Scream 6
Es ist doch faszinierend, wie sehr Fiktion und Realität manchmal Hand in Hand gehen können: Als Jenna Ortega dank ihrer Rolle in Wednesday im Herbst 2022 viral ging und über Nacht zum (Social Media) Star wurde, war Scream 6 natürlich schon längst abgedreht und das Regie-Duo Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett konnte nicht ahnen, dass das perfekt zu seinem nächsten Ableger der Reihe passen würde. Scream war schon immer ein zeitgenössischer Kommentar auf mediale Entwicklungen und dementsprechend spielen soziale Medien und ihr Impact auf unsere Gesellschaft eine große Rolle. Nicht minder wichtig: Das nun offiziell zum Franchise erklärte Scream verlagert seine Handlung aus dem beschaulichen Woodsboro ins gigantische New York City. Neue Stadt, frischer Wind? Am 8. Mai 2023 erschien der Film digital, die physische Veröffentlichung folgt am 13. Juli 2023.
Ein Jahr ist nach den Ereignissen in Woodsboro vergangen. Tara (Jenna Ortega, Wednesday), Chad (Mason Gooding, Love, Victor) und Mindy (Jasmin Savoy Brown, Sound of Violence) sind für ihr Studium nach New York gezogen. Auch Taras Schwester Sam (Melissa Barrera, In the Heights) ist mit von der Partie, um ihre kleine Schwester nicht aus den Augen zu lassen. Ein Entrinnen vor Ghostface scheint es aber auch im Big Apple nicht zu geben. Als kurz vor Halloween grausame Morde New York heimsuchen, wendet sich Sam an den Vater ihrer Zimmergenossin Quinn (Liana Liberato, Trust), den Polizisten Bailey (Dermot Mulroney, Friends). Er bekommt den Fall übertragen, steht jedoch vor einem Rätsel. Auch Mitbewohner Ethan (Jack Champion, Avatar: The Way of Water) fürchtet, in das Visier eines Killers zu geraten. Dabei scheint es in der Großstadt neue Regeln zu geben – und so, wie eine jede und ein jeder Täterin bzw. Täter sein könnte, könnten sie auch das nächste Opfer sein …
Was ist dein liebster Horrorfilm?
Originaltitel | Scream VI |
Jahr | 2023 |
Land | USA |
Genre | Horror, Thriller |
Regie | Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett |
Cast | Sam Carpenter: Melissa Barrera Tara Carpenter: Jenna Ortega Gale Weathers: Courteney Cox Kirby Reed: Hayden Panettiere Chad Meeks-Martin: Mason Gooding Mindy Meeks-Martin: Jasmin Savoy Brown Detective Wayne Bailey: Dermot Mulroney Quinn Bailey: Liana Liberato Ethan Landry: Jack Champion Danny Brackett: Josh Segarra |
Laufzeit | 123 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 8. Mai 2023 (digital) / 13. Juli (physisch) |
Seit dem ersten Teil im Jahr 1996 sind die Eröffnungsszenen der Reihe Kult und jeder neue Film stellt einen Remix der Originalszene dar, nicht selten prominent besetzt. Nach einer wahrlich grandiosen und einfallsreichen Eröffnungssequenz mit Samara Weaving (Ready or Not – Auf die Plätze, fertig, tot) verdient sich Scream 6 mit rabiaten und auf morbide Art auch kreativen Gewaltausbrüchen seine 18er-Freigabe. Wenn das Franchise (was es nun offiziell ist, wie Mindy auf Meta-Ebene erklärt) sich für etwas auszeichnet, dann für seine Selbstreflexion und selbstreferenziellen Anflüge, was ebenso beeindruckt wie aber auch erschreckt. Denn Scream 6 ist weit entfernt von Scream, sich dessen aber vollkommen bewusst. In Teil 6 stehen neue Regeln an: die für ein Franchise. Diese unterscheiden sich zwar eher marginal von den bisherigen. Sie bringen aber dennoch vor allem Kenner der Horrorfilm-Szene immer wieder zum Schmunzeln. Allerdings zeigt die Idee jetzt auch endgültig erste Abnutzungserscheinungen. Die sechste Inkarnation feiert sich selbst für ihre kommerzielle Ausrichtung. Die Tatsache, dass wir es mit einem Teil eines Franchise zu tun haben, soll als Qualitätsmerkmal ausreichen. Denn es handle sich eben um einen „Film für Fans der Reihe“. Das ist richtig und auch in Ordnung, aber nicht in jedem Punkt auch eine Entschuldigung für qualitative Mängel.
Neue Stadt, neue Regeln?
Die Story stammt wie bei Scream 5 von James Vanderbilt und Guy Busick. Diese Kontinuität merkt man dem Ergebnis an. Scream 6 wirkt in jeder Hinsicht wie die direkte Fortsetzung, die sie auch ist. Die Verlagerung des erzählerischen Handlungsorts nach New York City bringt neues Potenzial mit sich: mehr Menschen, die sowohl als Täter als auch als Opfer in Frage kommen, und vor allem Öffentlichkeit. Die Tatsache, dass wir uns in der Stadt, die nie schläft, befinden, soll den Unterschied machen. Von letzterem merken wir leider nur erstaunlich wenig. Obwohl sich Scream 6 stetig darum bemüht, uns öffentliche Plätze wie die Straßen und Hintergassen sowie das U-Bahnnetz New York Citys zu zeigen, fühlt sich das selten so an, als wäre hier alles sichtbar. Ghostface hat weiterhin freie Bahn und die Abwesenheit hilfsbereiter Passanten sowie Polizei erweckt nicht den Eindruck, als hätte sich viel verändert. Was in Woodsboro vielleicht noch völlig glaubhaft erschienen hätte, will nicht so recht zu einer Metropole passen. Insofern ist der neue Handlungsort eher dem Marketing dienlich, als dass er den Film erzählerisch aufwertet. Aber im Gegensatz zu Freitag, der 13. – Todesfalle Manhattan ist Scream 6 auch keine Mogelpackung, sondern liefert authentische Setpieces und findet damit eine Kulisse, für die man den Teil in Erinnerung behalten wird.
Die Marvelisierung eines Klassikers
Scream 6 ist redlich darin bemüht zu suggerieren, dass es einen solchen Ghostface-Killer noch nie gegeben habe. Jede:r könne nun sterben, alles sei nun möglich. Marketing-Parolen, die inhaltlich nicht zutreffen. Denn die neue Clique, die nur einen Film Zeit hatte, sich zu etablieren, ist auf geradezu lächerliche Weise mit Plot-Armor ausgestattet. Das macht es fast ärgerlich, dass sich ein Film, der sich auf die Fahne schreibt, nah am Publikum zu sein, selbst nicht an seine Regeln hält. Auch wird verpasst, etwas aus dem Schluss von Scream 5 zu machen. Dort ist Sam vom Opfer zur Täterin aufgestiegen und musste sich eingestehen, dass ihr das Töten durchaus eine Genugtuung verschafft. Das könnte sie vor dem Hintergrund ihrer Wurzeln auf spannende Weise zur Disposition stellen, wird aber eher stiefmütterlich weitergeführt. Es häufen sich Szenen, in denen man nicht genauer hinschauen darf oder näher darüber nachdenken sollte, wer nun wo mit wem unterwegs ist, weil vieles plötzlich unter fehlender Logik zusammenbrechen würde. Beispielhaft dafür steht die Szene, in der eine Schar an Reportern Sam und Tara beim Verlassen des Polizei-Reviers auflauert, doch wenn es wenige Meter weiter zu einem Gespräch mit Gale Weathers (Courtney Cox) kommt, bei der eine der Hauptverdächtigen ihr eine schallende Ohrfeige verpasst, interessiert das niemanden der umstehenden Menschen. Leider ist das nur ein exemplarisches Beispiel für die Unzulänglichkeiten des gesamten Films. Gemäß der Franchise-Regeln muss sich auch der Killer immer weiter in seinem Tun übertreffen. Das Ergebnis sind Sequenzen, in denen die Opfer nicht einfach nur getötet werden – sie werden grausam dahingemetzelt. Da meistens absehbar ist, dass die Opfer dem Killer ohnehin nicht entkommen werden, macht es überdies keinen großen Sinn, mit ihnen mitzufiebern. Was zur Folge hat, dass genau daraus Spannung entsteht: Kenner der Reihe werden den gesamten Film bei jeder Szene überlegen, ob jetzt gleich etwas folgt, das man schon kennt, oder ob die Macher es nur so aussehen lassen, als folge gleich das nächste Zitat aus einem Vorgänger. Die Spannung funktioniert besser im Franchise-Kontext, als wenn man den Film für sich selbst stehend betrachtet.
In Vergessenheit geraten: Sidney Prescott
Melissa Barrera und Jenna Ortega etablieren sich hier als neues Zentrum der Reihe und tragen den Film. Neben Courtney Cox ist es dieses Mal Hayden Panettierre (die totgeglaubte Kirby aus Teil 4), die hier wieder auftaucht und aus der Craven-Generation der Reihe vertreten ist. Panettiere hat als Kirby (wie in Scream 5 bestätigt) den vierten Teil überlebt und ist nun mit dabei, wenn es darum geht, Ghostface durch New York zu jagen. Dabei hat die Figur nichts von dem verloren, was sie bereits 2011 ausgemacht hatte. Kirbys sehr eigener Sinn für Humor funktioniert auch heute noch und beweist, warum sie zu den Fanlieblingen gehört. Mit Dermot Mulroney, Josh Segarra, Liana Liberato, Jack Champion und einigen mehr bietet Scream 6 ein durchaus prominentes Arsenal an neuen potenziellen Opfern – und Killern. Die Abwesenheit von Neve Campbell als eigentliche Protagonistin der Reihe, Sidney Prescott, fällt wirklich nicht auf und obendrein war ihr Erscheinen in Scream 5 bereits mehr Cameo als bereichernd.
Fazit
Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett modernisieren die Grundlagen des Horrorgenres weiter und zahlen gleichzeitig Tribut an die Wegbereiter dieser Entwicklung. Scream 6 versteht sich als „Film für Fans der Reihe“ und muss auch unbedingt so wahrgenommen werden. Unter anderen Maßstäben hält der Teil keiner Logik-Prüfung stand und versagt auch in anderen Punkten wie erzählerischem Unterbau. Dass die an sich cleveren Protagonistinnen es nicht schaffen, in einer Großstadt schlicht die Polizei zu Hilfe zu rufen, verstehe zudem wer will. Trotz dieser Wermutstropfen ist Scream 6 innovativ genug, um dieses Horror-Franchise sehr lebendig zu halten und spannende sowie sehr blutige Unterhaltung zu liefern, die sicherlich nicht nur den Hardcore-Fans mehr als gut gefallen dürfte. Spaß macht das Ergebnis und es finden sich mehr Bezüge zu den vorangegangenen Filmen, als man es bei Marvel erwarten könnte.
© Paramount
Veröffentlichung: 13. Juli 2023