Mr. Harrigan’s Phone

Mitten in der Nacht wachgerüttelt vom eigenen rockigen Klingelton werden, ist das eine. Kommt diese Nachricht jedoch von jemandem, der gerade die Radieschen von unten zählt, dann ist das etwas anderes und definitiv besorgniserregender als zu wenige Schlafstunden. In der Verfilmung Mr. Harrigan’s Phone, die auf der gleichnamigen Novelle des Horrormeisters Stephen King (Blutige Nachrichten, in der unter anderem besagte Geschichte erschien) basiert, bekommt ein Jugendlicher von seinem verstorbenen Freund – nein, nicht Sam – Nachrichten aus dem Totenreich. Damit gehen natürlich noch andere Dinge einher. Wir reden hier schließlich von einer Geschichte des Meisters der gruseligen Clowns und Zombiekatzen. Doch welche Schrecken ein iPhone auslösen kann, was nicht mit einer zu hohen Handyrechnung zu tun hat, dem gehen wir nach, denn seit dem 5. Oktober 2022 steht der Streifen auf der Streaming-Plattform Netflix zur Verfügung.

 

Nach dem Tod seiner Mutter lernt der Junge Craig (Colin O’Brien) den ehemaligen Geschäftsmann Mr. Harrigan (Donald Sutherland, Ad Astra) kennen. Dieser lebt sehr zurückgezogen in einer stattlichen Villa und stellt den Sohn eines Werkstattarbeiters als Vorleser ein. Craig verdient dabei nicht viel, lernt den faszinierenden alten Mann aber besser kennen und nach und nach werden die beiden Freunde. Immer zu den Feiertagen erhält er zusätzlich ein Rubbellos. Fünf Jahre später gewinnt der Teenager damit 3.000 Dollar. Craig (Jaeden Martell, Metal Lords) benutzt einen Teil des Geldes, um seinem alten Freund ein iPhone zu kaufen. So bleiben die beiden noch besser in Kontakt. Mr. Harrigan verstirbt jedoch unerwartet. Aus einem Impuls heraus steckt Craig das Smartphone mit in den Sarg, allerdings bricht der Kontakt damit nicht ab, wie eine Textnachricht bald darauf beweist.

Manche Klingeltöne sind gruseliger

Originaltitel Mr. Harrigan’s Phone
Jahr 2022
Land USA
Genre Horror, Drama
Cast Craig: Jaeden Martell
Craig jung: Colin O’Brien
Mr. Harrigan: Donald Sutherland
Ms. Hart: Kirby Howell-Baptiste
Craig’s Dad: Joe Tippett
Kenny Yankovich: Cyrus Arnold
Laufzeit 104 Minuten
FSK
Veröffentlichung: 5. Oktober 2022 auf Netflix

An den zwei brillanten Hauptakteuren scheitert Mr. Harrigan’s Phone  keineswegs. Die Probleme liegen auf anderer Ebene. An alle Horror-Fans schon einmal vorneweg: Dieser Film bietet so gut wie nichts. Es gibt zwar zwei nette kurze Momente, als ein gewisser Klingelton erneut erklingt, was in die Kategorie „gruselig“ fällt, doch sonst herrscht einfach gähnende Leere auf diesem Gebiet. Regisseur und Drehbuchschreiber John Lee Hancock (The Little Things) hält sich dabei sehr genau an die literarische Vorlage, weswegen wir auch King eine schlechte Note geben müssen. Natürlich bleibt es nicht bei einfachen Textnachrichten, sondern der unter einem Peiniger leidende Craig, bekommt unerwartet tödliche Hilfe, um sein Problem zu lösen. Doch dieser ganze Fall geht nicht wirklich unter die Haut. Ebenso die nachfolgenden Ereignisse.

An der Oberfläche der Gefühle

Auch als ergreifendes Familiendrama verdient sich diese Geschichte keine Lorbeeren. Dafür entfaltet der Verlust der Mutter einfach kaum seine volle Wirkung, da Szenen mit ihr fehlen und sie uns deswegen nicht so ergreift, wie es hätte sein können. Craigs innere Zerrissenheit stellt sich kaum dar und es fällt schwer, ihn als sehr traurigen Jungen zu sehen. Einem, der in einer Freundschaft zu einem älteren, skrupellosen Mann Seelenheil findet. Jaeden Martell, der erneut in einer Stephen-King-Verfilmung mitspielt, und der Jungdarsteller Colin O’Brien bringen Craigs Einsamkeit schon auf die Leinwand, aber nur so schwach wie der Handy-Empfang in den Bergen.

Eine schwierige Freundschaft

Bleibt noch die Freundschaft des ungleichen Duos. Dass die beiden sich anfreunden, sehen wir, doch bleibt diese Beziehung immer schwierig zu fassen und bis zum Dahinscheiden des einen auch viel zu oberflächlich. Es fehlt an tiefergehenden Gesprächen, oder schlicht an weiteren Szenen, dabei bietet vor allem die Vergangenheit von Harrigan einiges an interessanten Zündstoff. Ankreiden müssen wir sogar, dass gerade die Aufdeckung einiger Geheimnisse auch nicht gerade die Spannungskurve weit in die Höhe schießen läßt. Donald Sutherland schafft es allerdings, einem mit einer Rede über Nachrichtenvermittlung eine Gänsehaut einzujagen. Highschool-Leben, mit klassischer Lovestory, Mobbing und Zukunftsfindung überlagern die meiste Spielzeit, dabei erzählt der Regisseur die Handlung nicht lieblos, aber auch nicht sehr individuell oder aufregend. Diese Geschichte gerät dadurch schnell in Vergessenheit.

Zwischen Villa und Schule

Das alte Herrenhaus, welches sich in Mr. Harrigan’s Phone präsentiert, ist wahrlich eine Augenweide. Alleine das Lesezimmer lädt zum Schmökern ein und auch der Wintergarten ist mehr als einen Blick wert. Schade, dass kaum weitere Räume für Abwechslung sorgen, denn die eigene Fantasie stellt sich dort weiteres Sehenswertes vor. Es gibt schlicht nicht mehr und wir halten uns sonst nur an der Schule oder in Craigs Familienhaus auf. Die kleinen sonstigen Abstecher füllen nicht gerade die 104 Minuten und auch auf musikalischer Ebene bietet sich kaum etwas Erwähnenswertes. Immerhin: Beim Anblick des allerersten iPhones schwelgen einige in Erinnerung.

Fazit

Mr. Harrigan’s Phone ist weder Fisch noch Fleisch. Für einen Horror-Film fehlen ihm einfach richtig stimmungsvolle Szenen. Es müssen keine Eimer voll Blut sein, aber wenigstens etwas, das Spannung erzeugt. Und auf der anderen Seite fehlt es dem Film an emotional aufwühlenden Szenen, um als ein echtes Drama durchzugehen. Dementsprechend dümpelt die Geschichte langsam vor sich hin, alles ist nicht grauenvoll, aber eben teils langweilig. Daran tragen die Schauspielenden keine Schuld, denn die holen noch das Beste aus dem laschen Skript heraus. John Lee Hancock hätte hier den Mut beweisen müssen, die Novelle Kings mehr umzudichten, um eben dessen Schwächen auszumerzen oder hätte sich eine der besseren Geschichten aussuchen sollen.

© Netflix

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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