Sputnik – Es wächst in dir
Ein Raumschiff landet auf einem fremden Planeten und bringt einen blinden Passagier mit, der sich im Körper eines Besatzungsmitglieds eingenistet hat. Das klingt doch ganz wie ein altbekanntes Franchise mit A… Genau, das mit Sigourney Weaver und einem guten halben Dutzend Filmen. Ist es aber nicht. Sputnik von Newcomer Egor Abramenko (The Passenger) ist eine russische Produktion aus dem Jahr 2020, die ein wohlbekanntes Thema auf ganz eigene Art und Weise anpackt. Eigentlich hätte Sputnik im Frühjahr 2020 seine Kinopremiere gehabt. Bedingt durch Corona erschien der Film jedoch zunächst bei Streaminganbietern und wurde zum Überraschungserfolg: in Russland wurde Sputnik bisher über eine Million Mal gestreamt. In Deutschland ist Sputnik im September 2020 auf dem Fantasy Filmfest zu sehen.
Einsame Kosmonauten im Anflug auf einen fremden Planeten. Der eine singt sentimentale Schlager und freut sich auf ein heißes Bad, der andere ist schweigsam. Doch kaum sind sie gelandet, huscht etwas am Fenster vorbei. Was ist da draußen? Als die zurückkehrende Raumkapsel in der kasachischen Steppe landet, ist der Sänger tot, der Schweiger verstört und blutüberströmt. Andernorts setzt Psychiaterin Tatjana Klimova (Oksana Akinshina, The Bourne Supremacy) mit ihren brachialen Methoden ihre Karriere aufs Spiel, denn selbst in der UdSSR des Jahres 1983 ist es nicht üblich, einen Patienten über eine Minute lang unter Wasser zu drücken, um ihn so von seinem Mutterkomplex zu heilen. Aber möglicherweise ist gerade sie die Richtige für eine ungewöhnliche und streng geheime Aufgabe: herauszufinden, was mit dem überlebenden Kosmonauten Konstantin Veshnyakov (Pyotr Fyodorov, The Blackout) los ist. Aber weder der Offizier Semiradov (Fyodor Bondarchuk, The Warrior) noch der Wissenschaftler Rigel (Anton Vasilyev, Der die Zeichen liest) legen alle ihre Karten auf den Tisch. Und auch Veshnyakov weiß mehr, als bei seiner Amnesie zu vermuten wäre …
Solides Genrekino, aber nicht aus Hollywood
Originaltitel | Sputnik |
Jahr | 2020 |
Land | Russland |
Genre | Science-Fiction, Horror |
Regie | Egor Abramenko |
Cast | Tatyana Yuryevna Klimova: Oksana Akinshina Konstantin Veshyakov: Pyotr Fyodorov Colonel Semiradov: Fyodor Bondarchuk Yan Rigel:Anton Vasilyev |
Laufzeit | 113 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 4. Dezember 2020 |
Sputnik beackert ein andernorts immer wieder gern genutztes Feld und spielt durchaus in einer Liga mit den großen Vertretern dieses Genres. Anders als bei vielen anderen Varianten des Stoffs geht es aber nicht darum, dem metzelnden Ungeheuer zu entkommen, oder es zur Strecke zu bringen. Eigentlich ist das Problem bereits gelöst: Das Alien ist hinter einer monstersicheren Panzerglasscheibe gefangen und kann beobachtet und erforscht werden. Die Frage ist eher: was stellen wir jetzt mit ihm an? Und wer darf wann welches Detail erfahren? Immerhin sind wir in der UdSSR, wo jegliche Information, die in nicht die offizielle Version von den erfolgreich aus dem All zurückgekehrten Helden der Sowjetunion passt, sofort unter Verschluss gehalten wird. Und mit welchen Hintergedanken rückt wer welchen Informationsschnipsel heraus? Ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich unter wenigen Akteuren entspinnt. Der Offizier. Der Forscher. Der Kosmonaut. Die Ärztin. Sputnik macht daraus solides Genre-Kino. Man weiß, was man kriegt, aber es ist anders genug, um spannend zu sein.
Mal wieder ein Alien
Nachdem im ersten Drittel des Films Rätselraten angesagt ist, hat der Star des Films endlich seinen Auftritt. Das Alien, das in Veshnyakovs Körper haust. Anders als sein US-amerikanischer Artgenosse zerstört es seinen Wirtskörper nicht, sondern schlüpft allnächtlich durch den Mund hinein und hinaus. Ist es ein Parasit? Ein Symbiont? Ist es intelligent? Entwickelt es sich, und wenn ja, wozu? All diese Fragen bleiben drängend genug, um die Spannung am Köcheln zu halten, aber nicht alle werden beantwortet. Dafür bekommt man das Alien ausführlich zu sehen und es ist ein klassisches Kino-Monster, das sich vor ähnlichen Kreaturen vor allem durch seine spitzen Ellenbogen auszeichnet. Schleimig. Vage menschlich genug, dass man mit ihm kommunizieren möchte. Abstoßend echsenhaft und insektoid, um Grusel zu erzeugen. Es richtet eine Menge Blutvergießen an. Es rollt sich aber auch anrührend zärtlich um ein Spielzeug. Nichts bahnbrechend Neues, aber ein Prachtexemplar seiner Art.
Back in the USSR
Sputnik bietet keinen Blick in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit, in die UdSSR der 80er Jahre, mitten im kalten Krieg, als noch niemand von einem McDonalds in Moskau auch nur zu träumen wagte. Die UdSSR von Sputnik ist farblos, kantig und karg. Öde Flure, Beton-Treppenhäuser, kahle Büros, unpersönliche Schlafräume. Klassische Moderne in der spartanischen, unglamourösen Ostblock-Variante. Wo ein rotes Wackelpüppchen, das so mancher, der seine Kindheit irgendwo im ehemaligen Ostblock verbracht hat, wiedererkennen wird, als einziges verspielt-dekoratives Element so richtig ins Auge sticht. Es könnte ebenso gut ein schäbiger Weltraumhafen in der Zukunft sein. Die beklemmende Ausstrahlung dieser Welt trägt einiges zu der dichten Atmosphäre von Sputnik bei.
Fazit
Schön ist das, mal andere Gesichter auf der Leinwand zu sehen als die gängigen Hollywood-Stars. Schön auch, dass man beim Blick über den Tellerrand in andere Kinowelten nicht nur nach Filmfestspiele-tauglichen Arthouse-Filmen schielen muss, sondern mit Sputnik auch mal einen tadellosen Genre-Film zu sehen bekommt, der mit Hollywood-Blockbustern absolut mithalten kann. Ein ansehnliches Monster, schön geheimniskrämerisches Erzählen, düsteres Ambiente und die strenge Schönheit von Oksana Akinshina sorgen für einen gelungenen Kino-Abend.
© Capelight Pictures
Veröffentlichung: 4. Dezember 2020