Pig

Es ist bemerkenswert, mit welcher Konsequenz Nicolas Cage (Das Vermächtnis der Tempelritter) seine Filmografie auffüllt. Während man bei anderen Schauspieler:innen oftmals mehrere Jahre warten muss, bis mal wieder ein Film erscheint, ist Nicolas Cage in mittlerweile gefühlt in jedem dritten Film dabei und erscheint auch nicht sonderlich wählerisch hinsichtlich Thematik und Qualität des Drehbuchs. Pig ist allerdings einer der Filme, der dem Oscar-Gewinner wieder zu mehr Ansehen verhalf. In dem Spielfilmdebüt von Michael Sarnoski geht es nämlich um nichts Geringeres als einen Einsiedler, der sich auf die Suche nach seinem entführten Trüffelschwein begibt. Wer da sofort an John Wick und seinen Hund denkt, hat allerdings schon eine völlige falsche Fährte eingeschlagen. Seit dem 19. November 2021 darf sich ein deutsches Publikum auf die einfühlsame Suche nach dem Trüffelschwein begeben, da erschien die Produktion nämlich auf Blu-ray und DVD.

 

Robin (Nicolas Cage) lebt zurückgezogen in einem Waldstück. Der einstige Koch ist ein gesellschaftlicher Aussteiger und die einzige Bindung, die er pflegt, ist die zu seinem Trüffelschwein Apple, welches ihm anhänglich hinterherläuft. Seinen Lebensunterhalt finanziert er mit dem Verkauf von Pilzknollen an den Stadtschnösel Amir (Alex Wolff, Jumanji: Willkommen im Dschungel), der seine Käufe an Luxusrestaurants weitervertickt. Als Robins Schwein eines Nachts entführt wird, beginnt er alle Hebel in Bewegung zu setzen, um sein Schweinchen wieder zu bekommen. Mit dem herbeigerufenen Amir begibt er sich auf eine Reise in seine eigene, schmerzliche Vergangenheit …

Demontage deines Rache-Thrillers

Originaltitel Pig
Jahr 2021
Land USA, Großbritannien
Genre Drama
Regie Michael Sarnoski
Cast Rob: Nicolas Cage
Amir: Alex Wolff
Darius: Adam Arkin
Charlotte: Nina Belforte
Jezebel: Dalene Young
Laufzeit 91 Minuten
FSK
Veröffentlichung: 19. November 2021

Die Ausgangslage von Pig liest sich wie die eines klassischen Rache-Thrillers à la John Wick. Regisseur Michael Sarnoski gelingt es in seinem Debüt eindrucksvoll, den oftmals prototypischen dramaturgischen Verlauf anzuwenden und in eine neue Richtung zu lenken. Bekannte Mechanismen funktionieren plötzlich nicht mehr und stellen das Publikum vor eine Herausforderung. Pig ist nämlich kein actiongetriebener Rachedurst-Thrill, sondern eine Reise ins Innere der eigenen Figuren. Sei es Rob, sei es Amir oder sei es Amirs Vater Darius (Adam Arkin, Halloween H20), der beizeiten ins Spiel kommt. Nach und nach erfahren wir einiges sowohl über Amirs als auch Robs Vergangenheit. Wie man sich denken kann: Rob war nicht immer Eremit, und dass er sich zum Leben eines solchen entschloss, hat auch triftige Gründe. Regisseur Michael Sarnoski weiß genau, was er da tut, und widersteht allen Versuchungen, auch nur einen Hauch nach links und rechts zur Konkurrenz zu schauen.  Ganz ruhig und mit viel Wärme erzählt er seine warme, aber unaufgeregte Geschichte in drei Akten. Das kann aus Zuschauersicht aber mitunter auch frustrieren sein, da Rob eine Figur ist, die immer einsteckt, nicht aber austeilt.

Und das Trüffelschwein?

Was ist eigentlich mit dem Aufhänger des Plots? Dem jagt Rob bis zum Schluss hinterher, auch wenn er eigentlich etwas ganz anderes sucht. Man kann es sich beinahe denken: Auch wenn die Entführung des Schweins alles ins Rollen bringt und Tierliebe ein wichtiges Statement des Films ist, geht es um Robs Geschichte. Schmerz und Wonne liegen dicht beieinander. Das Schwein ist nämlich Symbol für die echte Liebe. Liebe von Mensch zu Mensch, Mensch zu Tier. Es geht um Abschiede. Um Aufarbeitung. Um Verstehen. Und um eine Suche nach etwas, das dem eigenen Leben vielleicht einen Sinn gibt. Dargestellt durch eine Mischung aus Abgeklärtheit, Resignation, Trauer und Wut.

Risiko-Faktor Nicolas Cage

Nicolas Cage ist vor allem für seine eskalierende Mimik bekannt, die er auch im Horror-Genre in Filmen wie Mandy schon erfolgreich ausleben durfte. Den wortkargen Eigenbrötler Rob verkörpert er allerdings homogen und stringent, ganz ohne bizarre Ausfälle und eskalierende Mimik. Dass der Oscar-Preisträger ein hervorragender Charakterdarsteller sein kann, bewies er schon in vielen Filmen wie Leaving Las Vegas – Liebe bis in den Tod oder Lord of War – Händler des Todes. Gleichzeitig ist aber immer Vorsicht geboten, da der Hollywood-Schauspieler gleichermaßen dafür bekannt ist, wenig Sorgfalt bei der Wahl seiner Drehbücher walten zu lassen und auch gerne mit lustlosem Schauspiel aufzutreten. Seine Filmografie umfasst eine Menge Dutzendware wie The Watcher – Willkommen im Motor Way Motel. Filme, die mit seinem Namen werben, im Grunde aber wenig zu bieten haben. In Pig geht deutlich zurückhaltender zur Sache, was seinem Rob trotz Zottelbart und -frisur gepaart mit durchweg zerschlagenem und blutigem Gesicht Würde verleiht. Cage spielt die Figur mit voller Präsenz und das macht Rob trotz augenscheinlicher Unterlegenheit zu einem starken Protagonisten.

Fazit

Es fällt schwer, ein schlechtes Haar an Pig zu lassen: Der Film ist rund und erzählt eine herzzerreissende Geschichte über die Liebe zwischen Mensch und Tier. Ein lobenswertes, vielleicht aber auch für die Zielgruppe eigenartiges Motiv. Ein Film, der eher Kritiker- als Publikumsliebling zu sein scheint, da die Erwartungen ohne Vorwarnung eben doch in Richtung kompromisslose Action gehen. Mit der Tragik des Protagonisten im Zentrum macht Pig also nichts verkehrt, bleibt aber ausschließlich (mit dickem Ausrufezeichen versehen) Zuschauer:innen zu empfehlen, die ihren Fokus auf Charakterentwicklung legen können.

© Breitbild


Veröffentlichung: 19. November 2021

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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