Tenet
Was wäre, wenn sich die Zeit nicht nur vorwärts, sondern gleichzeitig auch rückwärts bewegen könnte? Es also egal ist, wie herum wir sie betrachten, da beide Richtungen möglich sind. Ähnlich wie bei einem Palindrom. Dieser spannenden Frage stellt sich der mehrfach oscarnominierte Christopher Nolan (Dunkirk) in seiner mittlerweile elften Regiearbeit Tenet, die am 26. August 2020 in die Kinos kam. Kein Wunder, baute er doch in all seinen Filmen den Fluss der Zeit ein. Doch diesmal dürfen sich die Zuschauer darauf gefasst machen, einer sich mehrfach drehenden Sanduhr zuzuschauen. Kein leichtes Unterfangen, da nicht den Überblick zu verlieren. Vor allem bei einer stolzen Laufzeit von 150 Minuten und vorab kaum Informationen über den Handlungsverlauf oder den Namen des Protagonisten. Die durch Corona geschädigten Kinos hoffen, dass Nolans neuer Blockbuster ihr Segen wird. Wir hingegen, dass wir unsere zweieinhalb Stunden nicht zurückfordern müssen. So viel verraten wir vorab schon einmal: Eine kreative Idee macht noch lange kein perfektes Filmerlebnis …
Nach einem verpatzten Einsatz versucht sich ein CIA-Agent (John David Washington, Ein Gauner & Gentleman) aus den Fängen seiner Folterer zu befreien, indem er eine Selbstmordpille schluckt. Als er dann aber auf einem Schiff vor Dänemark erwacht, erklärt ihm sein Vorgesetzter, dass er einen Test bestanden hat und nun ein Mitglied der Geheimgruppe “Tenet” ist. Diese versucht mit allen Mitteln den nächsten großen Krieg zu verhindern: Die Einmischung der Zukunft in die Vergangenheit. Schon jetzt gibt es Objekte und Personen, die temporal invertiert sind, also einen umgekehrten Zeitfluss besitzen. Für den CIA-Agenten heißt es daher, sich auf Suche nach dem Ursprung dieser Verzerrung zu begeben. Dabei stößt er schnell auf die Spur des Waffenschmugglers Andrei Sator (Kenneth Branagh, Mord im Orient-Express). An diesen heranzukommen, ist jedoch alles andere als einfach.
Für Tenet sollte das Gehirn topfit sein
Originaltitel | Tenet |
Jahr | 2020 |
Land | USA |
Genre | Action, Science-Fiction |
Regie | Christopher Nolan |
Cast | Der Protagonist: John David Washington Neil: Robert Pattinson Andrei Sator: Kenneth Branagh Kat: Elizabeth Debicki Ives: Aaron Taylor-Johnson: Priya: Dimple Kapadia |
Laufzeit | 150 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 17. Dezember 2020 |
Schon die Eröffnungsszenerie fordert Zuschauer zur Aufmerksamkeit auf, denn hier verstecken sich die ersten Hinweise, die im späteren Handlungsverlauf von Tenet eine Rolle spielen. Der namenlose Protagonist wird unter anderem Zeuge, wie ihn eine in schwarzer Uniform gekleidete Person vor einem Angreifer rettet, indem er eine Kugel aus der Wand zurück in seine Waffe laufen lässt. Und das ist im weiteren Verlauf nur die Spitze des Eisberges. Immer kreativer flechtet Nolan rückwärts laufende Ereignisse in seinen actionreichen Spionage-Thriller ein und sorgt dafür, dass gefühlt alles möglich wird. Für das menschliche Gehirn heißt das, nicht mehr nur in eine Richtung zu denken. Kein leichtes Unterfangen, doch vor allem Liebhaber von Geschichten mit Zeittheorien kommen hier auf ihre Kosten. Teilweise können diese sogar den späteren Handlungsverlauf vorhersehen, da für manche Ereignisse natürlich eine vorabausgeführte Aktion stattfinden muss.
“Es gab keinen Greenscreen“
Ein packender Überfall auf eine vollbesetzte Oper oder ein Bungeesprung von einem Hochhaus in Mumbai — Nolan entführt uns in Tenet an aufregende Schauplätze. Dabei überzeugen vor allem die nicht am Computer entstandenen Aufnahmen: real eingefangene Szenen, in denen Schauspieler alles geben müssen. Das Action-Level ist dabei hoch und gestaltet sich vor allem zügig. Nicht zu schnell, um den Zuschauer abzuhängen, aber es fordert Konzentration, da die Zeit nicht nur in eine Richtung verläuft. Beeindruckend sind einige der Ideen, mit denen unser Held an Informationen kommt oder sich seinen Weg zum Waffenhändler Sator ebnet. Der Einbruch in ein Kunstlager bewegt sich zum Beispiel auf einem sehr hohen Niveau, gespickt mit einem interessanten Nahkampf und erneuten kleinen Brotkrumen für den weiteren Handlungsverlauf. Nur was das Finale angeht, so könnte es sein, dass zu viel hin und her doch bei einigen seinen Aufmerksamkeitstribut einfordert.
Er besitzt nicht einmal einen Namen
Bei all den spektakulären Bildern und der einfallsreichen Idee mit dem Zeitfluss bleiben jedoch die Figuren auf der Strecke. Washingtons Held bleibt bis zum Ende hin der namenlose Protagonist, der zwar von Anfang an beweist, dass er Unschuldige schützen möchte, aber bei dieser einen Charaktereigenschaft bleibt. Als Geheimagent besitzt er nicht den Charme eines James Bond oder die freche Art eines Ethan Hunt. Nolans Held bleibt bodenständig, macht Fehler und lernt im Verlauf hier und da noch etwas dazu. Doch was treibt diesen Mann an? Trotz der Beeinflussung der Vergangenheit bleibt seine eigene im Dunkeln. Seinem neuen Partner Neil (Robert Pattinson, Der Leuchtturm) ergeht es nicht besser. Wobei die Geschichte mit einer dramaturgischen Keule am Ende aufwartet. Einer, die sich erst bei längerem Nachdenken richtig entfaltet (Hinweis: Cola, nicht Wasser!) und den Wunsch nach mehr entfacht. Doch der Film endet und so verpufft das Ganze unglücklicherweise.
Wenn die Musik an den Nerven zerrt
Laut! Und noch dazu basslastig, dass einem die Ohren dröhnen. Ähnliches erlebten wir schon in The Dark Knight Rises, doch hier verfolgt sie einen über die gesamte Spielzeit: Die Musik. Ludwig Göransson (The Mandalorian) ersetzt in Tenet Hans Zimmer (Blade Runner 2049), der für einen Großteil der musikalischen Vertonung von Nolans Schaffen zuständig ist. Der geborene Schwede setzt dabei auf teils monotone Klangwelten, die sich bei all den gewaltigen Bildern nicht in den Hintergrund schieben lassen, sondern dominant nach vorne drängen. Effekte ergeben sich dadurch, dass Szenen so noch bedrohlicher wirken oder das Spiel mit der springenden Zeit verstärkt wahrgenommen wird. Doch weniger wäre hier mehr gewesen. Was fehlt, sind hin und wieder sanftere, wohlklingendere Melodien, die so für einen Kontrast sorgen. Denn wenn ständig alles laut und dröhnend ist, verpufft jeder gut gemeinte Effekt mit der Zeit.
Fazit
Nolan erweckt in Tenet ein kreatives, nachdenkliches Konzept zum Leben. Das Spiel mit den Formen des Tempus sorgt für einen mehrfachen Aha-Effekt, fordert aber von Anfang an eine hohe Konzentration. Seine Idee hält allerdings nicht bis zum chaotischen Finale. Wer sich mit Zeitthemen befasst, steigt schneller dahinter, so dass sich einige Storyabläufe im späteren Drittel vorhersehbar und zäh anfühlen. Was vorrangig negativ auffällt, ist die sehr dünn ausgearbeitet Hauptfigur. Washington verkörpert diesen mit einem lebendigen Mienenspiel, kann aber nicht darüber hinwegtrösten, dass wir am Ende nicht viel schlauer über seine Figur sind als am Anfang des Films. Positiv ist Nolan immerhin anzurechnen, dass er auf einige gängige Klischees, wie man sie aus Hollywood-Darstellungen kennt, verzichtet. So ist Washington im Vergleich zu Elizabeth Debicki (Breath), die Sators Ehefrau spielt, viel kleiner. Doch anstatt ihn größer wirken zu lassen, behielt Nolan den auffälligen Größenunterschied bei. Eine schöne moderne Geste, die sich wunderbar zu den auch sonst realistischen Settings einfügt. Die spannend eingefangenen Actionszenen lassen sich mehr als sehen. Nur bei der Musik scheiden sich die Geister, da der eine Zuschauer mehr, der andere weniger darauf achtet. Ohnehin aber ist Tenet ein Film, den man liebt oder hasst.
© Warner Bros.
Veröffentlichung: 17. Dezember 2020
Hihi, Christopher Nolan, dieser schlaue Kerl.
Riddle me this… riddle me that!
S A T O R
A R E P O
T E N E T
O P E R A
R O T A S
Aber irgendwie ist es merkwürdig, wenn so viel Bedeutungszeugs auf einem ganz schlichten “Wir retten die Welt durch Rennen und Schießen”-Film draufsitzt.
Kurz mal auf die Liste geguckt, wer so mitspielt. What? Dimple Kapadia spielt hier mit? 😮 Eine der ganz großen Bollywood-Divas.
Um Bolllywood machen ich einen großen Bogen, daher sagte sie mir nichts. Aber falls du den Film mal schaust, sie hat eine tolle moderne Rolle: eine starke Frau mit Macht.
Werde ihn mir sicher später mal anschauen. Vielleicht wenn Netflix den zeigt oder er im Free-TV kommt. Dauert dann noch ein gutes Weilchen. Glaube zumindest nicht, dass er mich vom Hocker reißt, sodass sich ein Kinobesuch lohnen würde. Auf die Rolle von Dimple Kapadia bin ich aber gespannt und klingt schonmal gut. 😀