The Lodgers
Die irische Mythologie steckt voller Fabelwesen und Geheimnisse. Da bieten sich die Kulissen des Landes doch nahezu an, um Schauplatz gespenstischer Geschichten zu werden. Regisseur Brian O’Malleys okkultes Spielfilm-Debüt Let Us Prey wurde bereits im Gothic Horror angesiedelt, und nicht anders verhält es sich mit The Lodgers, einem modernen Schauerklassiker, der die Brutalität eines düsteren Märchens aufweist. Dabei stehen alle Zeiger zunächst auf Drama, schließlich ist das Verhältnis des im Mittelpunkt stehenden Geschwisterpaares der zentrale Dreh- und Angelpunkt.
Jede Nacht, wenn die Uhren 12 Uhr schlagen, verziehen sich die Geschwister Rachel (Charlotte Vega, Buenos Dias, Prinzessin!) und Edward (Bill Milner, der junge Magneto in X-Men: Erste Entscheidung) panisch in ihre Zimmer. Eine Art Fluch sucht das Anwesen der beiden verwaisten Zwillinge Nacht um Nacht heim. Kaum ist es Mitternacht, bewegt sich etwas durch das Gebäude und hüllt jeden noch so kleinsten Winkel in Dunkelheit. Doch es scheint einen Pakt zwischen den jungen Erwachsenen und dem Fluch zu geben: Niemals nach Mitternacht außerhalb des Zimmers sein und weder das geheimnisvolle Anwesen verlassen noch irgend jemandem Zutritt gewähren. Während Edward noch nie Tageslicht zu sehen bekam, zieht es Rachel immer wieder nach draußen. Das ist nicht ungefährlich, denn nicht nur der Junge Sean hat ein Auge auf sie geworfen, auch ein Schuldeneintreiber erweist sich als penetranter Gast…
Drama und Horror im Einklang
Originaltitel | The Lodgers |
Jahr | 2017 |
Land | Irland |
Genre | Horror |
Regisseur | Brian O’Malley |
Cast | Rachel: Charlotte Vega Edward: Bill Milner Sean: Eugene Simon Bermingham: David Bradley |
Laufzeit | 92 Minuten |
Der klassische Grusel ist in einer Welle an Slashern, Jump-Scare-Schockern und paranormalen Erzählungen in den 2010ern an den Rand gedrängt worden. Die typische Schauermär wurde schon zur Genüge erzählt, und was will man zeigen, das noch niemand erzählt hat? Drehbuchautor David Turpin ist sich dessen bewusst, also rückt er das Schlimmste in den Mittelpunkt: den Menschen. Die Beziehung der beiden Geschwister Rachel und Edward ist nicht nur von Angst und passiver Aggressivität geprägt, sondern auch dem sexuellen Erwachen der beiden Heranwachsenden. Während Rachels Schönheit den männlichen Dorfbewohnern nicht entgeht, kennt Edward keine anderen Frauen als Rachel. Das Drama, welches hier seinen Lauf nimmt, ist nicht etwa ein Vorwand, um eine Geschichte zu erzählen. Hier werden gleich mehrere Ebenen auf eine smarte Weise miteinander verwoben und sorgen für eine entrückte Erzählung. Die emotionale Komplexität geht hier vor Schreckmomenten.
Phänomenale Kulisse und östliche Einflüsse
Bereits die Location sorgt für Grusel allerfeinster Klasse: Das verfallene viktorianische Landhaus zum Ende des ersten Weltkriegs ist riesig und lässt mit seiner prunkvollen Ausstattung mutmaßen, welche Lebensqualität hier einst genossen wurde. Das detailverliebte Produktionsdesign spiegelt sich in Equipment wie Kostümen wider, kommt aber auch bei anderen Schauwerten zum Einsatz: So manches Motiv könnte auch aus asiatischen Horrorfilmen stammen. Besonders die ästhetischen Wasserszenen sind ein echter Augenschmaus. Die effektvolle Inszenierung sorgt nicht selten dafür, dass die Geschichte und insbesondere die Spannung in den Hintergrund rücken und Platz schaffen für die Figuren, die partout nicht vernachlässigt werden wollen. The Lodgers setzt vor allem auf neue Gesichter, mit Ausnahme von Eugene Simon, der einem breiten Publikum als Lancel Lannister in Game of Thrones bekannt wurde. Ob der Zuschauer mit den drei Hauptfiguren mitfiebern kann, hängt allerdings auch von dessen persönlicher Akzeptanz ab: Wer dem Geheimnis des viktorianischen Anwesens auf den wortwörtlichen Grund gehen möchte, muss ein wenig Geduld mitbringen und wird gebührend belohnt. Wer in hohem Tempo mitgerissen werden will, könnte sich in der einen oder anderen Länge der Handlung elangweilen. Doch egal, wie das Urteil ausfällt, die liebevolle Inszenierung begeistert in jedem Fall.
Es ist schön, dass der reine Gothic-Grusel nicht ausgestorben ist, sondern mit seinem 2017er-Update in hoher visueller Qualität zurückkehrt. Das Familiengeheimnis mag reine Geschmackssache sein, doch ich konnte mich schnell in der dichten Atmosphäre der Lodgers einfinden. Die Anspannung der Zwillinge springt den Zuschauer förmlich an, und das unbequemen Leben innerhalb des Anwesens gibt Rätsel auf, die ergründet werden wollen. Ein kleines Highlight für jeden Anhänger lyrischer Spukgeschichten.
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Die Atmosphäre ist absolut top und ich vergebe volle Punktzahl für Kulissen und Effekte. Das ist großartig! Die Auflösung dieses Fluchs ist auch interessant geraten und ich will das nicht zu schnell abtun. Es macht mir wenig aus, dass nicht jedes kleinste Detail des wie und warum geklärt wird. Da darf gern so ein Mysterium zurückbleiben und ich nehme die Regeln und Ereignisse als gegeben hin.
Aber für mich sind die Charaktere eine furchtbare Verschwendung und viel zu flach. Da muss heutzutage doch mehr rauszuholen sein. Einerseits scheint es sehr wichtig, dass der Erste Weltkrieg im Hintergrund schwelt. Sean hat sein Bein verloren, wird von den anderen Dorfbewohnern dumm angemacht, es gibt Konflikt und doch hilft seine Behinderung eine Brücke im Verständnis zu Rachel zu schlagen – aber auch nicht mehr. Und es wirkt so austauschbar. Und creepy Edward ist einfach durchgängig creepy und sonst gar nichts.
Del Toros Crimson’s Peak nimmt sich viele derselben Anleihen und schafft es dann noch, den Grusel auch wirklich durch die Charaktere zu erzählen. Da hätte das Drehbuch sich vielleicht ein jüngeres Beispiel dran nehmen können.
Aber ich habe nicht das Gefühl meine Zeit verschwendet zu haben und das ist ganz wichtig. Vor allem die Wassereffekte sind wirklich sehenswert, da kann ich nur zustimmen. Und ich kann mir die Figuren sogar noch blasser vorstellen und wie viel schlimmer der Film sein könnte.
Ich finde Crimson Peak ja unerträglich (langweilig), insofern gewinnt da fast jeder Film gegen, der auch nur ein annähernd ähnliches Setting hat. Bei The Lodgers kann ich deine Kritikpunkte gar nicht teilen, sofern ich das noch in Erinnerung habe (der Film steht noch eingepackt im Regal, wird demnächst aber ein zweites Mal gesichtet). Ich finde nicht, dass die Charaktere den Grusel tragen müssen, in dem Fall hier übernimmt die Geschichte das ja vollständig. Mehr dann, wenn ich den Film nochmal sehen konnte.
Den Grusel müssen die Charaktere nicht tragen. Aber wenn sich ein Fluch auf den (angeblichen) Entscheidungen zweier Personen aufbaut, dann muss da einfach mehr hintersitzen und die dürfen nicht so furchtbar lieblos bis beliebig eingearbeitet werden.