Ralph reichts 2: Chaos im Netz

Ralph Reichts war 2012 ein kleiner Überraschungshit, der sich auch bei den Oscars und Golden Globes als erfolgreich zeigte. Weder auf einem Märchen basierend, noch in einer klassichen Fantasywelt angesiedelt, machte sich der Disney-Film ein Phänomen zu eigen, über das bislang erstaunlich wenig erzählt wurde: Videospiele. Mit dem erfrischenden Videospielhallenschauplatz, spritzigen Charakteren und einem Sack voll popkultureller Anspielungen eroberte der Film die Herzen im Sturm. Zwar war das Einspielergebnis von etwa 471 Millionen US-Dollar für einen Konzern wie Disney eher durchwachsen, doch das Budget von 165 Millionen wurde locker eingespielt. Was wäre da nicht naheliegender als eine Fortsetzung? Immerhin ist noch längst nicht alles um Ralph und Vanellope erzählt. Gott sei Dank hat das Regie-Gespann Rich Moore und Phil Johnston (Zoomania) ein Ass im Ärmel: Das Internet, eine kunterbunte Welt voller Möglichkeiten. Wie praktisch, dass sich Disney an diesem Stoff noch nicht bedient hat und unsere digitalen Helden längst bereitstehen… Es folgt ein Ritt durch das hauseigene Figuren- und Markenuniversum Disneys.

Ralph und Vanellope führen ein gemütliches und angenehmes Leben in ihren Spielen. Besonders nachdem Ralph endlich Anschluss gefunden hat, liebt er seine Tagesroutine in seinem Spiel “Fix it Felix, Jr.” Anders ergeht es Vanellope – sie hat die drei ewig gleichen Levels aus “Sugar Rush” satt. Ralphs gutgemeiner Versuch, Abwechslung in “Sugar Rush” zu bringen, endet in einem Desaster. Das Lenkrad, mit dem der Spielautomat gesteuert wird, geht zu Bruch, und ein neues wird nicht mehr angeboten. Durch einen Zufall bekommen die Protagonisten mit, dass eine Internetseite namens eBay genau jenes Lenkrad anbietet. Zum Glück hat der Spielhallenbetreiber einen WLAN-Router installiert, und so überwinden Ralph und Vanellope alle Barrieren, um sich ins Internet einzuschleusen. Einem Ort der unbegrenzten Möglichkeiten, aber auch voller Gefahren…

Das Internet, gehasst und geliebt

Originaltitel Ralph Breaks The Internet
Jahr 2018
Land USA
Genre Animation
Regisseur Rich Moore, Phil Johnston
Cast Ralph: John C. Reilly / Pierre Peters-Arnolds
Vanellope: Sarah Silverman / Anna Fischer
Shank: Gal Gadot / Maria Koschny
Yesss: Taraji P. Henson / Tanja Geke
Felix: Jack McBrayer / Kim Hasper
Calhoun: Jane Lynch / Vera Teltz
Laufzeit 113 Minuten
FSK

Mit Blick auf die Protagonisten Ralph und Vanellope macht der Schritt in Richtung WWW Sinn. Konsequenter hätte deren Geschichte gar nicht weitererzählt werden können (Stichwort “Onlinegaming”), und ohnehin steht bereits der Vorgänger für ideenhaltigen Abwechslungsreichtum. Deshalb ist es nur zu begrüßen, dass Chaos im Netz kein Aufguss der Marke ist, sondern ein eigenständiger Film, der seinen Weg selbstbewusst einschlägt. Die Handlung versteht sich als Streifzug durch die Browser-History. Aufgeladen mit “echten” Marken wie Whatsapp, eBay oder Amazon erkennen wir schnell unsere eigenen Anlaufstellen im Netz wieder, was einen hohen Identifikationsfaktor schafft. Auch wenn das Internet hier zum Star der Handlung wird und Chaos im Netz verglichen mit seinem Vorgänger wenig auf die Mechanismen von Videospielwelten eingeht, ist besonders die ambivalente Darstellung geglückt. Das Internet ist nun mal kein Ort, an dem alles blumig ist. Es gibt das Darknet, es existieren gefährliche Viren und es werden Plattformen für Selbstdarsteller und Hasskommentare geschaffen. Obwohl angesichts der Zeit vieles nur oberflächlich behandelt wird, ist diese 360 Grad-Darstellung der Netzkultur gelungen eingefangen. Sinnbildlich hierfür steht insbesondere das Finale des Films. Hier sind Ralph und Vanellope auf der Flucht vor vielen Ralph-Klonen, die sich wie ein willenloser Zombie-Mob zusammentun und eine Hetzjagd betreiben.  Kritisch betrachtet wird überdies das geringe Haltbarkeitsdatum von Internethypes und die völlige Schräglage, wenn es um das Erlangen von Popularität geht.

Das Highlight: Disney in der Selbstkritik

Bereits im Vorfeld erzeugte eine Szene besonders viel Aufmerksamkeit: Das Aufeinandertreffen Vanellopes mit allen anderen Disney-Prinzessinnen. Dieser Moment sorgt für einen kleinen Schock, wenn derart viele ikonische Figuren aus beinahe 100 Jahren aufeinandertreffen. Disney nutzt den legendären Moment, um seine Figuren in das neue Jahrtausend zu ziehen. Vor allem in Hinblick auf die Eigenschaften, die eine Prinzessin ausmachen, und die Emanzipation geschieht hier ein kleines Wunder.  Die Prinzessinnen gestehen sich nämlich selbst ein, in Abhängigkeit zu Männern (oder Prinzen) zu existieren und alle dem Klischee der singenden und dramatisch ins Wasser starrenden Damsel-in-Distress zu entsprechen.  Soviel Selbstkritik hätte man Disney kaum zu getraut, doch diese Szene schockt auf eine positive Weise und zieht die Figuren auf eine derart sympathische Weise durch den Kakao, dass sich jegliche Kritik der vergangenen Jahre in Luft auflöst. Schlichtweg entwaffnend.

Das Portfolio des Mäusekonzerns hat sich ausgezahlt

Neben dem Aufeinander-Treffen der Disney-Prinzessinnen sorgt eine weitere Szene für Jubelstürme: Disney wagt sich an seine Tochter-Marken Marvel und Star Wars! Das lässt so manches Herz schneller schlagen, denn wie eine große Familie finden die einzelnen Franchises hier ein gemeinsames Dach. Ob C-3PO als Manager der Disney-Prinzessinnen, Groot im einsilbigen Interview oder Stan Lee-Cameo, hier gehen Wünsche in Erfüllung. Das große Aufeinandertreffen fällt derart harmonisch aus, dass man sich fragen möchte, wieso es längst noch kein Crossover der Disney-Filme gab. An die ultimative Zusammenkunft sämtlicher Marken mag man hier noch gar nicht glauben. Für diese kleinen Momente hätte kein besserer Rahmen gefunden werden können als Chaos im Netz, wo die Meta-Ebene eben erstaunlich gut funktioniert.

Am Puls der Zeit

Die knallbunte Internetwelt überzeugt mit besonders ausgefeilter Darstellung realitätsnaher Umstände. Aufdringliche Pop-ups tauchen vor einem auf, man lässt sich ganz schnell irgendwohin leiten und von seinem Ziel abbringen, und Nachrichten unterbrechen das eigene Vorhaben jederzeit. Diese neue Welt, ihre internen Mechanismen und die Beziehung zur Realität erinnert entfernt an Filme wie Ready Player One und vor allem Emoji – Der Film, wobei letzterer noch erstaunlich wenig aus der Thematik herauszuholen vermag. So viele Funktionen, die wir nutzen, einmal grafisch aufzubereiten und schlüssig nachvollziehbar darzustellen – eine Mammutaufgabe, der sich nur ein erfahrenes Studio annehmen kann. Genauso schnell verleiht das Ausloten der Möglichkeiten dazu, immer mehr und mehr zu zeigen und darstellen zu wollen. In diese Falle tappt auch Chaos im Netz, das sich in der Mitte des Films in eine Sackgasse manövriert, um dort irgendwie wieder herauskommen zu müssen. Um den Videospiel-Bezug zu wahren, wurde mit “Slaughter Race” eine Videospielwelt eingeführt, welche sich stilistisch an Spielen wie GTA orientiert. Die von der bleiernen Sonne gefluteten Wracks einer dystopischen Stadt bilden den völligen Kontrast zum Süßigkeitenlook eines “Sugar Rush” und hier bildet sich ein neuer Knotenpunkt. Nicht nur für Vanellopes Entwicklung, sondern auch, um ein kleines Mikro-Universum zu schaffen, in dem mit Shank eine brandneue Figur mit modernem Look eingeführt wird, von der wir in Zukunft hoffentlich noch mehr sehen werden.

Fazit

Chaos im Netz ist eine Fortsetzung, wie man sie sich wünscht. Bewährtes gepaart mit vielen neuen Impulsen und völlig neuen Möglichkeiten, eine Geschichte fortzusetzen. Obwohl das Internet hier der Star ist, durchlaufen auch Ralph und Vanellope eine greifbare Entwicklung, die Potenzial für Tränchen besitzt. Vanellope ist vom ersten auf den zweiten Teil schnell gereift, besitzt eine ernste und düstere Seite und Ralphs lässt mit seinem Herz aus Gold keine Hürde aus, um seinen Freunden zu helfen. Die Ideen wollen scheinbar nicht ausgehen. Das ist Segen und Fluch zugleich: Auf der einen Seite ist die Kreativität schier endlos. Andererseits entsteht ebenso das Gefühl, als habe man hier viele innotative Ideen aneinandergereiht. Das große Ganze funktioniert nicht immer, und die Suche nach dem Lenkrad als Rahmen der Geschichte kann die Handlung kaum zusammenhalten. Dafür sprudeln einfach zu viele gute Ideen, sodass die eigentliche Geschichte kaum voran kommt und zu einer Art Zitatesammlung verkommt. Ankreiden will man das dem Film angesichts der vielen funktionierenden Ideen und Emotionalität nicht. Für einen dritten Teil wäre nur ein etwas strafferes Drehbuch wünschenswert.

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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Cynthia
Cynthia
Redakteur
9. Februar 2019 18:21

Bin leider ganz anderer Meinung, aber kann auch verstehen, wenn Leute ihn gut finden. Ich fand den ersten Teil super, aber um es für diesen Stunk ganz kurz zu machen:

Für mich ging der Streifen in eine völlig andere Richtung als ich mir gewünscht hätte. Statt mehr das Retro-Gaming zu vertiefen und Gastauftritte von SuperMario oder Master-Chief gab es die volle Ladung Product Placement fürs Silicon Valley (Schleichwerbung trifft es schon gar nicht, man muss sich nur mal das Bild hier ansehen, wie das einem unter die Nase gerieben wird) und Cameos der Disney-Prinzessinnen.

Generell sehr hoher Disney- und daher Kitschfaktor. Die Witze weniger frech, dafür mehr kindisch und auch die Handlung an sich nicht ganz so ausgereift, wie im Vorgänger. War nur noch genervt von dem Anpreisen von Social Media und bin mir auch nicht sicher, ob es eine gute Botschaft an Kinder ist, wenn sie sagen, du kannst reich und berühmt werden, wenn du dich auf YouTube oder Instagram zum Vollspacko machst.

Das ist zumindest meine Meinung.

Misato
Redakteur
26. April 2019 17:56

Wenn ich die Kritik und den vorhandenen Kommentar lese, muss ich sagen, siedel ich mich in der Mitte an. Allerdings mit einer klar positiven Tendenz. Die Darstellung des Internet ist gelungen und ich finde nicht, dass einem hier unkritisch gezeigt wird, dass es erstrebenswert sei sich für Geld zum Vollhorst zu machen. Aber es ist eben möglich. Und dann gibt es durchaus Schattenseiten, wie mit den Kommentaren, die am eigenen Selbstwertgefühl kratzen. (Hier bin ich noch immer großer Fan, wie Jay & Silent Bob dieses Problem schon in Angriff genommen haben, als das Internet noch klein war. Einfach die Trolle mal zu Hause aufsuchen und eine klatschen-)

Das Product Placement muss im Grunde sein, denn alles andere wäre eben albern. Wir leben schon lange in der Welt, vor der uns Geschichten immer gewarnt haben – die MegaCorps sind da. Disney selbst ist hier einer der größten Verbrecher (der Aufkauf von FOX sollte mehr Leute schockieren und wachrütteln). Ein Internet ohne Google, YouTube oder Amazon ist doch unrealistisch und alle bekannten Seiten durch verschleierte Namen zu erwähnen bringt vielleicht zum schmunzeln, verharmlost das Problem aber viel mehr.

Leider muss ich aber sagen, kommen mir die Charaktere insgesamt zu kurz. Vanellopes Entwicklung finde ich toll und Ralph macht etwas durch. Aber mir ist das doch etwas zu wenig. Und dass sämtliche anderen Figuren aus der Arcade anfangs nur mal kurz Stichwortgeber sind, finde ich schade. Was Online Gaming für so einen nostalgischen Ort wie die Spielhalle bedeutet, hätte sicherlich auch mehr Zündstoff liefern können. Was wir von Slaughter Race sehen, gefällt mir aber immens. Shank ist klasse (hach, Gal Gadot im O-Ton, wundervoll).

Und dann sind da die Disney Prinzessinnen. Ich mag sie. Ich mag klassische Disney-Filme. Ich mag die Musical-Ära. Und ich bin begeistert, dass sie sogar mehr tun als nur die eine Szene zu liefern, die für die PR ausgeschlachtet wurde. (Merida bringt mich am Ende immer wieder am meisten zum lachen, vom anderen Studio!!) Die Nennung aller wiederkehrender Tropes der Märchenfilme ist lustig, ich finde es aber schade, wie viele Leute das als super derbe Selbstkritik sehen, als würden die Figuren sich ihre Existenzberechtigung absprechen. Vielleicht hat Disney hier von Shrek gelernt, wie die klassischen Märchenprinzessinnen zum Angriff blasen können. Ja, da steckt doch irgendwo noch Crossover Potenzial. Vielleicht kann LEGO genug passende Charaktere einsammeln und uns beschenken.

Die Idee des Films ist mutig, denn man bewegt sich wirklich weit weg von dem, was den ersten Film so gut hat einschlagen lassen. Angeblich wünscht das Publikum sich doch genau solche unvorhersehbaren Entwicklungen.