Sound of Violence
Über 17 Jahre lang war Regisseur Alex Noyer in erster Linie als Produzent von Dokumentarfilmen tätig. Als Höhepunkt seiner Karriere beschreibt er die Dokumentation 808 über die Drum-Machine TR-808, welche maßgeblich für Inspiration zu seinem Film Sound of Violence sorgte. Seine Begeisterung für Musik vereinte er mit seiner Leidenschaft für Horrorfilme. Aus dieser Symbiose ging der Kurzfilm Conductor hervor, welcher als Vorlage für die Langfassung Sound of Violence diente. Horrorfilm und Musik, eine thematische Verschmelzung, die bislang kaum bearbeitet wurde. Ob das Experiment aufgeht, können Zuschauer:innen des Fantasy Filmfest 2021 selbst bewerten oder aber unserem Review folgen.
Alexis (Jasmin Savoy Brown, Scream (2022)) war bis zu jenem Tag taub, als sie im Alter von zehn Jahren gezwungen war, den Mord an ihrer Mutter mitzuerleben. Seitdem hat sich ihr Leben zum Positiven gewendet und mittlerweile ist sie Musikdozentin. Mit großem Ehrgeiz erforscht sie die Wirkung von Tönen und deren therapeutischer Kraft. Eines Tages entdeckt sie, dass das Hören von Tönen bei ihr zu einer Synästhesie führt: Durch authentische Sounds erlebt sie etwa Farben auf eine andere Weise und fühlt eine Form der Befriedigung. Das Verlangen nach mehr führt sie zu einem Verbrechen …
Originaltitel | Sound of Silence |
Jahr | 2021 |
Land | USA |
Genre | Horror, Drama |
Regie | Alex Noyer |
Cast | Alexis: Jasmin Savoy Brown Marie: Lili Simmons Duke: James Jagger Sonya: Tessa Munro |
Laufzeit | 94 Minuten |
FSK | unbekannt |
Titel im Programm des Fantasy Filmfest 2021 |
Der erste Eindruck täuscht
Sound of Violence ist ein ambitioniertes Projekt, das sich viel Zeit für seine Hauptfigur Alexis nimmt. Eine von Leidenschaft getriebene Protagonistin, deren hoher Ehrgeiz zunächst sympathisch ist. Die verzweifelte Suche nach den Klängen, die alles für sie veränderten, verleiht ihrer Figur eine Tragik. Jasmin Savoy-Brown ist die richtige Darstellerin, um die Komplexität dieser Figur zu transportieren, und erweist sich als echter Glücksgriff, denn mit viel Einfühlsamkeit macht sie die Rolle der Alexis greifbar. Aus Sicht des Drehbuchs ist das manchmal alles ziemlich gewollt: Alexis ist farbig, queer, beeinträchtigt, obendrein noch hübsch, sympathisch und talentiert. Bei aller Sympathie bleibt sie am Ende eben doch keine Identifikationsfigur, sondern soll mit aller Gewalt den liebenswerten Außenseiter verkörpern, den mag irgendwie gut findet, der aber dann doch auf Fanfiction-Niveau bleibt. Ihre Partnerin Marie (Lili Simmons, Bone Tomahawk) erweist sich als die greifbarere Figur, nimmt aber keine gewichtige Rolle ein.
Visuell hui, narrativ …
Auf ästhetischer Ebene sind vor allem die Szenen hübsch anzusehen, die Alexis‘ Hörerlebnis visualisieren. Dieses Gefühl der intensiven Wahrnehmung ist neben der Hauptdarstellerin wohl der (wortwörtlich) größte Reiz von Sound of Violence. Denn es beschreibt eine Sehnsucht, die wir alle kennen und alle in uns tragen. Das Verlangen nach einer höheren Macht, einer Sphäre, die nur wir selbst erreichen können. Vergleichbare Film-Titel, deren Spirit sich am ehesten vergleichen lässt, sind etwa The Sound of Metal oder Fast Color. Und Saw. Saw? Ganz genau …
Sperriges und verbissenes Drama
Im Mittelpunkt der Handlung steht Alexis‘ Suche nach dem Klangerlebnis, welches rasch düstere Ausmaße annimmt. Im Grunde genommen ist die Prämisse bereits absurd, sodass dem Film nicht viele Möglichkeiten der Erzählung bleiben. Entweder man geht einen humorvollen Weg und riskiert die gefühlsbetonte Porträtierung der Hauptfigur oder aber bewegt sich knietief in Drama-Gefilden, um den kunstvollen Weg zu nehmen. Sound of Violence legt sich schnell für den zweiten Weg fest und verfolgt diesen mit hohem Ernst, will gleichzeitig aber auch Genre-Fans bedienen. Die mitunter harten Splatter-Einlagen, bei denen selbst Jigsaw neidisch wird, und der Sadismus, den Alexis in ihrem Wahn an den Tag legt, erscheinen wie Fremdkörper, die sich nicht ins Gesamtbild einfügen wollen. Weder als Drama, noch als Horror gibt die Produktion eine gute Figur ab. Gelegentlich kommt dann doch wieder der Gedanke auf, ob am Ende nicht doch alles Satire sein soll. Aber nein, das ist Noyers völliger Ernst. Die Wandlung, die Alexis durchläuft, kommt mit der Holzhammermethode und tut beim Zuschauen weh.
Fazit
Sound of Violence ist ein Kunstprojekt, das eine surreale Umgebung schafft und darin eine Figur platziert, die sich völlig natürlich anfühlen soll, aber schon in ihren Grundfesten konzeptionell bleibt. Die Folge: Egal, was passiert, am Ende fühlt sich nichts authentisch oder gar glaubhaft an und der Film erweckt den Eindruck, einfach nur einen Beitrag zum Thema der Synästhesie abgeliefert zu haben. Die viel zu seriöse Herangehensweise liefert kaum Unterhaltungswert und erstickt jegliches Potenzial bereits im Keim. Bereits nach der Hälfte der Spielzeit ist die Luft raus. Daran kann auch die Ästhetik wenig retten.
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