Spiritwalker
Wissenschaftler aus dem Bereich Psychologie und Neurowissenschaften konnten den Effekt nachweisen, dass es Menschen schwer fällt, Individuen einer anderen Ethnie zu unterscheiden. Sie vermuten, dass dieses Problem seinen Ursprung in den frühesten Stadien der Sinneswahrnehmung, also in der Kindheit, hat. Diesen Effekt erleben wir als europäisches Publikum besonders bei asiatischen Produktionen häufig, was in einen “Die sehen ja alle gleich aus”-Effekt gipfelt. Der südkoreanische Suspense-Thriller Spiritwalker von Regisseur Yoon Jae-Keun (Heartbeat) treibt diese Herausforderung auf die Spitze, denn alle zwölf Stunden erwacht der Protagonist der Geschichte in einem neuen Körper. Die Sci-Fi-Hatz war Teil des Programms des 35. Fantasy Filmfests und wurde am 25. März 2022 von der Busch Media Group veröffentlicht.
Als Ian Kang (Yoon Kye-sang, Chocolate) zu sich kommt, befindet er sich in einem Unfallauto. Er ist verletzt und verliert Blut, doch hat keine Ahnung, wo er sich befindet oder was geschehen ist. Geschweige denn, wer er eigentlich ist. Alles fühlt sich wie ausradiert an. Die folgenden Stunden bringen ihn zwar mit seinen Erkenntnissen nicht weiter, verschaffen ihm jedoch Klarheit darüber, dass er eine besondere Fähigkeit besitzt: Mittags und mitternachts erwacht sein Geist in einem anderen Körper. In einer Hülle, die er nicht kennt. Mit dem Wandel beginnt für ihn ein Wettlauf gegen die Zeit, denn er muss nicht mehr nur die eigene Identität herausfinden, sondern auch die der Männer, die als Wirt für seinen Geist dienen. Die Begegnung mit einer Frau (Lim Ji-yeon, The Treacherous) scheinen die Dinge zu verändern und ihn näher an des Rätsels Lösung zu bringen …
Letztendlich sind wir dem Universum egal
Originaltitel | Spiritwalker |
Jahr | 2020 |
Land | Südkorea |
Genre | Science-Fiction, Action |
Regie | Yoon Jae-Keun |
Cast | Kang Ian: Yoon Kyesang Moon Jin-ah: Lim Ji-yeon |
Laufzeit | 108 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 25. März 2022 |
Seit den 80ern werden wir regelmäßig mit Körpertausch-Filmen beliefert. Ob teenagertaugliche Komödien wie Freaky Friday, Action-Formate wie Im Körper des Feindes oder im Bereich des Genre-Films Horrorkomödien wie Freaky. Sie alle haben gemeinsam, dass in der Regel zwei Personen die Körper miteinander tauschen und somit die Alltagsherausforderungen einer anderen Persönlichkeit meistern müssen. Spiritwalker verfolgt diesen Ansatz nur bedingt, denn der Geist des Protagonisten wechselt gleich mehrfach den Körper. Damit kommt die Produktion Letztendlich sind wir dem Universum egal verdächtig nahe, denn in dieser Romanze erwacht ein Alien jeden Morgen im Körper einer anderen Person. Spiritwalker erhöht dieses Tempo auf zwei Wechsel pro Tag, was auch die Erzählgeschwindigkeit merklich in die Höhe treibt. Um jetzt also wieder auf die Studie aus der Einleitung sprechen zu kommen: Das heißt auch, dass sich das Publikum an wechselnde Protagonisten gewöhnen muss. Ein Effekt, der sich unfreiwillig einstellt.
Was bleibt, ist Action
Spiritwalker ist ein High-Concept-Film, dessen Prämisse einen Appeal besitzt, dem man sich nur schwer entziehen kann, weil sich unweigerlich ein Rätselfaktor einstellt, dem man beiwohnen will. Doch im Grunde ist dieser Aufhänger nur dazu da, um dem Protagonisten Ian ein paar Steine in den Weg zu legen, damit sich die Erinnerungslücken nicht allzu schnell wieder schließen. Wer irgendetwas Größeres, irgendetwas besonders Cleveres erwartet, wird spätestens bei der Auflösung dann aber enttäuscht. Die ist nämlich so konstruiert, dass sie keinen Spaß macht und keinerlei Aha-Effekt birgt. Auch der Antagonist verliert sich in klassischen 08/15-Antagonistenfantasien, sodass man irgendwann mitten während des Films nur noch von Action umgeben ist und zwingend die Frage stellen muss, ob keiner der narrativ Verantwortlichen mehr Lust auf den eigenen Plot hatte. Es ist auch keine Hilfe, dass wir nichts über die Personen, deren Körper Ian benutzt, erfahren. Spiritwalker nimmt sich keine Zeit für Exposition, alles ist stets nur dem Moment zuträglich, sonst muss es nicht erklärt werden. Immerhin ist auf den Martial Arts-Sturm im letzten Drittel Verlass, sodass es zumindest für actionerprobte Herzen noch Schauwerte gibt. Sehen lassen kann sich die Produktion in lauten wie leisen, schnellen wie langsamen Szenen. Doch was sich fragmentarisch zusammensetzt, ist weniger reizvoll als die Art, wie es präsentiert wird.
Fazit
Eigentlich möchte man niemandem von der lukrativen Prämisse erzählen, denn sie schraubt die Erwartungen ins Unermessliche. Selbst wenn man nüchtern an Spiritwalker herangeht, muss man früher oder später feststellen, dass der größte Anreiz zur Nebensache wird. Was in der ersten Hälfte des Films noch Spaß macht, verpufft spätestens in der zweiten Hälfte und die Handlung verliert sich in klassischer Gangster-Action. Das bedeutet nicht, dass der Film erzählerisch versagt oder nicht doch zu unterhalten weiß, doch der Schmerz über das zuvor noch auf dem Silbertablett präsentierte Potenzial ist groß.
© Busch Media Group
Veröffentlichung: 25. März 2022