Resident Evil: Welcome To Raccoon City
Wenn eine Videospiel-Marke von sich behaupten darf, sich über viele Jahre in den Kinosälen dieser Welt festgesetzt zu haben, dann ist das ohne Frage Resident Evil. Die unter Paul W.S. Anderson entstandene Reihe brachte zwischen 2002 und 2016 immerhin sechs Teile hervor, die zwar bei Game-Fans auf Widerstände stießen, sich aber eine eigene Fanbase aufbauen konnte. Dank Milla Jovovichs Performance als Alice wurde zudem auch ein erfolgreiches Female Action-Franchise etabliert, welches als beispiellos gilt. Trotzdem war es nach dem Ende der Reihe an der Zeit, wieder etwas Neues mit der Marke anzustellen, und so entschied man sich bei Constantin Film für einen Reboot, der sich näher an der populären Vorlage orientieren sollte. Soweit der Plan – und lassen muss man Regisseur Johannes Roberts (The Strangers: Opfernacht) auch, dass sein Resident Evil: Welcome to Raccoon City die Hommage eines Fans darstellt. Das alles hilft nichts: Wenn der Film am 24. März 2022 in den Handel kommt, wird er in der Gunst vieler Zuschauer:innen durchfallen.
Die Erinnerungen an ihre Kindheit im Waisenhaus von Raccoon City sind nicht schön, trotzdem führt Claires (Kaya Scodelario, Maze Runner) sie zurück in den Ort ihrer Vergangenheit. Ein Verschwörungstheoretiker behauptet nämlich, dass die dort ansässige Umbrella Corporation finstere Pläne hegt. Praktisch für Claire ist zumindest, dass ihr Bruder Chris (Robbie Amell, Code 8) noch immer dort lebt. Dessen Verhältnis zu Claire ist nicht besonders gut, hält er es ihr noch immer nach, dass sie sich einfach aus dem Staub gemacht hat. Doch als in einer Villa in der Nähe eine Leiche gefunden wird und sich die Dinge überschlagen, bleibt keine Zeit für familiäre Angelegenheiten. Chris macht sich mit Jill Valentine (Hannah John-Kamen, Ant-Man and the Wasp), Albert Wesker (Tom Hopper, The Umbrella Academy) und anderen auf, um nach dem Rechten zu sehen. Derweil soll Leon S. Kennedy (Avan Jogia, Now Apocalypse) die Stellung auf der Polizeiwache halten. Doch dann eskaliert die Situation und die Stadt gerät außer Kontrolle …
Zwischen Action-Cash Cow und verkorksten Fan-Wünschen
Originaltitel | Resident Evil: Welcome to Raccoon City |
Jahr | 2021 |
Land | USA |
Genre | Horror, Action |
Regie | Johannes Roberts |
Cast | Claire Redfield: Kaya Scodelario Jill Valentine: Hannah-Kamen John Chris Redfield: Robbie Amell Albert Wesker: Tom Hopper Leon S. Kennedy: Avan Jogia Chief Brian Irons: Donal Logue William Birkin: Neal McDonough Ada Wong: Lily Gao Richard Aiken: Chad Rock Lisa Trevor: Marina Mazepa |
Laufzeit | 106 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 24. März 2022 |
Ob man nun Fan von Andersons Resident Evil-Reihe ist oder nicht: Lassen muss man ihm und Jovovich, dass sie ein einen Kassenschlager in sechs Teilen auf die Beine gestellt haben. The Final Chapter war alleine chinesischen Kinogänger:innen fast 160 Millionen US-Dollar an Einnahmen wert. Der eigentliche Star hörte aber nie auf den Namen “Resident Evil”, sondern auf Milla Jovovich, die zum gefeierten Action-Star avancierte. Und es zeichnet sich schon im Vorfeld ab: Dieser Bonus fehlt dem Reboot natürlich. Außerdem manövriert die neue Produktion, erneut eine Zusammenarbeit zwischen Constantin Film und Sony Pictures, das Geschehen in Richtung Horror, weg vom Action-Pfad, der beschritten wurde. Die Jovovich-Reihe wurde damals nur für beendet erklärt, weil sich die die Eheleute Jovovich und Anderson nach all den Jahren neuen Projekten widmen wollten. Aus finanzieller Sicht hätte es keinen Grund gegeben, die Reihe einzustellen. Inhaltlich war der Zenit hingegen längst erreicht. Videospiel-Fans dagegen fantasierten schon lange von einer Adaption, die Nähe zu den populären Spielen aufweist. Was sie bekamen, waren allerdings mehr oder minder gelungene CGI-Filme wie Resident Evil: Vendetta oder die inhaltlich missratene Netflix-Serie Resident Evil: Infinite Darkness. Das Reboot hatte also einiges zu kitten. Schaut man sich in Social Media um, waren die Ansprüche der Fans aber gleichermaßen hoch wie niedrig: Die Figuren sollen einfach aussehen wie die Originale und oftmals mussten die Schauspieler:innen Vergleichen mit Cosplayer:innen Stand halten, weil Fans davon ausgehen, dass dies alleine schon ausreicht. Was macht man also mit einem Franchise, mit dem es eigentlich nichts zu gewinnen gibt, weil sowieso jeder ein Haar in der Suppe findet?
Nähe zum Ursprungsmaterial macht keinen guten Film
Die Resident Evil-Games galten nie als Koryphäe gelungenen Storytellings (den Platz nahm in dem Genre bereits Silent Hill ein, das vor allem für seine Atmosphäre und Figurenzeichnungen Lob erhielt). Nun könnte man also leicht sagen, dass dieser Punkt noch am ehesten zu vernachlässigen sei. Doch wir haben es mit einem Film zu tun. Einem Medium, das von einer Narrative zehrt und die Aufgabe hat, Bruchstücke zu einer fließenden Handlung zu formen. Johannes Roberts versagt allerdings in den Grundlagen: Er bekommt es nicht hin, alle Elemente schlüssig zusammenzuführen. Das beginnt bei den Schauplätzen und endet bei den Figuren. Räumlich-zeitlich passt das Wenigste konsistent zusammen und wirft viele Ungereimtheiten auf. Weder ist es glaubwürdig, dass Claire im Kindesalter hätte fliehen können, noch dass Raccoon City binnen weniger Monate zu einem solchen Loch verkommt. Im Polizei-Revier wird nicht zwischen Cops, Detectives und Pförtnern unterschieden und die Spencer-Villa erweckt den Anschein, als sei sie seit Jahrzehnten verlassen. Das mag in einem Videospiel funktionieren, nicht aber in einem Film, der es sich zur Aufgabe macht, aus allen Zutaten eine köstliche Suppe zu köcheln. Details wie der Moment, in dem sich mittels der richtigen, auf einem Klavier gespielten Noten Geheimgänge öffnen, sind nette Anspielungen, die aber im Rahmen einer Handlung, bei der man nicht wirklich miträtseln darf, ins Leere laufen.
Dümmliches Skript
Ein brauchbares Skript hätte alle Ereignisse in irgendeiner Weise verbunden. Roberts hatte darauf ganz offensichtlich keinen Bock und zelebriert lieber das Heraufzitieren des Quellmaterials. Auch an einen anspruchslosen Horror-Actioner dürfen Ansprüche hinsichtlich der Figurenzeichnung gestellt werden. Noch dazu, wenn es sich um derart ikonische Figuren wie Claire, Jill oder Chris handelt. Nicht einmal die Geschwister Redfield bekommen nennenswerte Szenen, Momente oder Charakterzüge zugesprochen. Nichts. Es hilft auch nichts, wenn der Film sich verhält, als sei er in den 90ern verortet, das aber nicht konsequent durchzieht. So berichtet Claire ihrem Bruder, sie hätte mit jemandem gechattet, der von bösen Absichten der Umbrella-Corporation wusste. Und diese “Chat-Nachricht” hat sie als Video auf einem VHS-Band. Das funktioniert in so vielerlei Hinsicht einfach nicht. So hechtet die Handlung von einem zum nächsten Punkt, als würde sie sich an einem Fahrplan abarbeiten. Erzählerische Höhepunkte? Mitnichten. Künstlerischer Anspruch? Völlig falsch gedacht.
Achso, die Zombies …
Und der Horror? Nicht weiter der Rede wert. Die CGI-Monster erwecken nicht den Anschein, zeitgemäße Zombies zu sein, und in jeder Sekunde drängt sich ein Hinweis auf, dass das Budget nicht mehr hergab. Welcome to Raccoon City baut auf Resident Evil (1996) und Resident Evil 2 (1998) auf, sodass Fans der Reihe in etwa wissen, was sie erwarten dürfen. Bei aller Hektik verpufft dann aber auch der Nostalgie-Faktor und wir finden uns in einer standardmäßigen Zombie-Ballerei wieder, in der eine dauerhaft grimmig guckende Claire sogar noch blasser als die ohnehin identitätslose Alice in der ersten Reihe ist. So oder so verkommt das alles zur Nebensache, wenn Johannes Roberts wie in jedem seiner Filme erst einmal sein Faible für seine Lieblingssongs ausleben darf. So soll der Sommerhit “Crush” von Jennifer Paige den 90er-Zeitgeist aufleben lassen, ist in seiner Szene aber derart unpassend platziert, dass es eher einem Selbstzweck gleichkommt.
Fazit
Böse Zungen würden behaupten, dass Constantin Film wohl nach geraumer Zeit gezwungen war, mal wieder etwas zur Resident Evil-Marke herauszuhauen, um die Lizenz zu behalten. Und wahrscheinlich liegt man mit dieser These nicht einmal sonderlich falsch, denn das faule Skript und die lustlosen Szenen ohne Zusammenhänge wirken nicht so, als sei es jemals jemandem darum gegangen, einen adäquaten Neustart zu wagen. Johannes Roberts merkt man an, dass er sich mit Euphorie am Quellmaterial abarbeitet. Doch eine gute Geschichte zu erzählen gehört nicht zu den Talenten, die er mit Welcome to Raccoon City unter Beweis stellt. Dass ein Studio so wenig Interesse an einem Franchise zeigt … nun, das ist hier sozusagen das neue State of the Art.
© Constantin Film
Veröffentlichung: 24. März 2022