Telekinese

Superhelden sind jung, knackig, aerodynamisch, immer in altbackenen Uniformen unterwegs und wollen die Welt retten! Wer das glaubt, wird von Netflix eines Besseren belehrt. Der Streamingdienst veröffentlichte im April 2018 den südkoreanischen Superheldenfilm Telekinese (international: “Psychokinesis”). Die telekinetisch begabte Hauptfigur ist ein Mann mittleren Alters, der seine Superkräfte erst kennenlernt und direkt für seine Familie einsetzt, anstatt die Menschheit vor irgendetwas zu retten. Mit einer erfrischend alternativen Herangehensweise erzählt Regisseur Yeon Sang-ho (der Mann hinter dem Kassenknüller Train to Busan) eine Geschichte, die schnell ins Komödiantische umschlägt und nicht an sozialkritischen Komponenten spart. Finanziell blieb der Film in seinem Heimatland allerdings weit hinter den Erwartungen zurück.

 

Die junge Shin Roo-mi (Shim Eun-kyung) betreibt einen hervorragend laufenden Imbis. Doch der Schock steht ihr ins Gesicht geschrieben, als ihre Bude geschlossen werden muss, da an jener Stelle ein Einkaufszentrum eröffnet werden soll. Gemeinsam mit ihren Nachbarn versucht sie zwar Widerstand zu leisten, doch mit dem Bauunternehmer ist nicht zu scherzen. Er beauftragt eine Gruppe Schläger, den Demonstranten gehörig Angst zu machen. Dabei kommt schließlich Roo-mis Mutter ums Leben. Nichts davon bekommt ihr Vater Seok-heon (Ryu Seung-ryong) mit, der die Familie längst verlassen hat. Der ist mit ganz anderen Sorgen beschäftigt. Seitdem er beim Sport Quellwasser trank, überkommen ihn heftige Bauchschmerzen. Der Auslöser dessen sind Steine eines Meteoriten, die das Wasser verseucht haben. Dies resultiert in telekinetischen Fähigkeiten: Mittels Gedanken kann Seok-heon Gegenstände bewegen. Noch ahnt er nichts von der Familientragödie, die sich in der Zwischenzeit abspielte …

Superkräfte ohne Ambitionen

Originaltitel Yeom-lyeok
Jahr 2018
Land Südkorea
Genre Action, Komödie
Regie Sang-ho Yeon
Cast Seok-heon: Seung-ryong Ryu
Roo-mi: Eun-kyung Shim
Kim Jeong-hyeon: Jung-min Park
Hong Sang-moo: Yu-mi Jung
Laufzeit 101 Minuten

Nach dem Erfolg von Train to Busan arbeitete Yeon Sang-ho erneut mit Shim Eun-kyung und Jung Yu-mi: Direktorin Hong (Direktorin Hong) zusammen. Ganz neu ist dagegen der Hauptdarsteller Ryu Seung-ryong, welcher den ungewöhnlichen Superhelden verkörpert. Dabei sind seine Grundeigenschaften eher die eines Antihelden: Er drückt sich vor Verantwortung, verfolgt keine hochgesteckten Ziele und zeigt auch sonst wenig Ambitionen, etwas in der Welt zu bewirken. Wie ist es also, wenn eine solche Person eine mächtige Fähigkeit erlangt? Hier ist Telekinese Überraschung und Enttäuschung zugleich. Positiv ist, dass der Protagonist seine Fähigkeiten zu persönlichen Zwecken einsetzt. Das hebt ihn aus der Masse der moralisch einwandfreien Superhelden hervor, während er sich wirklich nur um seinen Kram schert. Auf der anderen Seite wird genau das gar nicht so stark vertieft, wie es hätte passieren können. Daraus entsteht die verpasste Chance, nicht nur einen Antihelden zu formen, sondern ihn auch zum Leben zu erwecken.

Gesellschaftskritik ohne Brisanz

Thematisch bleibt Yeon Sang-ho sich immerhin in einer Sache treu: Gesellschaftskritik. Dieses Mal geht es den Großkonzernen ans Leder, die in ihrer Profitgier auch vor kleineren Playern keinen Halt machen. Auf derselben Seite stehen auch der Staat und somit die Polizei. Eine gefährliche Verbindung, über die man weiter sinnieren könnte, ob dieses Story-Element nicht bittere Realität in Südkorea darstellt. Jedoch fehlt es auch diesem Aspekt an Tiefgang. Yeon Sang-ho ist bemüht, den leichtfüßigen-humoristischen Grundton zu wahren und nicht in eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Südkoreas Problemen abzutauchen. Damit bleibt auch die Gesellschaftskritik oberflächlicher Natur, was zumindest angesichts der rasanten Actionszenen, welche es mitunter gibt, verschmerzbar ist.

Superhelden-Comedy

Ebenfalls ungewöhnlich: Wo andere Superheldengeschichten in ihrer zweiten Hälfte ein großes Drama auffahren, bleibt Telekinese überraschenderweise mit dem Comedy-Genre verhaftet. Die telekinetischen Fähigkeiten werden dabei auch für eher alberne Spielereien eingesetzt als zu einer beeindruckenden Demonstration der Möglichkeiten auszuufern. Viel eher sind sie ein Mittel, das benutzt wird, um die Annäherung zwischen Vater und Tochter wieder einzuleiten. Begleitet wird dies durch besonders starkes Overacting von Shim Eun-kyung und Ryu Seung-ryong, deren schauspielerische Leistungen im Durchschnitt bleiben.

Fazit

Telekinese hat seinen bedeutungsvollen Titel auch nur bedingt verdient. Dafür bleiben die Kräfte der Hauptfigur eine viel zu schwach ausgeprägte Spielerei, als nun eine große Bandbreite zu präsentieren. Superhelden-Fans sollte dies zu lasch sein, zumal man Telekinese in vielfacher Form schon woanders spannender gesehen hat. Ob der Film als Komödie einschlägt, hängt ganz davon ab, ob man die simple Geschichte in Kauf nimmt. Dem gegenüber steht nämlich die plumpe Kritik an der Politik von Großkonzernen. Wen all das nicht stört, wer von The Avengers und Co. ohnehin die Nase voll hat und auch keine Allergie gegen Untertitel besitzt, der sollte seine Freude an diesem Netflix-Film haben.

© Netflix

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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