Teddy – Das Tier in dir
Der Mythos des im Dunkeln lauernden Werwolfs verzeichnet seinen ersten filmischen Eintrag im Jahr 1913, als der Stummfilm The Werewolf erschien. Zwischen diesem Film und Teddy – Das Tier in dir liegen aber in vielerlei Hinsicht Welten: Denn Teddy ist in seinem Unterbau zwar klassischer Werwolf-Stoff, schlägt erzählerisch allerdings eine andere Richtung ein. In ihrer Komödie erzählen die beiden französischen Brüder Ludovic und Zoran Boukherma nämlich die Geschichte eines jungen Mannes, der damit zu kämpfen hat, ein Werwolf zu sein, ohne dass es davon sonderlich viel zu sehen gibt. Und im Grunde wird das Werwolf-Dasein auch zur reinen Nebensächlichkeit, da die Produktion ebenso als Milieu-Studie durchgehen könnte. Vor dem regulären digitalen Verkaufsstart am 11. November 2021 ist der Film auf dem Fantasy Filmfest 2021 zu sehen.
Teddy (Anthony Bajon, Auferstehen) ist 19 Jahre alt und lebt inmitten der französischen Provinz mit seinem Onkel und seiner pflegebedürftigen Großmutter. Er ist ein Außenseiter und Taugenichts, der nur zwei identische T-Shirts besitzt und sein Kleingeld in einem Massage-Salon verdient, wo er halbherzig Kundenwünsche umsetzt. Er hat Schwierigkeiten mit Autorität und vertreibt seine Zeit am liebsten im Bett seiner Freundin Rébecca (Christine Gautier). Auf der Jagd nach einem Wolf, der die Bauern in der Region bedroht, wird Teddy von dem wilden Tier verletzt. In den Folgewochen vernimmt er aufkommende tierische Impulse und wird bald selbst zu einer pelzigen Gefahr für seine Umgebung …
Ohne Abschluss bist du nichts
Originaltitel | Teddy |
Jahr | 2020 |
Land | Frankreich |
Genre | Tragikomödie, Horror |
Regie | Ludovic Boukherma, Zoran Boukherma |
Cast | Teddy Pruvost: Anthony Bajon Rebecca: Christine Gautier Pépin Lebref: Ludovic Torrent Ghislaine: Noémie Lvovsky |
Laufzeit | 88 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 11. November 2021 |
Der Ablauf der Handlung entspringt der klassischen Werwolf-Film-Schablone: Der Protagonist wird gebissen, stellt nach und nach Veränderungen an sich selbst fest und mutiert schließlich. Kein Geheimnis, kein Spoiler. Das wussten wohl selbst die Verantwortlichen, weshalb die Handlung ihren Fokus vollkommen auf ihren Antihelden Teddy legt. Der kriegt nämlich volle Breitseite zu spüren, wie es ist, wenn man die Schule geschmissen hat und alle Gleichaltrigen auf der Ziellinie zum Abitur an einem vorbeiziehen, während man sich selbst ohne Antrieb durchs Leben schleppt und Wünsche, Träume oder Ziele nicht existieren. Teddy ist alles andere als sympathisch und schon in der ersten Szene, in der er taktlos die Einführung eines Monuments zu Ehren der Verstorbenen im Zweiten Weltkrieg stört, machen klar, dass an diesem Protagonisten wenig zu finden ist, das für ihn spricht. Das liegt vor allem aber auch an Schauspieler Anthony Bajon, der sich die größte Mühe gibt, ein widerlicher Kotzbrocken zu sein. Seine Figur ist dabei doch nur das Produkt ihrer Umwelt und hinter allem steckt der Schrei nach Liebe. Aber gibt es im Leben überhaupt einen Anspruch auf Liebe?
Was ist jetzt mit dem Werwolf?
Auf angenehme Weise zu kurz kommt, dass Teddy immer noch ein Werwolf-Film ist. Genre-Fans, die reißende Wölfe und zerfetzte Opfer sehen wollen, werden aus dem Grund wohl kaum mit der französischen Produktion warm werden, da der Schwerpunkt deutlich auf der Tragikomödie liegt. Teddys Mutation bringt dann allerdings doch die eine oder andere wahrhaft fiese (!) Body Horror-Szene mit, die alleine beim Zuschauen weh tut. Der ohnehin bereits ruhige Erzählstil mit wenigen Schnitten sorgt dafür, dass gerade diese Szenen der körperlichen Veränderung genüsslich ausgeschlachtet werden. Zwar sind diese Momente rar gesät, doch stellen sie zumindest in Sachen Horror-Erfahrung das Highlight dar. Denn der emotionale Showdown, der auf ein Blutbad hinausläuft, enttäuscht auf allen Ebenen. Ganz offensichtlich aus Budgetgründen gibt es den Werwolf selbst nur kurz zu sehen, die Kamera schwenkt lieber auf das Resultat dessen Wütens. Für echte Werwolf-Fans eine Enttäuschung und die wenigen CGI-Momente deuten an, dass es vermutlich auch die bessere Entscheidung ist, nicht mehr davon zu zeigen. Dank des ohnehin verlagerten Erzählschwerpunkts muss man den Punkt nicht zwingend aufs Budget abschieben, sondern kann das auch als erzählerisch-kreative Entscheidung werten.
Fazit
Teddy – Das Tier in dir ist ein Film für Zuschauer:innen, die Filme wie Spring, Good Manners, When Animals Dream oder Border mögen. Sie alle haben gemeinsam, dass sie den Mensch als Monster zeigen, sich aber vornehmlich in einem anderen Genre Frame bewegen. So auch Teddy, das in erster Linie eine Mischung aus Sozialdrama und Arthouse-Komödie ist. Im Grunde hätte es die Werwolf-Thematik nicht einmal gebraucht, da die Geschichte um die Figur von selbst funktioniert: Das Zuschauen tut weh. Noch schlimmer: Man kann kaum wegsehen, wie Teddy in seiner kleinen Provinz-Blase immer tiefer in der Abwärtsspirale rutscht. Eine Studie über fehlende Perspektiven mitten in der Pampa, wo man ohne einen Schulabschluss nichts ist. Ein wertvoller Genre-Beitrag ist Teddy nicht, doch die ruhige Erzählweise und die in ihrer Erzählung sichere Regie sorgen für Kurzweil.
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