Ted K

Aus vielen Verbrechen gehen prominente Namen in die Geschichtsbücher ein. In Europa weniger bekannt ist die Geschichte des Unabombers Ted Kaczynski, der in den USA eine der größten Terror-Geschichten der letzten Jahrzehnte schrieb. Ein intellektueller junger Mann, der die besten Voraussetzungen für ein Leben im Wohlstand besaß, radikalisierte sich zurückgezogen in der Wildnis Montanas, um dort abgeschottet an Briefbomben zu arbeiten. Erzählt wurde seine Geschichte bereits 2017 in der Miniserie Manhunt: Unabomber, während die Netflix-Doku Die verrückte Wahrheit über den Unabomber vor allem die FBI-Ermittlungen des Falls darstellt. Regisseur Tony Stone setzte der Geschichte ein drittes Denkmal mit seinem Film Ted K, indem er versuchte, sich mittels Aufzeichnungen einen filmischen Einblick in die Psyche des Täters zu verschaffen. Ein Bild von dem Ergebnis konnte man sich auf dem Fantasy Filmfest 2021 machen. 

Ted Kaczynski (Sharlto Copley, Elysium) lebt seit 1971 in der Wildnis Montanas. Er besitzt etwas Land und darauf eine kleine Hütte, hat Einnahmen durch seinen Job als Waldarbeiter. Der Eigenbrötler fällt in seiner Freizeit Telefonmasten, denn er ist Gegner von Technik und Fortschritt. Außerdem verwüstet er die Ferienhäuser reicher Großstädter. Seit 1978 verübt er mittels Briefbomben Anschläge auf Universitäten und Flugzeuglinien. Niemand wird auf den in der Abgeschiedenheit lebenden Mann aufmerksam. Bis er kurz vor der Jahrtausendwende beginnt, sich selbst mit einem eigen verfassten Manifest in die Medien zu bringen.

Zwei Stunden im Kopf eines Öko-Terroristen

Originaltitel Ted K
Jahr 2021
Land USA
Genre USA
Regie Tony Stone
Cast Ted: Sharlto Copley
Tom: Drew Powell
Carter: Bob Jennings
Tommy: Christian Calloway
Tommy Sauerkraut: Tahmus Rounds
Gilbert: Sal Rendino
Laufzeit 120 Minuten
FSK unbekannt
Titel im Programm des Fantasy Filmfest 2021

Für Ted K nahm Tony Stone die originalen Schriften und Aufzeichnungen über den Terroristen als Grundlage. Sozusagen „on Location“ im verlassenen Hinterland drehte er für seine Produktion, wo tatsächlich Kaczynskis Holzhütte einst stand. Die Bilder der unberührten Natur bringen etwas Authentisches mit und helfen dabei, sich auszumalen, wie Teds Leben wohl tatsächlich ausgesehen haben mag. Die ungebrochene Faszination für den Unabomber ist wohl darin begründet, dass er nicht das klischeehafte Bild eines sozial benachteiligten Menschen erfüllt, sondern als Harvard-Absolvent mit Ausblick auf eine akademische Karriere ein gutes Leben hätte führen können. Trotzdem radikalisierte er sich, versperrte sich vor allem Modernen. In all seinem Wahnsinn sind auch lichte Momente zu finden, in der Ted die Abhängigkeiten des Menschen durch die von ihm geschaffene Technik beschreibt. Er sollte froh sein, nicht in den 2020ern gelebt zu haben …

Fragmentarische Ziellosigkeit trifft auf audio-visuellen Rausch

Trotz offensichtlicher Ansätze ist Ted K kein Kammerspiel. Der Regisseur arbeitet mit weitgreifender Kamera, überlagert immer wieder Bilder, greift zu Electrosounds. Stellenweise fühlt sich das Resultat seiner Arbeit wie ein mit einem Musikvideo verwebter Dokumentarstoff an, bei dem der Regisseur wenig subtil an Teds wahnhaftem Abstieg arbeitet. In seiner Arbeit stecken Liebe zum Detail und Präzision, nicht aber erkennbar wird, welche Relevanz diese Überstilisierung eigentlich erzeugen soll. Der künstlerische Spielplatz und die wahre Geschichte wollen nicht so recht Hand in Hand gehen. Was schade ist, denn Copley überzeugt in seiner Hauptrolle und schafft es mit der Skrupellosigkeit seiner Figur, die sich vehement gegen Fortschritt und Industrie stellt, zu schockieren. Stellenweise erinnert die Verkörperung des Bösewichts an Joker: Nachvollziehbare (aber nicht zu unterstützende) Wertevorstellungen treffen auf Medienzirkus, die Manie füttert das Monster. Nur ist der Joker eine berührende Figur, Ted aber bleibt einem auch nach zwei Stunden herzlich gleichgültig. Lange bleiben Teds Taten auch Außenstehenden vorenthalten und die Kamera folgt ihm auf Schritt und Tritt. Das Publikum weiß natürlich, was ausgespart wird und tatsächlich vor sich geht. Ein Kniff, der nicht zieht.

Fazit

Mit seiner bruchstückhaften und unaufgeregten Erzählung über einen Zeitraum von 16 Jahren verliert sich Ted K bis zum Schluss in Einzelszenen  – obwohl die Ambition, etwas Anspruchsvolles zu erzählen, vorhanden ist. Die inhaltlichen Fragmente vermitteln das Gefühl eines Flickenteppichs, der keiner stringenten Dramaturgie folgen möchte, um sein Publikum herauszufordern. Mit einer satten Laufzeit von zwei Stunden ist der Stoff viel zu lang geraten und weiß dieses Fenster auch nicht für sich zu nutzen. Nicht für die Erzählung und auch nicht für Teds Charakterzeichnung. Somit bleibt Ted K ein Stoff, der nur hartgesottenen True Crime-Fans ans Herz gelegt werden kann, die sich auch nach zwei Serien noch immer für Kaczynskis Person begeistern können.

© Hanway Films

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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