The Perfection
Das Genre Horror ist vollgestopft mit vielen Subkategorien, die jede individuelle Angst von Menschen abdecken. Manchmal langsam und subtil, manchmal mit der Brechstange und schockierenden Bildern. Und dann gibt es Filme, die die unterschiedlichen Erzählweisen vermischen. Ein paar eklige Körperausscheidungen, ein psychopathisches Lächeln bei den Figuren, ein Mysterium zwischen den Dialogzeilen, eine Kelle Blut und reales Trauma, das echte Menschen zum Äußersten treibt. Regisseur und mitverantwortlicher Drehbuchautor Richard Shepard (Mord und Margaritas) hat einen bunten Mix bekannter Tropes erstellt und lässt ihn bei Netflix als The Perfection auf den Zuschauer los. Aber wer ist die Zielgruppe?
Charlotte (Allison Williams, Get Out) war einst ein gefeiertes Wunderkind am Cello. Als ihre Mutter einen Schlaganfall erlitt, entschied Charlotte sich, sie zu pflegen und verließ ihren Mentor Anton Bachoff (Steven Weber, Tote Mädchen lügen nicht). Zehn Jahre später ist er in China auf der Suche nach neuem Talent für seine Akademie und präsentiert dabei seinen neuen Star – Lizzie (Logan Browning, Dear White People). Charlotte, die ihre Mutter grade beerdigt hat, kontaktiert Anton und reist ihm nach. Als sie auf Lizzie trifft, funkt es sofort zwischen den beiden. Sie spielen gemeinsam ein Duett, feiern die Nacht durch und landen miteinander im Bett. Für Lizzie steht zum ersten Mal seit langem Urlaub an und sie möchte eine Rucksacktour durch China wagen. Kurzerhand lädt sie Charlotte ein, bei ihr zu bleiben. Doch diese verfolgt ein ganz spezielles Ziel.
Ein zweischneidiger Aha-Effekt
Originaltitel | The Perfection |
Jahr | 2018 |
Land | USA |
Genre | Horror, Thriller |
Regisseur | Richard Shepard |
Cast | Charlotte: Allison Williams Lizzie: Logan Browning Anton: Steven Weber Paloma: Alaina Huffman |
Laufzeit | 90 Minuten |
FSK |
Der Trailer zu The Perfection beginnt direkt mit Lizzies körperlichem und psychischem Zusammenbruch, inklusive erbrechen. Der Zuschauer darf ruhig wissen, dass es hier eklig zugeht und das nicht unbedingt mit Blut. Von Anfang an ist zudem klar, dass ein entscheidendes Stück von Charlottes Geschichte ausgeklammert wird. Einerseits steht sie im Mittelpunkt, hat eine anrührende persönliche Geschichte, gibt ihre Begabung aus Pflichtgefühl auf und braucht nun eine neue Aufgabe im Leben. Andererseits deuten kleine Zwischenschnitte an, dass es in ihrem Inneren brodelt. Selbst eine Szene mit Elektroschocktherapie blitzt kurz auf. Misstrauen wird gesät. Aber obwohl der Trailer sowie die ersten Minuten des Films schon ein ziemlich genaues Bild von dem zeichnen, was man hier erwarten darf und soll, hält The Perfection einen Trumpf in der Hinterhand. Das Ende verrät ein kleines Detail, das die ganze Geschichte in ein neues Licht taucht. Kleine Hinweise sind wunderbar gelegt, um den Twist nicht aus dem Nichts auf den Tisch zu knallen. Aber ein ernstes Thema wird so profan genutzt, dass es bei dem ein oder anderen eher Frust auslösen könnte. Und damit bugsiert sich The Perfection in eine Zwickmühle. Das Ende vorwegzunehmen, ließe die Spannung vollkommen zerbröckeln. Jeden halbwegs interessierten Horrorfan blind ins Messer laufen zu lassen, kann aber Publikum anlocken, das lieber ferngeblieben wäre. Ein Spoiler als Warnung:
Überzeugende Hauptfiguren
Allison Williams und Logan Browning harmonieren perfekt miteinander. Die Chemie zwischen Charlotte und Lizzie stimmt vom ersten Kennenlernen an sofort und daraus zieht The Perfection einen großen Teil der Unterhaltung. Sie spielen ein Cello-Duett, das zur Untermalung einer ausgelassenen Liebesnacht wird und man kann ihnen einfach nichts Böses wünschen. Aber Allison Williams ist Horrorfans am besten aus Jordan Peeles Get Out im Gedächtnis, wo sie schon bewiesen hat, dass sich ein zweiter Blick auf ihr Schauspiel lohnt. Charlottes noch so unschuldiges Benehmen wird vom findigen Zuschauer sofort hinterfragt. Ist es blanke Eifersucht auf Lizzies Erfolg? Gibt es ein tieferliegendes psychisches Problem? Hat Charlotte ihrer Mutter vielleicht etwas angetan? Während Williams den Film zu Beginn dominiert, wechselt die Perspektive und Browning trägt die Erzählung auf emotionaler Ebene. Lizzies Welt zerbricht auf bitterliche Art, was zu Verzweiflung und Wut führt. Das Schauspiel der beiden Hauptdarstellerinnen ist großes Kino. Während der Twist beim zweiten Ansehen nicht mehr für Spannung sorgen kann, bleibt ein interessantes Charakterbild bestehen. Leider sind 90 Minuten Spielzeit am Ende doch zu kurz, um tiefer auf die psychologischen Auswirkungen einzugehen. Obwohl The Perfection mit Rückblenden, gar mit zurückgespulten Szenen arbeitet, um auf frühere Details hinzuweisen, bleibt alles furchtbar gradlinig und oberflächlich.
Fazit
Es fällt mir schwer, einen entsprechenden Referenztitel zu nennen. Wenn ich alle Elemente zusammenzähle, wirkt The Perfection auf mich wie ein uneheliches Kind von Black Swan und American Mary. Aber ohne die psychologische Dichte des einen, noch die klinische Perversion des anderen.
© Netflix
Erstmal hatte ich einen großen Aha-Effekt. Wusste ich doch gleich, dass ich Allison Williams irgendwoher kenne. Dazu muss ich erwähnen, dass ich sie wunderschön und wahnsinnig hübsch finde (dieser entschlossene Blick, wow). Das lenkte schon in “Get Out” meine Aufmerksamkeit auf sie und bereits dort gefällt sie mir extrem gut. Sie beherrscht das liebenswerte Mädchen ebenso wie die Bitch und diese Wechsel stehen ihr unheimlich gut. Das kommt auch “The Perfection” zu Gute.
Jetzt aber zu diesem Film. Er wird in jeder der tausend Netflix-, Horror- und Filmgruppen, in denen ich so abhänge, ziemlich gefeiert. Da ist es schwer, davon unbeeindruckt zu werden. Hat man aber vor Augen, dass es Zuschauern oftmals gar nicht um Charaktere oder ein stimmiges Drehbuchgeht, sondern nur das Abfeiern eines Twistfeuerwerks (ich nenne es liebevoll den Riverdale-Effekt), dann ist mir auch klar, weshalb “The Perfection” so viele Sympathien entgegenspringen.
Was mich bei diesem Film hier besonders nervt: Er ist weder Fisch noch Fleisch. Was nicht heißt, dass ich eine entweder-oder-Entscheidung brauche. Aber das Gesamtbild, da kann ich mich dir nur anschließen, ist derart unstimmig und die Geschichte bis zum Ende derart zerfahren, dass man sich schon fragen muss, wie es von der Ausgangssituation zum finalen Produkt SO kommen konnte. Also wie entsteht ein solches Drehbuch? Wirkt, als habe man über ein Jahr hinweg immer wieder mal ein Stück daran geschrieben und dabei völlig die Ausgangssituation verloren.
Macht “The Perfection” Spaß? Ja! Ist der Film kurzweilig? Ja. Gibt es Twists? Ja. Mag ich die Figuren? Ja. Man kann sehr vieles positiv abhaken, aber am Ende bewerte ich eben doch mehr als nur die Summe aller Teile. Und da sieht es dann erschreckend auf, wenn nichts so richtig zusammengehalten wird.
In Erinnerung wird mir der Film für die extrem unangenehme Bus-Szene bleiben. Da bin ich zu empathisch und leide mit den Charakteren.