The Dry – Die Lügen der Vergangenheit
Eine goldene Regel besagt: Jeder Literatur-Bestseller wird eines Tages verfilmt. 2016 veröffentlichte die Autorin Jane Harper den ersten Roman der Aaron Falk-Reihe, Hitze. Im Zentrum der Erzählung steht Aaron Falk, ein Ermittler der australischen Polizei, der im ersten Band der Thriller-Reihe inmitten einer beklemmenden Verstrickung rund um Heimat, Loyalität und Vergebung steckt. Während der zweite Band (Ins Dunkel) 2019 auf deutsch erschien, schnappten sich bereits vier Jahre zuvor (und damit sogar vor Erscheinen des Buchs) die Filmproduzentin Bruna Papandrea und Schauspielerin Reese Witherspoon die Rechte an der Verfilmung. Der mit Eric Bana (Hulk) besetzte Thriller feiert seine deutsche Premiere auf den Fantasy Filmfest Nights XL im Juni 2021.
Federal Agent Aaron Falk (Eric Bana) hat vor 20 Jahren seine Heimat verlassen und kehrt nun ins australische Kiewarra zurück. Der Anlass ist ein trauriger: Er soll an der Beerdigung seines Kindheitsfreundes Luke (Martin Dingle-Wall, Happy Hunting) teilnehmen. Dieser soll Frau und Kind umgebracht haben, ehe er sich selbst das Leben nahm. Die Gemeinde mitten im Nirgendwo ist mittlerweile Opfer des Wahnsinns geworden. Nicht nur das tragische Unglück überschattet die Mitglieder, sondern auch die mehr als ein Jahrzehnt anhaltende Dürre zehrt an den Nerven der Bewohner des Ortes. Das Vieh stirbt und die einst grüne Landschaft ist in ein ödes Braun getaucht. Überall hat die Dürre ihre Spuren hinterlassen. Aaron bleibt vor Ort, um den Fall zu untersuchen und dabei Lukes Unschuld zu beweisen. Dabei erinnert er sich an einen Tod aus seiner Kindheit, den der 17-jährigen Ellie Deacon (BeBe Bettencourt). Er vermutet dahinter ein Verbrechen und sieht Parallelen zwischen beiden Fällen, die mehr als ein Jahrzehnt auseinander liegen.
Zwei Storylines und anhaltende Dürre
Originaltitel | The Dry |
Jahr | 2020 |
Land | Australien, USA |
Genre | Mystery-Thriller |
Regie | Robert Connolly |
Cast | Aaron Falk: Eric Bana Gretchen: Genevieve O’Reilly Greg Raco: Keir O’Donnell Gerry Hadler: Bruce Spence Grant Dow: Matt Nable Luke Hadler: Martin Dingle Wall Sullivan: James Frecheville |
Laufzeit | 117 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 10. September 2021 |
In The Dry ist der Name Programm. Der Film baut auf seine starken Landschaftsaufnahmen, die eine anhaltende Dürre-Periode in Victoria bebildern. Jederzeit könnte irgendwo ein Feuer ausbrechen, das sich rasend schnell verbreitet und alles in Schutt und Asche legt. Die Schwüle liegt in der Luft und ist beinahe greifbar. Hinsichtlich der Atmosphäre macht The Dry keinerlei Gefangenen: Robert Connollys Kameramann Stefan Duscio findet in seinen Bildern das richtige Gewicht für die inhaltlich ebenfalls schwere Kost. Auf der einen Seite stehen da zwei Morde in zwei verschiedenen Zeitlinien und deren Gemeinsamkeiten, gleichzeitig handelt es sich um Aarons Geschichte. Einerseits aktualisiert er sein Bild von Kiewarra und alte Beziehungen wie etwa zu seiner Jugendfreundin Gretchen (Genevieve O’Reilly, Rogue One: A Star Wars Story) werden neu beleuchtet. Andererseits muss er auch feststellen, dass er überwiegend als Einzelkämpfer unterwegs ist, da über Jahre hinweg gewachsene Gemeinschaften schwer zu durchbrechen sind.
Emotionale Performance vor unaufgeregtem Plot
The Dry ist ein Slowburner. Klassische Surprise-Momente bleiben aus, denn Connolly baut darauf, seine Suspense-Story über weite Strecken des Films zu ziehen. Aaron muss nämlich gemeinsam mit dem Polizisten Greg (Keir O’Donnell, Der Kaufhaus Cop) herausfinden, dass einige Leute in Kiewarra einige Geheimnisse zu hüten scheinen. Wie das in einer Kleinstadt so ist, stößt er auf eine Mauer des Schweigens, denn jeder kennt (und deckt) jeden. Die Handlung wird dabei nicht linear durcherzählt, sondern stützt sich auf eine fragmentarische Zusammensetzung aus Szenen der Gegenwart und Erinnerungen, die sich nach und nach zusammensetzen, um die Gegenwart in einen neuen Kontext zu rücken. Ein altbekanntes Konzept, das auch hier funktioniert, den Film gleichzeitig aber noch länger wirken lässt, als er mit seinen zwei Stunden ohnehin bereits ist. Denn abgesehen von dem packenden Finale plätschert die Handlung vor sich hin und fußt auf der Annahme, dass interessierte Zuschauer*innen auch wirklich jeden Stein umgedreht sehen wollen. Eric Bana ist ein großer Gewinn für die Produktion, denn sein nuanciertes Schauspiel lässt jede Enthüllung einfach mitempfinden. Seine Figur Falk ist aber trotz der gelungenen Darstellung keine Persönlichkeit, die neugierig auf mehr macht (und ob Ins Dunkel je adaptiert wird, steht ebenfalls in den Sternen). Trotzdem reißt die Verbindung zu der Figur nicht ab, was Bana hoch anzurechnen ist.
Fazit
The Dry ist ein langsam erzählter und zeitweise sogar zäher Mystery-Thriller. Robert Connolly findet die richtigen Bilder, um die Dürre Australiens in Szene zu rücken, und besitzt ein Gespür für die passenden Landschaftsaufnahmen, um die drückende Hitze und das anhaltende Im-Dunkeln-Tappen seiner Hauptfigur gleichermaßen erfahrbar zu machen. Es ist bemerkenswert, wie konsequent unaufgeregt die Handlung vorangetrieben wird. The Dry könnte nämlich ohne seinen Whodunit-Plot und die fieberhafte Suche nach dem Mörder ebenso als Crime-Drama durchgehen, das sich stärker in die Länge zieht, als eigentlich nötig ist. Für einen Film bietet die Handlung wenige Highlights und kommt erst im letzten Drittel in die Gänge. Vielleicht wäre eine Serien-Adaption in diesem Falle die bessere Wahl gewesen. Wie gut das funktionieren kann, zeigt die australische Serie Mystery Road, die inhaltlich und stilistisch in dieselbe Kerbe schlägt.
© Leonine Distribution
Veröffentlichung: 10. September 2021