So schließt sich der Kreis.
Identifikationspotenzial
Originaltitel | Love, Simon |
Jahr | 2018 |
Land | USA |
Genre | RomCom, Coming-of-Age, LGBT |
Regisseur | Greg Berlanti |
Cast | Simon: Nick Robinson Leah: Katherine Langford Martin: Logan Miller Abby: Alexandra Shipp Nick: Jorge Lendeborg Jr. Bram: Keiynan Lonsdale Emily: Jennifer Garner Jack: Josh Duhamel |
Laufzeit | 110 Minuten |
FSK |
Simon ist als Figur schnell sympathisch. Ein freundliches Voice Over erzählt von seinem Alltag und die wichtigsten Personen in seinem Leben werden vorgestellt. Das Thema Dating kommt auf und Simon geht nicht näher darauf ein. Bei einem Fernsehabend mit der Familie macht Vater Jack (Josh Duhamel, Transformers) einen Witz darüber, dass der momentane Bachelor schwul wirke. Es ist nicht böswillig, Simon versteht, dass sein Vater nicht alle Homosexuellen in die Verdammnis schicken will. Aber der Kommentar bereitet ihm doch Unbehagen, das der Zuschauer deutlich sehen kann. Es sind kleine Dinge, durch die Simon sich nicht gänzlich zugehörig fühlt. Bisher kann er das Wort schwul nicht einmal laut aussprechen. Für Jugendliche (und teils Erwachsene) in seiner Lage sind das ganz typische Prozesse. Es wird aber nicht tragisch dargestellt, diese Form der Selbstfindung ist psychisch belastend, aber generieren kein grundlegendes Drama. Es sind einfach Tatsachen, verpackt in einen unterhaltsamen Film. Und das ist ein Aspekt, der Love, Simon so wertvoll macht. Es ist einfach sich mit Simon zu identifizieren oder sich zumindest in seine (Gemüts)Lage zu versetzen. Vielleicht erscheint es heterosexuellen Zuschauern nicht besonders wichtig, aber es macht einen großen Unterschied Teile von sich selbst in einem Kinofilm sehen zu dürfen. Berlanti nutze das sogar in seiner Serie Riverdale. In einer Episode der zweiten Staffel schickt er einen Großteil seiner Protagonisten ins Kino und sie sehen sich Love, Simon an, um anschließend ein wenig über den Film zu sinnieren. Wobei eine Hauptfigur einen emotionalen Durchbruch hat und die Serienlandschaft um eine LGBT Präsentation bereichert. Vielleicht eine schamlose Selbstpromotion, aber wirkungsvoll.
Romantik mit Hindernissen
Die Story des Films wird aber nicht unter der Bürde begraben zu einem rein sozialen Sprachrohr zu werden. Simon möchte natürlich wissen, wer Blue denn wirklich ist. Er begutachtet seine Mitschüler und hält nach Details Ausschau. Ein kleines Ratespiel beginnt, was wunderbar eingefangen wird, wenn Simon sich die Person am anderen Ende der Tastatur vorstellt. Aus einem Schemen werden tatsächliche Personen und in einen von diesen ist Simon wirklich verknallt. Für seine Nerven ist das eigentlich schon schlimm genug, aber die Handlung enthält ja noch eine Erpressung. Wirklich nötig hat die Geschichte diesen Teil nicht, aber der Druck von Außen generiert Spannung und bringt Simon dazu sich seinen eigenen Freunden gegenüber unsanft zu erhalten.
Buchpuristen werden eine Menge finden, über das sie mosern können, denn es gibt einige Änderungen. Autorin Albertalli, die zum Skript Kommentare abgeben durfte, hat in Interviews bereits gesagt, dass sie Berlantis Variante mag. Und das tue ich ebenfalls. Die wirklich wichtigen Dinge sind erhalten geblieben und die Übertragung ins Medium Film ist gelungen. Ich schätze dabei auch so eine neue Figur wie Ethan (Clark Moore), der einen etwas stereotypischen Schwulen spielt. Ein guter Kontrast zu Simon. Sie haben eine Gemeinsamkeit und sind doch grundverschieden. Die beste Szene gebührt für mich aber Jennifer Garner (Alias), die als Simons Mutter schon lange spürt, dass irgendetwas anders ist als früher und die sein Coming Out mit Erleichterung aufnimmt. Das Rätselraten und Simon dabei zuzusehen, wie er seine Mitschüler sondiert, um Blue zu enttarnen, ist unterhaltsam und es gipfelt in einem perfekt romantisch-kitschigem Finale. Love, Simon hat mich überzeugt.
Was für ein toller Film. Ich habe viel mehr Coming of Age erwartet (was nicht schlimm gewesen wäre, aber so ist es mir dann doch lieber). Die Balance zwischen Comedy und Drama finde ich extrem angenehm und wirkt insgesamt wunderbar ausgeklügelt. Insgesamt bin ich mit dem Casting aber auch sehr zufrieden. Man merkt natürlich, dass der Regisseur ein Herz für Diversität hat und das kam auch im Kino gut an.
Aber darüber hinaus sehr angenehm. Auch, dass Sex einfach gar kein Thema ist und es hier wirklich nur um Identität und Anziehung geht. Ganz ohne künstliche Unschuldsbekenntnis.
Für mich einer der stärksten Filme aus 2018 und innerhalb des Queer Cinemas.