Spider-Man: Across the Spider-Verse

Spider-Man: A New Universe war eine große Überraschung. Zwar konnte der Film mit einem Einspielergebnis von knapp 384 Millionen US-Dollar aus kommerzieller Sicht nicht das Versprechen einer großen Marke (man bedenke nur den Riesenerfolg des Super Mario-Films) einlösen, dafür aber Kritiker:innen weltweit mit seiner persönlichen Story und seinem unverwechselbaren Stil in seinen Bann ziehen (Oscar in der Kategorie „Bester Animationsfilm“). Mit Spider-Man: Across the Spider-Verse erschien die Fortsetzung nach geschlagenen viereinhalb Jahren. Das Mittelstück einer Trilogie, das von allem mehr verspricht und den berühmt-berüchtigten Deckel des Multiversums öffnet. Seit dem 5. September 2023 im Handel und digital erhältlich!

Miles Morales (Shameik Moore) lebt sein Leben als Teenager und einzig wahrer Spider-Man weiter. Er schwingt durch die Häuserschluchten New Yorks, bekämpft Schurken und versucht, rechtzeitig zum Abendessen mit seinen Eltern zu Hause zu sein. Der Umstand der Unvereinbarkeit dieser beiden Welten scheint ihn dabei gehörig unter Druck zu setzen. Gleichzeitig entfremdet er sich immer weiter von seinen Eltern, die nicht verstehen, was in ihm vorgeht. An die Zeit mit Gwen Stacy (Hailee Steinfeld) und den übrigen Spider-Men aus verschiedenen Universen, mit denen er damals den Riss im Multiversum behob, denkt er oft, hat es aber derzeit mit einem neuen Bösewicht zu tun. Spot (Jason Schwartzman) kann durch das Multiversum reisen und behauptet, Miles habe ihn erschaffen. Dann steht plötzlich Gwen vor ihm. Sie ist inzwischen Teil einer Gesellschaft aus Spider-Man-Inkarnationen unterschiedlicher Universen, die Miguel O’Hara (Oscar Isaac) versammelt hat, um Schurken zu fassen, die in Universen auftauchen, in die sie nicht gehören. Als Miles Gwen folgt, ahnt er nicht, dass alle Fäden bei ihm selbst zusammenlaufen – und er dem Schicksal eines jeden Spider-Man nicht entkommen kann …

Nichts ist schlimmer als Unordnung im Multiversum

Originaltitel Spider-Man: Across the Spider-Verse
Jahr 2023
Land USA
Genre Animation, Action
Regie Joaquim Dos Santos, Kemp Powers, Justin K. Thompson
Cast Miles Morales / Spider-Man: Shameik Moore
Gwen Stacy / Spider-Woman: Hailee Steinfield
Peter B. Parker / Spider-Man: Jake Johnson
Miguel O’Hara / Spider-Man 2099: Oscar Isaac
Jessica Drew / Spider-Woman: Issa Rae
Hobart ‘Hobie’ Brown / Spider-Punk: Daniel Kaluya
Pavitar Prabahka / Spider-Man India: Karan Soni
Laufzeit 141 Minuten
FSK
Veröffentlichung: 5. September 2023

Es ist schwer, bei Spider-Man: Across the Spider-Verse nicht in Superlativen zu sprechen. Nicht etwa, weil der innere Fan mit einem durchgeht, sondern weil hier in 141 Minuten jegliches Feuerwerk gezündet wird, das in irgendeiner Weise möglich erscheint. Ganz recht: 141 Minuten. Eine enorme Laufzeit, die sich für viele immer noch zu kurz anfühlen mag. Die Formel „höher, schneller, weiter“ ist aber kein Zugeständnis ans Publikum und den Profit, sondern thematisch logisch. Verübeln kann man niemandem, wenn einem das alles zuviel und irgendwie erschlagend ist. Schon im ersten Teil deutete sich an, dass großes Spider-Chaos auf das Publikum zurollt. Die Verantwortlichen nehmen sich dennoch viel Zeit, zuerst Gwen und anschließend Miles vorzustellen, die an vollkommen unterschiedlichen und doch sehr vergleichbaren Punkten in ihren Leben angekommen sind. Die Thematik um Selbstfindung, Erwachsenwerden und Verantwortung ist sicherlich nicht neu, aber wie es hier umgesetzt ist, wirkt es authentisch und emotional ansprechend. Wenn die Handlung um das Multiversum und die Spider-Society dann losbrettert, kann einem schon schwindelig werden. Über Miles und Gwen hinaus gibt es eine erschlagende Anzahl an weiteren Figuren. Jede Spider-Man-Variante, die uns in den letzten 50+ Jahren begegnet ist, findet irgendwo ihren Auftritt. Fans können Tage damit füllen, alle Charaktere und Cameos, die zum Teil nur Sekunden durchs Multiversum huschen, zu identifizieren. Darin steckt eine Menge Fanservice, gleichermaßen fühlt sich dieses Multiversum deutlich lebendiger an als das, was Doctor Strange in the Multiverse of Madness auftischte.

Die Souveränität der gekonnten Balance

Soviel zum Drumherum, aber was gibt eigentlich die Handlung her? Diese ist gar nicht einfach zu erfassen, was angesichts des noch relativ linearen Vorgängers etwas verwundert. Der grobe Rahmen folgt natürlich Miles’ Entwicklung in seiner Identität als Spider-Man. Gleichzeitig sorgen viele Nebenbaustellen dafür, dass der Haupterzählstrang ordentlich zerfasert. Der Film muss nämlich Vorbereitungen für den 2024 erscheinenden dritten Teil Spider-Man: Beyond the Spider-Verse treffen, was selbstverständlich einen kleinen Cliffhanger am Ende beinhaltet. Alles in allem ist es nicht die große übergeordnete Geschichte, die das Kernstück bildet, sondern oft der Zusammenschnitt aus (überlangen) Actionszenen, die sich die Klinke mit persönlichen Gesprächen in die Hand geben. Wenn Miles und Gwen miteinander abhängen, über das Leben philosophieren und dabei durch die Stadt schwingen, wird mehr als nur ein Anspruch bedient. Alles wird so miteinander verwoben, dass es sich stets gekonnt und keine Sekunde zu überlegt oder gar künstlich konstruiert anfühlt. Das wird auch an dem Charakter Spot deutlich, der sich bei seiner Einführung noch wie eine Comic Relief-Figur anfühlt, dann aber in der Auseinandersetzung mit sich selbst an Tiefe gewinnt.

Lebendiges Comic-Heft

Das visuelle Design ist wieder maßgeblich, aber stark erweitert. Und es ist überwältigend. Erstaunlich, wie die gravierend voneinander abweichenden Stile in Animation und Grafik eine homogene Ästhetik bilden können. CGI trifft auf Bleistiftzeichnung, auf Pop Art, auf Graphic Novel, auf Aquarellbilder, auf Anime, auf Realfilm. Hier kommt soviel zusammen und trotzdem wirkt alles bis ins Detail durchkonzipiert. Die sanften Hip Hop-Töne bieten auch im zweiten Teil das richtige Framing. Wenn Szene zu Szene übergeht, dabei Filmreferenzen aufweist oder bestimmte Momente einfrieren, klingeln sämtliche Filmsinne. Alleine das macht das Schauen des Films zu einem Erlebnis, welches aber natürlich nur funktioniert, weil inhaltlich alles so routiniert sitzt.

Fazit

Spider-Man: Across the Spider-Verse löst sein Versprechen ein und bietet von allem noch mehr als sein Vorgänger. Wer überzeugt davon war, dass A New Universe ein einmaliger Kunstgriff war, wird eines Besseren belehrt. Across the Spider-Verse behält stets alle Figuren im Blick und jongliert spielend mit ihnen durch das pompös angelegte Setting. Man kommt nicht drumherum, den Hut vor dem Film des Trios Joaquim Dos Santos, Kemp Powers und Justin K. Thompson zu ziehen, auch wenn das Ergebnis voraussetzt, einen Überblick zu behalten und sich nicht erschlagen zu lassen. Die Handlung hangelt sich nur von Wow-Effekt zu Wow-Effekt, Ermüdungserscheinungen sind dabei nicht ganz auszuschließen.

© Sony Pictures


Im Handel erhältlich:

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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