Palm Springs

Zeitschleifen-Filme müssen sich (wohl auf ewig) dem Vergleich mit Harold Ramis’ Und täglich grüßt das Murmeltier stellen. Die meisten ziehen in diesen Vergleichen eher den Kürzeren. Sucht man sich aber aus, ob man den ewigen Tag lieber mit Bill Murray oder Andy Samberg verbringen möchte, verspricht letzterer in Max Barbakows spritziger Fantasy-Komödie Palm Springs sogar noch mehr Spaß. Die Time Loop-Komödie besticht mit einem sensationellen Cast sowie krachenden und mit passendem Timing versehenen Gags. Der Eröffnungsfilm des Fantasy Filmfests 2020 holt Fans romantischer Komödien ebenso ab wie Anhänger vergnüglicher Sci-Fi-Fantasy. Eskapismus in Reinform und damit genau das, was man in Zeiten von Corona am dringlichsten benötigt.

   

Nyles (Andy Samberg, Brooklyn Nine-Nine) durchlebt immer und immer wieder denselben Tag: Er befindet sich in einer Zeitschleife, die ihn täglich dieselbe bescheuerte Hochzeit inmitten des Urlaubsparadises Palm Springs durchleben lässt. Doch das Schicksal hat mit ihm Erbarmen: Sarah (Cristin Milioti, How I Met Your Mother), die Schwester der Braut Tala (Camila Mendes, Riverdale) gerät ebenfalls in jene Zeitschleife. Sie erfährt von Nyles, dass er schon sein halbes Leben (!) in ebendieser Zeitschleife verbringt und wird somit zu seiner unfreiwilligen Komplizin. Beide müssen feststellen, dass sie festsitzen, sich kein Ausweg auftut und selbst der Tod sie nicht davon abhält, am nächsten Morgen erneut denselben Tag zu durchleben. Wenn man gar nichts zu verlieren hat, ist das gleichzeitig der Siegeszug von Mut und Kreativität, denn wo es keine Konsequenzen gibt …

Sommerliche Vibes und Sozialkritik

Originaltitel Palm Springs
Jahr 2020
Land USA
Genre Komödie, Romanze, Fantasy
Regie Max Barbakow
Cast Nyles: Andy Samberg
Sarah: Cristin Milioti
Roy: J. K. Simmons
Howard: Peter Gallagher
Misty: Meredith Hagner
Tala: Camila Mendes
Abe: Tyler Hoechlin
Trevor: Chris Pang
Laufzeit 90 Minuten
FSK
Veröffentlichung: 9. Juli 2021

Damit das Thema direkt zu Beginn vom Tisch ist: Einen Blumentopf für einen innovativen Plot gewinnt Palm Springs mit Sicherheit nicht. Die Zeitschleifen-Thematik wurde oftmals schon in ganz unterschiedlichen Genres angewandt und das Prinzip ist allen Zuschauern mittlerweile geläufig. Entscheidend ist also immer, was aus den endlosen Trial & Error-Experimenten herausgeholt wird. Auch das Boy-meets-Girl-Schema, in dem sich zwei Herumirrende nicht suchen, aber finden und viel miteinander zu besprechen haben, zählt zu den am häufigsten verwendeten Erzählmustern im Romantik-Bereich. Im Grunde ist es aber am besten, einfach gar nichts über Palm Springs zu wissen und somit nicht erst in die Gelegenheit zu kommen, sich an genau diesen beiden Mustern aufzuhängen.

Schwarzer Humor und Tiefgründigkeit im Doppel

Bereits ab der ersten Minute offenbart sich der skurrile Humor des Drehbuchautors Andy Siara, dessen Gags zum Teil derart überzogen sind, dass Palm Springs als extravagante Screwball-Komödie bezeichnet werden muss. Hierbei springt der Funke schon zu Beginn über und treibt seinen Zuschauenden regelmäßig Lachtränen in die Augen. Denn wo Taten ohne Folgen bleiben können, lässt sich allerlei Schabernack veranstalten und das meistens auf Kosten von Nyles’ unsympathischer Ehefrau Misty (Meredith Hagner, Search Party) oder anderen Hochzeitsgästen. Was lässt sich schöner ruinieren als eine Trauungszeremonie? Und welchen Menschen würde man sich unter anderen Umständen niemals sexuell annähern, weil Risiken und Konsequenzen winken? Streits aus dem Weg gehen? Mitnichten! Das Drehbuch kennt keine Schmerzen und zeigt sich voller Experimentierfreudigkeit. So richtig nihilistisch wird es aber zu keinem Zeitpunkt, dafür ist der Anspruch dann doch ein anderer: Biblische Metaphern und philosophische Anflüge werten die Dialoge auf, die sich immer wieder mit der Existenzfrage beschäftigen.

Chemische Reaktion

Dank der überzeugenden Chemie zwischen Andy Samberg und Cristin Milioti bereitet es riesigen Spaß, der Entwicklung der beiden zu beizuwohnen. Aus Schicksalsgefährten werden Freunde, aus gegenseitigem Necken bahnen sich Annäherungen an. Das Problem ist nur, dass beide am nächsten Morgen immer wieder in ihrem alten Leben erwachen, aus welchem auf kreative Weise immer wieder ausgebrochen wird. Nyles hat sich mit den permanenten Wiederholungen des Tages längst abgefunden. In ihm versammeln sich mehrere Charakterzüge: Trotzigkeit, Respektlosigkeit, gleichzeitig aber auch Gelassenheit, Charme und Warmherzigkeit. All das sind die Folgen der Resignation, die sich über die Jahre hinweg aus der Situation heraus ergeben hat. Sarah ist da schon deutlich panischer unterwegs und entwickelt sich zu einer exzentrischen Zeitbombe, die mit ihren Emotionen völlig überfordert ist. Profi und Anfängerin machen nun also gemeinsame Sache, das bringt auch Konflikte mit sich. Aber das Duo bleibt lösungsorientiert und verschließt sich auch rationalen Methoden nicht.

Die Leichtigkeit des Seins

Auch im Nebencast gibt es Spannendes zu beobachten: Oscar-Preisträger J.K. Simmons (Whisplash) spielt den kauzigen Roy, der etliche Lacher abliefert, aber auch für einen nachdenklich-melancholischen Moment sorgt. Meredith Hagner erweist sich als die richtige Besetzung der ignorant-oberflächlichen Misty, die sich mehr um ihr eigenes Auftreten als ihre Ehe schert. Nur Camila Mendes kann aus ihrer Rolle als Braut wenig herausholen und ist einzig damit beschäftigt, alles wegzulächeln. Sieht man einmal von den Rollenbesetzungen ab, offenbart sich vor allem die Szenerie als heimlicher Star. Das schillernde Setting birgt alleine schon eine Menge Charme: Im Kontrast zur brennenden Sonne Kaliforniens und der staubigen Wüste steht ein fantastischer Wedding-Playground mit bläulich schimmernden Pools, Dekos aus Lichterketten und knalligen Farben. Ein kontrastreiches Szenario, das den richtigen Ort schafft, um romantische Sommervibes mit fiesen sozialkritischen Spitzen zu vereinen. Dieses Wüstenkaff ist alles, nur nicht langweilig. Man möchte am liebsten selbst unbeschwert auf einer Pizzastück-Luftmatraze herumtreiben und die Zeit still stehen wissen, so leicht fühlt sich Palm Springs an.

Fazit

Brillant gepaced, klasse geschrieben und mit Dialogen, die ebenso bissig wie schmerzhaft ehrlich sind: Palm Springs erweist sich als perfekt ausbalancierte Mischung aus Rom-Com und Fantasy. Die Leichtigkeit des Seins, die bestens aufgelegten Darsteller und die pointierten Gags im Minutentakt bringen einen Feel-Good-Movie hervor, der in den richtigen Momenten die Seele streichelt. Mehr als nur eine Komödie, vielleicht ein Geheimtipp und hoffentlich eines Tages ein Klassiker. Zu gönnen wäre es Max Barbakow von ganzem Herzen.

© Leonine


Ab 9. Juli 2021 im Handel erhältlich:

 

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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Ayla
Redakteur
10. November 2021 21:58

Mich hat der Film auch sehr begeistert, obwohl die Handlung selbst genau genommen kaum simpler sein könnte. Aber das ist eben auch die Stärke: Palm Springs fokussiert sich auf das Wesentliche und das sind die beiden Hauptfiguren, erzählt dabei aber auch schlüssig eine unterhaltsame wie romantische Zeitschleifengeschichte, die durchaus Aspekte aufgreift, die zum Nachdenken anregen. Die 90 Minuten Laufzeit (für heutige Verhältnisse sogar ziemlich kurz) werden optimal genutzt und es hat sich tatsächlich nie etwas wirklich gestreckt oder gehetzt angefühlt. Tatsächlich eine kleine Perle, der mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.

Auf jeden Fall ein richtig schöner Feel-Good-Movie, den ich sicherlich gerne nochmal schauen werde. 🙂