Once Upon A Time… In Hollywood
Eine kleine Sensation machte sich in der Filmwelt breit, als Quentin Tarantino (Pulp Fiction) 2017 ankündigte, dass sich sein neunter Spielfilm um nichts Geringeres als das dunkelste Kapitel Hollywoods drehen würde: Der Mord an Roman Polanskis schwangerer Ehefrau Sharon Tate am 9. August 1969. Fast genau 50 Jahre später bringt er mit Once Upon A Time… in Hollywood einen Film in die Kinos, bei dem lange Zeit nicht klar war, was der Kultregisseur nun erzählen würde. Ein schwieriger Stoff, diverse andere Filme mit Tate-Thematik zum 50. Jahrestag (Charlie Says, The Haunting of Sharon Tate) und dann eine Traumbesetzung mit Brad Pitt und Leonardo DiCaprio, die sich erstmals in einem Film begegnen. Das 90 Mio. US-Dollar teure Überraschungsprojekt war geboren und sollte letzten Endes alle Erwartungen übertreffen.
1969 befindet sich Hollywood im Aufwind. Eine Revolution breitet sich aus und junge Menschen tummeln sich auf den Straßen, die gegen Tradition rebellieren und die freie Liebe suchen. Gleichzeitig durchbricht auch die Filmindustrie die Schranken des bisherigen Monumentalfilms. Die 60er waren auch die große Zeit des Westerns, doch die Nachfrage an diesem Genre flaut allmählich ab. Das kriegt auch Rick Dalton (Leonardo DiCaprio, Django Unchained) am eigenen Leib zu spüren. Seine Sternstunde als TV-Star der Serie “Bounty Law” liegt bereits hinter ihm und er bekommt nur noch die Rolle des Bösewichts zugeschrieben, um anderen ins Rampenlicht zu helfen. Auch in dieser Zeit steht sein bester Freund Cliff Booth (Brad Pitt, Inglourious Basterds), der gleichzeitig sein Stuntman und persönlicher Assistent ist, hinter ihm. Aussicht auf Hilfe verspricht das Angebot des Filmproduzenten Marvin Schwarz (Al Pacino, Ocean’s 13), doch für die Hauptrolle in dessen Spaghetti-Western müsste Rick in Italien drehen. So bleibt Rick erst einmal weiterhin auf seinem Anwesen im Cielo Drive in Los Angeles wohnhaft. Dort in der Nachbarschaft zieht auch der Regie-Newcomer Roman Polanski (Rafal Zawierucha, Gods) ein. Mit ihm: Das lebensfrohe Starlet Sharon Tate (Margot Robbie, I, Tonya). Während all diesen Geschehnissen erreicht die Hippiebewegung einen neuen Tiefpunkt und die Anhänger um den charismatischen Sektenguru Charles Manson steigen empor …
Die 60er sind die neuen 80er
Originaltitel | Once Upon A Time… In Hollywood |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Genre | Comedy, Drama |
Regisseur | Quentin Tarantino |
Cast | Rick Dalton: Leonardo DiCaprio Cliff Booth: Brad Pitt Sharon Tate: Margot Robbie Jay Sebring: Emile Hirsch Pussycat: Margaret Qualley James Stacy: Timothy Olyphant Tex: Austin Butler Trudi: Julia Butters Bruce Lee: Mike Moh Wayne Maunder: Luke Perry |
Laufzeit | 161 Minuten |
FSK |
Quentin Tarantino zählt zu den renommiertesten Regie-Marken Hollywoods. Oft kopiert, nie erreicht. Vom ersten Film an erlangte er Kultstatus und die Ankündigung, mit dem zehnten Film in den Ruhestand zu gehen, kurbelte den Hype um seinen augenscheinlich vorletzten Film noch weiter an. Auf dem roten Teppich der Filmpremiere verriet er, dass die Recherchen äußerst aufwändig waren: Unzählige TV-Zeitschriften aus dem Jahr 1969 wurden studiert, Produktionen des Film- und TV-Jahres konsumiert und genaustens protokolliert. Sein Film ist derart aufgeladen an Referenzen, dass Fans der Ära genug zu entdecken haben und lange Zeit damit verbringen können, Listen mit popkulturellen Verweisen zu füllen.
Wer schert sich schon um Genres?
Die Frage nach dem Genre lässt sich gar nicht so einfach beantworten. Mit viel Buddy-Action gepflastert, bewegt sich der Film wenig vorhersehbar auf ein brachiales Finale zu. Davon ist allerdings über einen langen Zeitraum nichts zu spüren, denn bis es soweit ist, sind sämtliche Zusammenhänge offen. Es werden falsche Fährten gelegt und wann immer man das Gefühl hat, der Film könnte nun eine bestimmte Richtung einschlagen, weil das Unheil wie ein Damoklesschwert über allem schwebt, überrascht der Regisseur letztlich wieder. Wie ein roter Faden zieht sich allerdings der bissige Humor durch sämtliche Szenen. Once Upon A Time… in Hollywood lässt sich demzufolge als schwarze Komödie labeln, die ihre Gestalt immer wieder neu formt. Was sind schon Genregrenzen? Zwischenzeitlich wird auch mal ein ausführlicher Westerndreh eingebettet, der an die Qualitäten eines Spiel mir das Lied vom Tod aus 1968 erinnert und unterstreicht, dass der Filmtitel an dessen Originalnamen “Once Upon A Time In The West” angelehnt ist.
Wer braucht schon einen Plot?
Typisch für Tarantino: Alles ist erlaubt. Aus diesem einfachen Grund werden auch reale Personen dazu genutzt, um die Grenzen zwischen Realität und Fiktion aufzubrechen. Wenn etwa Cliff die Laberbacke Bruce Lee (Mike Moh) fertig macht oder über Sharon gelästert wird, sie stünde auf Männer, die wie 12-jährige aussehen, sorgt das ebenso für haarsträubende Momente, wie ein Teenager, der trotz fehlender Volljährigkeit Sex im Auto anbietet. Alles Szenen mit Fußnote, welche die Unbefangenheit des Regisseurs attestieren. Auch die Handlung folgt keiner erkennbaren Struktur. Sie wechselt zwischen den drei Hauptfiguren und springt auch zwischen den Jahren. Im letzten Drittel folgt sogar eine stündliche Abfolge der Geschehnisse, während im ersten noch sehr viel Zeit verstreicht. Und dann ist da noch ein völlig überzogenes Finale, in dem wirklich alle noch vorhandenen Grenzen aufgesprengt werden, um in einer Gewaltexplosion zu enden. Spannend bei allen Begebenheiten zu beobachten, ist die fehlende Rücksicht auf historische Genauigkeit. Während man sich hier und dort fragen muss, wie hoch der Wahrheitsgehalt wirklich ist, entfällt diese Schätzung im Finale endgültig.
Der Glanz Hollywoods vor und hinter der Kamera
Der Blick auf die Besetzungsliste bringt allerlei große Namen hervor. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um den Trugschluss, dass es nur darum ginge, den Cast mit möglichst viel Prominenz zu verstärken. Brad Pitt und Leonardo DiCaprio bilden eine Einheit, der man sofort abnimmt, dass sie (zusammen)gewachsen ist. Mehr als Brüder, weniger als Mann und Frau, wie es definiert wird. Die Handlung gehört ihnen, trotz der Umstände, die hier präsent sind. Man muss keinen Hehl darum machen, dass Brad Pitt der Star und Publikumsliebling ist: Seine Figur stand bislang immer im Schatten, beweist nun aber, weshalb sie die eigentliche Stütze des Hollywood-Stars Rick Dalton ist. Quentin Tarantino hat schlichtweg ein Herz für Stunt(wo)men. Sharon Tate kreuzt eher das Leben des Duos als umgekehrt und das sogar völlig beiläufig. Auf eine geniale Weise erleben wir die junge Schauspielerin, ohne dass das Drehbuch allzu stark nach ihr ausgerichtet wird. Margot Robbie verkörpert sie mit viel Leidenschaft und einer liebenswerten Art, die einem das Herz aufgehen lässt, wenn Sharon ganz spontan in einem Kinosaal die Füße hochlegt und sich selbst feiert. Von den Dreien einmal abgesehen, fallen die anderen Rollen eher flach aus, obwohl sich ein zweiter Blick auf die Castliste lohnt. Dort ist nicht nur Stammpersonal aus Tarantinos Filmografie zu finden, sondern auch Mini-Auftritte anderer großer Name wie etwa Damian Lewis (Homeland). Viel stärker jedoch wiegen die Dialoge, die für Tarantino typisch entwaffnender Natur sind.
Fazit
Once Upon A Time… in Hollywood ist Regie-Epos und Denkmal in einem. Einerseits verfliegen die 160 Minuten erstaunlich schnell, andererseits dauert es auch lange, bis alles in seine Bahnen gelenkt wird. Liebe zum Detail steckt hier in jeder Einstellung und wohl kaum ein Film aus diesem Millennium kann den Zeitgeist derart eindringlich einfangen. Für die Geschichte sieht man sich diese Produktion nicht an. Das Drehbuch mäandert gezielt um die Protagonisten herum und spielt mit unseren Erwartungen. Ein klarer Fokus ist ebenfalls nicht vorhanden und so wird erst im letzten Drittel wirklich klar, worauf das Drehbuch eigentlich aus ist. Viel eher ist es die aus der Verschmelzung von Realität und Fiktion resultierende Magie, welche begeistert. Auch die vielen Gimmicks sorgen dafür, dass sich Tarantinos neuntes Werk wie ein zukünftiger Evergreen wirkt, den man sich immer wieder anhört, um neue Zeilen und Strophen zu entdecken. Der Rewatchfaktor ist jedenfalls außerordentlich hoch.
© Sony Pictures
Bin gespannt, ob mir der Film auch zusagt. Wegen Leo hab ich eh vor ihn zu schauen. 😀
Ich habe mich sehr auf den Film gefreut und habe es am WE dann auch endlich ins Kino geschafft, aus dem ich dann begeistert heraus kam. Ich kann verstehen, warum einem persönlich Tarantino-Filme nicht gefallen, aber niemand kann ihm absprechen seinen Job nicht zu beherrschen. Genauer gesagt dieses ganz besondere Auferstehen lassen vergangener Zeiten. Sei es Death Proof, Kill Bill oder Django, Unchained, er kann ganze Genres zitieren. Und hier hat er es perfekt im Griff das alte Hollywood zu inszenieren. Und allein das ist das Anschauen wert. Die Einarbeitung von Gesprengte Ketten und vor allem Rollkommando sind grandios.
Ich gehöre zu denen, die das auch sehr skeptisch sahen, dass hier Sharon Tate eingebaut und irgendwie mit ihr geworben wird. Die Manson-Familie ist abstoßend-faszinierend, aber die meisten Filme sind dann irgendwie nur sensationsgeil bis dämlich. Und ausgerechnet hier, habe ich das Gefühl, dass der meiste Respekt für Sharon und die realen Opfer zu finden ist.
Da Inglourious Basterds einem auch schon einen getöteten Hitler gezeigt hat, finde ich diese historische Neuschreibung auch nicht anders.
Großes Lob dafür, wie all die vielen kurzen, scheinbar zusammenhanglosen Szenen, eben doch ein großes Gesamtbild ergeben. Muss man sehen, wie Rick Dialog übt? Naja, vielleicht nicht so lang. Aber wir sehen dann die Szene bzw den Dreh und alles greift wunderbar ineinander und zeigt uns was von seinem Schauspiel (und somit auch von DiCaprios, der hier mehr gefordert ist als in The Wolf of Wall Street oder The Revenant).
War irgendwie komisch jetzt grade noch Luke Perrys letzten Film zu sehen, wo BH90210 ohne ihn läuft. Ein Blick auf die Castliste schreibt irgendwie ganz eigene Geschichten. Und es ist erstaunlich, dass Pitt und DiCaprio hier zum ersten Mal miteinander arbeiten. Es geht echt vor und hinter der Kamera um Hollywood. In einer perfekt eingefangenen Atmosphäre.
Hier würde ich den Kinobesuch auch deshalb unbedingt empfehlen, weil man sich daheim einfach zu schnell ablenken lässt. Ich kenne das und es passiert bei den besten Filmen. Zu Hause kann einem noch was einfallen, was man eben kurz mal macht und diese zweieinhalb Stunden (die sich viel kürzer anfühlen) sollten am Stück geschaut werden. Es geht wirklich mehr darum, sich in diese Zeit einsaugen zu lassen, als einer spannenden Story zu folgen.
Die einzige Kritik, die mir direkt in den Sinn kam, betrifft die sehr eindimensionale Darstellung von Bruce Lee. Durch die Trainingsszene mit Sharon ein wenig abgemildert, aber da ist der arrogant klingende Egotrip etwas übertrieben.
Erstmal volle Zustimmung: Zuhause hätte ich den Film niemals durchgehalten. Im Kino ist das ein ganz anderer Fall (wobei es auch hier Phasen gibt, in denen ich auf geistigen Leerlauf stand). Geordert habe ich mir das Steelbook dennoch direkt, auch wenn ich befürchte, dass es ein weiterer Film wird, den ich einfach nur gerne haben möchte, aber vermutlich nie wieder ansehen werde. Ist schließlich auch kein Titel, den man sich mal eben nebenbei reinzieht. Wird also stark davon abhängig, ob sich interessierte Mitschauer finden lassen.
Ich mag auch die Art und Weise, wie man Sharon Tate umgegangen wird. Dieses alternative Setting macht ja alles möglich und dann erwarte ich tatsächlich auch so etwas. Wenn es nun also wenigstens einen Film gibt,
Was Bruce Lee betrifft, machte nach Start des Films auch dessen Tochter von sich Reden, die ihren Vater alles andere als würdig repräsentiert fühlt. Zwar hört man immer wieder, dass er am Set wohl eine ziemliche Diva gewesen sein muss, aber so wie das Ergebnis dargestellt wird, könnte man meinen, Tarantino und Lee hätten sich persönlich irgendwann mal verkracht.