The Professor and the Madman
Wann habt ihr zuletzt ein Wörterbuch benutzt? Und habt ihr euch je gefragt, wer wohl auf die Idee kam, alle bekannten Begriffe in nur einem Buch zu vereinen? Antworten auf diese höchstwahrscheinlich niemals recherchierte Frage liefert The Professor and the Madman mit Mel Gibson in der Hauptrolle, welches sich rund um das Oxford English Dictionary dreht. Der als Biopic angelegte Film erzählt dabei die Geschichte zweier ungleicher Männer: einer ein Wissenschaftler, einer ein psychisch Kranker und obendrein Mörder. Fast abenteuerlicher als der Film selbst sind seine Produktionsumstände.
Das Oxford English Dictionary, kurz OED, zählt zu den bedeutendsten Nachschlagewerken der Welt. Ende der 1870er bringt der Wissenschaftler James Murray (Mel Gibson, Braveheart) das Wörterbuch heraus. Um diese Herausforderung zu stemmen, ist er auf die Mithilfe seiner Mitarbeiter angewiesen. Sein Anspruch ist es, Wörter aus allen sozialen Schichten abzubilden und nicht nur Fachbegriffe. Zu jenen Unterstützern gehört auch W.C. Minor (Sean Penn, Milk), welcher zu den tatkräftigsten Mitarbeitern zählt. Alleine 10.000 Einträge erhält er von ihm. Allerdings stammen sie aus dem Broadmoor Criminal Lunatic Asylum, einer Psychiatrie…
Was lange währt … wird nicht zwangsläufig gut
Originaltitel | The Professor and the Madman |
Jahr | 2019 |
Land | USA, Irland |
Genre | Biografie, Drama |
Regisseur | Farhad Safinia |
Cast | James Murray: Mel Gibson Dr. William Chester Minor: Sean Penn Eliza Merrett: Natalie Dormer Ada Murray: Jennifer Ehle Mr. Muncie: Eddie Marsan |
Laufzeit | 124 Minuten |
Simon Winchesters Romanvorlage The Surgeon Of Crowthorne wurde bereits 1998 veröffentlicht. Zunächst zeigte sich Mel Gibson an einer Adaption interessiert. Das erste Drehbuch von Todd Komarnicki und John Boorman wurde schließlich von Farhad Safinia (Apocalypto) überarbeitet, der dann auch die Rolle des Regisseurs übernahm. Als der Film schließlich 2016 zustande kam, wollte Gibson seinen Einfluss als Hauptdarsteller nutzen und orderte Nachdrehs an. Es kam zum Streit mit der Produktionsfirma, Gibson versuchte die Fertigstellung verhindern und die Angelegenheit landete vor Gericht. Gibson zog den Kürzeren und der Titel durfte schließlich im Mai 2019 erscheinen. Safinia tritt nun im Abspann unter dem Pseudonym P.B. Shemran als Co-Autor auf.
Charismatisches Hauptdarstellerduo
James und W.C. bilden eine Paarung voller Gegensätze. Und doch haben sie eines gemeinsam: Beide tragen neben ihrer Hauptaufgabe ein weiteres Bündel Gedanken mit sich. An der Performance von Mel Gibson gibt es nichts auszusetzen. Er spielt seinen Charakter voller Inbrunst und zeigt mit seinem schottischen Dialekt eine sanfte Seite von sich. Sean Penn muss hier ein ganz anderes Emotionsspektrum aufweisen. Es existiert eine Szene, in der körperliche Qualen im Vordergrund stehen, und er beeindruckt, indem er sich die Seele aus dem Leib schreit. Diese Szene allein reichte übrigens bereits für ein R-Rating aus und besitzt einen gewissen Überraschungseffekt (wenngleich den einzigen). Die Dritte im Bunde ist Natalie Dormer, deren Rolle die einer energischen und aufbrausenden Witwe ist. Sie liefert alles ab, was die Rolle erfordert, drehbuchbedingt ist hier nicht Platz für mehr.
Viel Drama im viktorianischen Oxford
The Professor and the Madman ist alles andere als ein einfacher Film. Die Prämisse klingt ungewöhnlich (und auch etwas reißerisch). Dieses Versprechen löst der Film allerdings nicht ein. Die Handlung wird stockend erzählt und kommt nur in ganz kleinen Schritten voran. So vergeht auch erst einmal die Hälfte der ohnehin mit 124 Minuten nicht geringen Spielzeit, bis sich die beiden großen Schauspieler überhaupt erst einmal treffen. Ist es dann soweit, rückt die ursprüngliche Idee in den Hintergrund. Denn während die Figur James ihren Teil bereits einlöst, gibt es über den zweiten Hauptcharakter W.C. noch viel zu erfahren. Und darauf steuert der Film hin: Eine Aufarbeitung des Mordes, den er einst beging. Denn er möchte sich von seinen Schulden freikaufen, indem er die Frau des Mannes, den er einst tötete, reich beschenkt. Nicht ganz unüblich bei einer solch heiklen Angelegenheit, aber darauf hat Eliza (Natalie Dormer, Game of Thrones) herzlich wenig Lust. Das Drama nimmt seinen Lauf. So recht wollen die Nebenstränge nicht überzeugen, dafür zieht das Drehbuch immerhin den ursprünglichen Gedanken konsequent durch.
Fazit
Irgendwo im letzten Drittel verliert sich The Professor and the Madman und es lässt sich nur schwer sagen, wie das Resultat mit Mel Gibsons Wunschänderungen ausgefallen wäre. Unterm stricht fühlt sich der Film wie ein typischer Oscar-Anwärter an – mit allen Stärken und Schwächen. Anspruchsvolle Geschichte mit ausgereiften Persönlichkeiten vs. langatmige Handlung mit schnell ausgereiztem Plot. Vor dem Hintergrund der Umstände, die die Produktion mit sich trug, wäre dies eine eigene Story wert.
© KSM