PG: Psycho Goreman
Man stelle sich vor, die Power Rangers wären für eine FSK 18-Zielgruppe entworfen worden und als B-Movie-Ware auf dem Wühltisch der Videothek gelandet. Dann wäre das alles unter dem Namen PG: Psycho Goreman geschehen. Denn Regisseur und Drehbuchautor Steven Kostanski (The Void) hat den Film schlechthin inszeniert, der alle vor der Jahrtausendwende Geborenen zurück in die VHS- und Videotheken-Jugend schleudert. Mit fiesen Effekten, absurden (aber zitierfähigen) Dialogen und grausigen Kostümen. Wer sich an die Gegner der Power Rangers erinnert oder vielleicht schon einmal The Masked Singer eingeschaltet hat, wird eine ungefähre Vorstellung haben, auf was man sich hierbei einlässt. Dabei zitiert der Film das gesamte Geek-Universum rauf und runter. Herausgekommen ist eine ultimative Spaßbombe, die in Sachen trashiger Absurditäten außer Konkurrenz läuft und auf dem Fantasy Filmfest 2020 gezeigt wurde, ehe sie am 22. April 2021 in den Handel kam.
Beim Spielen entdecken Mimi (Nita-Josee Hanna) und ihr Bruder Luke (Owen Myre) ein Grab, aus dem sie einen Außerirdischen (Matthew Ninaber, Transference: Escape the Dark) befreien. Dabei haben sie Glück gehabt, denn hätte Mimi nicht rechtzeitig den seltsamen Edelstein an sich gerissen, hätte der brutale Warlord wohl Asche aus den Geschwistern gemacht. Der Stein verleiht ihr die Fähigkeit, den außerirdischen Herrscher herumzukommandieren und ihn alles ausführen zu lassen, was ihr in den Sinn kommt. Dieser schäumt vor Wut, hat aber keine andere Wahl, als dem Mädchen zu gehorchen. Fortan lebt er unter dem Name “Psycho Goreman” bei ihnen. Nun macht das Trio gemeinsam ihre Hood unsicher. Aber auch außerhalb der Erde hat man Wind davon bekommen, dass der Fürst der Finsternis sich auf der Erde versteckt hat. Sie machen sich auf den Weg zum blauen Planeten, wo es zum ultimativen Kampf kommen soll.
Der Fiebertraum des Nerduniversums
Originaltitel | PG: Psycho Goreman |
Jahr | 2020 |
Land | Kanada |
Genre | Splatterkomödie |
Regie | Steven Kostanski |
Cast | Mimi: Nita-Josee Hanna Luke: Owen Myre Psycho Goreman: Matthew Ninaber Greg: Adam Brooks Pandora: Kristen MacCulloch |
Laufzeit | 99 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 22. April 2021 |
Ein magischer Stein, ein Außerirdischer auf der Flucht und ein Geschwisterpaar. Klassische Zutaten aus dem Sci-Fi-Baukasten. Man tut PG: Psycho Goreman vollkommen Unrecht, wenn man einen schemenhaften Zukunfts-Action-mit-Kostümen-Titel erwartet. Die simple und lineare Geschichte dient allenfalls als Mittel zum Zweck, um einen Kugelhagel an kreativen Ideen auf die Zuschauer*innen loszulassen. Als hätte ein Zwölfjähriger eine Idee gehabt und im Erwachsenenalter das Budget bekommen, diese nun als Film umzusetzen. Aber noch immer aus der Perspektive des Kindes, das sich für Playstation, Red Bull, Cartoons und Monsterkostüme begeistern kann. Sozusagen der filmische Inbegriff des Vorwurfs “Werd doch mal erwachsen!”. Psycho Goreman und dessen Gegenspieler stecken in Kostümen, die tatsächlich aussehen, als hätten Kinder sie entworfen und sich dabei an Gegenständen wie Mülleimern und Toastern orientiert. Handgemacht, witzig, trashig und zu 100 Prozent cosplay-tauglich. Die an Kurtzmans Wishmaster erinnernde Titelfigur ist da noch am unspektakulärsten ausgestattet.
In der Hauptrolle: Das niederträchtigste Kind aller Zeiten
Das Hightlight des intergalaktischen Spektakels ist eine kleine Erdenbewohnerin: Mit ihren ungefähr zehn Jahren ist Mimi noch ein Kind, verhält sich aber wie eine Erwachsene – aus Kindersicht. Sie weiß alles besser, macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt, ist gleichermaßen bossy und bitchy und hat ihre Familie fest im Griff – und Psycho Goreman direkt dazu. Ihr Charakter lässt sich ungeschönt als Axt im Walde bezeichnen. Oder noch treffender: Als der Holzfäller, der die Axt schwingt. Von einem hysterischen Lachen unterstützt. Dagegen wirken selbst Rotzgören wie Pippi Langstrumpf erzkonservativ. Mimi ist derart böse und komisch, dass jede ihrer großmauligen Aktionen gefeiert werden muss. Mit Schadenfreude ist man immer auf ihrer Seite, vor allem, wenn ihr Bruder oder dessen Mitschüler darunter leiden. Dass die Eltern ihre Kinder nur bedingt unter Kontrolle haben, zeigt sich vor allem an Vater Greg (Adam Brooks, The Editor), einem Pantoffelhelden wie aus dem Buche, der der Spielball seiner gesamten Familie ist.
Sympathische “alles egal”-Attitüde
Auf filmische Qualitäten gibt Psycho Goreman nichts. Also komplett gar nichts. Ob grässliches CGI-Gewitter, Slow-Motion oder Trick-Effekte Marke “war schon in den 90ern schlecht”: Alles kommt und geht, wie es gerade benötigt wird. Ohne Ansage und völlig selbstbewusst. Das macht die gesamte Produktion unheimlich sympathisch und es schwer, ihr etwas anzukreiden. Steven Kostanski bringt nämlich Verve für sein eigenes Drehbuch mit und hat es mit gepfefferten Dialogen ausgeschmückt, die häufig auch mal ihre Pointe verfehlen (dürfen). Das alles ist egal, weil sich die Produktion ab der ersten Minute selbst als narrenfrei klassifiziert. Denn das Schauspiel überschreitet mehrfach die Grenze zum Overacting.
Nostalgische Fun-Splatterei mit extra Geschmiere
Man möchte meinen, dass explodieren, brechen und zerbersten kann, was will, sobald keine Menschen betroffen sind. Psycho Goreman spielt in erster Linie auch eher mit Monstergedärmen und Alien-Blutkanonen, nimmt in mancher Szene aber auch keine Rücksicht vor menschlichen Darstellern. Niemals auf eine unheimliche Weise – Horror sucht man hier ohnehin vergeblich – sondern auf eine (vermeintlich) witzige Art und Weise, die gleichzeitig aber auch staunen lässt angesichts der mutigen Entscheidungen. Aber was sollte es auch zu verschonen geben, wenn äonenalte Wesen aufeinander eindreschen? Da sind so ein paar irdische Befindlichkeiten doch nichts gegen. Riesenhirne, Laseraugen, Völkerball. Die Erfüllung pubertärer Fantasien wird wahr!
Fazit
Psycho Goreman erweist sich als ultimative Trash-Veranstaltung, die das Potenzial besitzt, jede Party in Schwung zu bekommen. Es ist hilfreich, ein Faible für 80er-Jahre-Monster-Horror oder schräge Kostüme zu haben. Manch eine(r) wird sich diesen Film auch erst einmal schön trinken müssen, der vor allem aber in großer Runde sein volles Potenzial entfaltet. Eine Gehirnerschütterung, ein Schluckauf im Kopf, ein in ein Cola-Glas fallendes Mentos. Geekig, kultig, von Grund auf liebenswert. Charmant und sympathisch präsentiert mit dem Herz am richtigen Fleck. Und verdammt noch mal wert, ein eigenes großes Franchise zu bekommen. Dort draußen in der Galaxie müssen weitere zum Brüllen komische Geschichten rund um Psycho Goreman lauern!
© Koch Films
Veröffentlichung: 22. April 2021