The Silence
2018 erschienen gleich zwei Horror-Hits, die ihre Qualitäten daraus beziehen, dass die Bedrohung unmittelbar mit einem Sinnesorgan in Verbindung steht. In dem finanziell herausragenden A Quiet Place mit Emily Blunt darf nicht laut gesprochen werden. In Netflix’ Erfolgsfilm Bird Box mit Sandra Bullock darf die Gefahr nicht gesehen werden, weshalb die Charaktere die meiste Zeit über mit Augenbinden umherlaufen. Mit The Silence steht ein Film an, der inhaltlich stärker an ersteren angelehnt ist und sich sicherlich häufiger anhören werden muss, nur eine Kopie zu sein. Dabei begannen die Dreharbeiten bereits 2017 und noch ehe A Quiet Place ein Kassenschlager wurde. Zur Hälfte von Netflix, zur Hälfte von Constantin Film produziert, erschien The Silence in den USA direkt auf dem Streamingdienst – deutsche Zuschauer hingegen müssen ein Kinoticket lösen, um den Horrorfilm von John R. Leonetti (Annabelle 2) sehen zu können.
Bei einem Tierversuch gelingt es einer Schar mutierter Fledermäuse zu entkommen. Angeregt durch einen starken parasitären Befall sind die Tiere besonders aggressiv und sind auf Töten aus. Da die mutierten Tiere die Bevölkerung angreifen, wird der Ausnahmezustand verhängt. Auf der Flucht ist auch die taube Teenagerin Ally (Kiernan Shipka, Chilling Adventures of Sabrina) mit ihrer Familie. Gemeinsam mit ihren Eltern Hugh (Stanley Tucci, The Hunger Games) und Kelly (Miranda Otto, ebenfalls Chilling Adventures of Sabrina) sowie ihrem Bruder Jude (Kyle Harrison Breitkopf, V-Wars) und Großmutter Lynn (Kate Trotter, Upside Down) mitsamt Hund versuchen sie per Auto zu fliehen. Doch die blinden Fledermäuse können ihre Beute per Gehör orten…
Unterschiede zu A Quiet Place
Originaltitel | The Silence |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Genre | Survival-Thriller |
Regisseur | John R. Leonetti |
Cast | Hugh Andrews: Stanley Tucci Ally Andrews: Kiernan Shipka Kelly Andrews: Miranda Otto Jude Andrews: Kate Trotter Lynn: Kate Trotter Glenn: John Corbett |
Laufzeit | 90 Minuten |
FSK |
John R. Leonetti fackelt nicht lange mit einer Einführung. Wozu auch? Per Nachrichtenschnipsel erfahren wir in kurzer Zeit die Rahmenbedingungen. Familie auf der Flucht, geräuschloses Vorgehen, aber kein Sichtschutz benötigt. Diese Faktoren kennt man aus A Quiet Place, nur mit dem großen Unterschied, dass die Welt in The Silence im Hier und Jetzt und nicht in einer bereits dahingerafften Zivilisation spielt. Auch ist die Familienkonstellation eine andere. Die beiden Kinder sind nicht betreuungspflichtig, sondern eigenständige Persönlichkeiten. Im Falle von Ally kommt eine Besonderheit hinzu, die sich allerdings geradezu anbietet: Ihre Gehörlosigkeit. Etwas, das dieser Film mit dem anderen teilt. Dadurch sind die Familien in beiden Fällen eine Kommunikation per Gebärdensprache gewohnt, was ihnen einen leichten Vorteil verschafft. Allerdings wird diese Eigenschaft auch nicht übermäßig ausgereizt, sodass hier und dort ein paar Situationen verschenkt werden, die sicherlich mehr als nur ein Vorwand gewesen wären. Funktionieren würde die Figur zweifelsohne auch ohne Behinderung, aber der Kontext wäre einfach nicht so stimmungsvoll ohne ein solches Handicap.
Clevere Protagonisten
Was allerdings für den Film spricht, ist die Charakterisierung seiner Figuren. Wir haben es hier nicht mit Familie Jedermann zu tun, die blind und hilflos von einem Unglück ins nächste stürzt. Die Andrews sind eine smarte Familie, welche situativ reagiert und dabei bedacht vorgeht.
Das Ziel? Tja…
Sprintet eine Geschichte ohne klar erkennbares Ziel los, benötigt sie schon bald einen Twist, um sich nicht totzulaufen. Der ist auch hier gegeben und soll verhindern, dass die Luft zu schnell raus ist. Soweit, so gut. Unstimmig wird es bei einer näheren Hinterfragung, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Ein Ziel gibt es nicht. Und damit tut sich auch das Drehbuch schwer, sodass in der zweiten Hälfte eine neue Gefahrenquelle gefunden werden muss, um genug Pfeffer in die Handlung zu bringen.
Eine trostlose Welt von jetzt auf gleich
Damit die Geschwindigkeit, in der aus der Welt ein trostloser Ort wird, umso stärker beeindrucken kann, sorgt Kameramann Michael Galbraith (Wish Upon) für trostlose Bilder. Entsättigte Farben und Graufilter stärken die bedrohliche Atmosphäre, und stets am Himmel herumschwirrende Fledermaushorden über menschenleeren Städten sorgen für Erinnerungen an Hitchcocks Die Vögel. So richtig spannend wird es allerdings trotz Abmischung aller stilistischen Mittel selten, da sich die Fledermausangriffe häufen und unsere Gruppe unter Dauerbeschuss steht. Das sorgt für mehr Tempo, nicht aber für mehr Spannungsmomente. Auch sorgen die Fledermäuse aus der Entfernung für mehr Unbehagen als aus der Nähe.
Fazit
The Silence wird sich einigen unbequemen Vergleichen zu A Quiet Place stellen müssen. Welcher ist nun der bessere Film? Das ist letztendlich eine Sache von Nuancen, da beide Produktionen ihre Stärken besitzen. Unterm Strich macht A Quiet Place den runderen Eindruck und ist spannender erzählt. The Silence kehrt den Survival-Aspekt stärker hervor und glänzt mit seinem Cast, verläuft sich im Laufe der Geschichte allerdings in einem Erzählstrang.