Tod auf dem Nil (2022)

Im Jahre 2017 löste Kenneth Branagh (Belfast) ein Zugticket für eine luxuriöse, aber auch blutige Reise im Orient-Express. Damit schenkte er dem Meisterdetektiv Hercule Poirot einen neuen filmischen Auftritt, der zwar gemischte Kritiken bekam, aber dennoch sein Geld einspielte. Seit dem 1. April wartet nun auf Disney+ ein weiterer Fall auf den Mann mit dem perfekt sitzenden Schnurrbart und das nach einigen Problemen. Corona-bedingte Verschiebungen, der Aufkauf von 20th Century Fox durch Disney und zu guter Letzt die Missbrauchsvorwürfe gegen Hauptdarsteller Armie Hammer – Tod auf dem Nil legte unter keinem guten Stern ab. Bleibt natürlich die Frage, ob sich das lange Warten lohnte oder die Handlung schnell im Sand verläuft und sich eine Fahrkarte als herausgeschmissenes Geld herausstellt! Wir verraten es in unserem Review! 

 

Während seines Urlaubes in Ägypten trifft Hercule Poirot (Kenneth Branagh) auf seinem Freund Bouc (Tom Bateman, Hard Powder), der ihn kurzerhand zu einer Hochzeit mitnimmt. Das Brautpaar besteht dabei aus der reichen und schönen Linnet (Gal Gadot, Wonder Woman) und dem gutaussehenden, aber armen Simon Doyle (Armie Hammer, Rebecca). Doch die Liebe verbindet die beiden, was natürlich nicht jeden begeistert. Vor allem Simons alte Flamme Jacqueline De Bellefort (Emma Mackey, Eiffel in Love) verfolgt die beiden auf Schritt und Tritt. Deswegen wendet sich das Paar Hilfe suchend an den Meisterdetektiv, der schnell einlenkt. Ein ernstes Gespräch mit der Verflossenen endet jedoch nicht befriedigend, weswegen die Hochzeitsgesellschaft spontan ihre Reise auf einem luxuriösen und nur für sie gemieteten Flussdampfer fortsetzt. Mit an Bord: Poirot, der am Ende nicht verhindern kann, dass die Braut eines Morgens tot in ihrem Bett gefunden wird.

Läuft eine Sanduhr spannender durch?

Originaltitel Death on the Nile
Jahr 2022
Land USA
Genre Krimi
Regie Kenneth Branagh
Cast Hercule Poirot: Kenneth Branagh
Linnet Ridgeway Doyle: Gal Gadot
Simon Doyle: Armie Hammer
Jacqueline de Bellefort: Emma Mackey
Bouc: Tom Bateman
Euphemia Bouc : Annette Bening
Rosalie Otterbourne: Letitia Wright
Salome Otterbourne: Sophie Okonedo
Dr. Linus Windlesham: Russell Brand
Andrew Katchadourian: Ali Fazal
Laufzeit 127 Minuten
FSK
Veröffentlichung: 1. April (Disney+) / 14. April (Heimkino)

Bis die gute Linnet ins Nilgras beißt, vergeht eine ganze Weile. Bis dahin säht die Handlung jede Menge Brotkrumen, wodurch wirklich jeder der Hochzeitsgäste ein Motiv besitzt. Allerdings sind einige davon so hauchdünn wie Japanpapier, weshalb von Anfang an in Tod auf dem Nil keine rechte Spannung aufkommen mag, zumal ein auffälliger Grund alle anderen überdeckt. Viel eher präsentiert sich ein bekanntes Mordkonstrukt und eine Handlung, die alle wichtigen Hinweise gefühlt mit einer Werbereklame anzeigt. Wirklich jeder Hobby-Sherlock … oh, pardon, jeder Hobby-Poirot und jede Hobby-Marple wird hier richtige Schlüsse ziehen. Vielleicht nicht bei allen weiteren Vorkommnissen, denn es bleibt nicht bei einer einzigen Leiche, aber doch ergibt sich am Ende ein stimmiges, wenn auch vorhersehbares Bild. Drehbuchschreiber Michael Green (Blade Runner 2049) ist dabei immerhin anzurechnen, dass er die vielen anfänglichen Zufälle noch passend begründet, wodurch er sich in diesem Punkt anerkennendes Nicken verdient.

Ein emotionaler Detektiv

Während der Mordfall nicht überzeugt, kann es doch die Leistung von Kenneth Branagh vor der Kamera, da er Poirot diesmal mit vielen weiteren Facetten ausstattet. Während er den Detektiv in Mord im Orient-Express als einen egozentrischen, pedantischen, aber auch humorvollen Mensch darstellt, sehen wir hier viel mehr von der tragischen Seite des Einzelgängers. Dafür beginnt der Film mit einer Szene aus dem Ersten Weltkrieg, in der ein junger, noch bartloser Mann sich dank seiner scharfen Beobachtungsgabe Ehre macht, aber doch nicht alles vollbringt. Passend zum großen übergeordneten Thema des Films – der Liebe – erfahren wir mehr von der traurigen Geschichte rund um dessen Verlobte. Davon erzählt Branagh mit so viel feinem Mienenspiel, dass es schlicht berührt. Im weiteren Verlauf gibt es ergreifende Szenen rund um den Meister der Deduktion, weshalb sich ein Anschauen des Titels lohnt.

Wenn schöne Bilder nicht alles retten können

Prunk und Protz – auch in Tod auf dem Nil bewegen wir uns in der damaligen High Society und schlürfen ebenfalls ein Glas teuren Champagner in der strahlenden Sonne Ägyptens. Dass wir das Gefühl haben, wirklich in der Zeit zurückzureisen, liegt an der hervorragenden Arbeit all jener, die sich um die passenden Kleider, Szenenbilder und all die anderen Details kümmerten. Beeindruckend ist dabei, dass das Team den „Tempel von Abu Simbel“ in der Nähe von London maßstabsgetreu für diesen Film nachbaute. Ebenfalls verbreiten die Szenen auf dem Schiff eine angenehme Urlaubsstimmung, bis eben der erste Schrei die Spannungskurve etwas anhebt. Neben der bildgewaltigen Sprache verdient aber auch der Soundtrack ein Lob, denn Komponist Patrick Doyle (Artemis Fowl) mischte unter den klassischen Stücken auch einen Hauch Moderne. Die Jazz-Nummern heben die Klangwelt aber in ganz andere Sphären. Tanzbare, kräftige Klänge mit frechen Texten erfüllen die Nachtluft über dem Nil.

Fazit

Tod auf dem Nil ist wie eine Pralinenschachtel: Nicht nur von außen sieht diese wunderschön aus, sondern auch von innen. Doch bei der Wahl der einzelnen Schokoladenstücke findet sich nicht immer etwas Geschmackvolles, sondern auch einiges, das sich nur als ernüchternd beschreiben lässt. Visuell überzeugt die Neuverfilmung mit all ihren liebevollen Details, den top gewählten Schauspielenden und der wunderbar abwechslungsreichen Musik. Wenn es jedoch um den großen Fall geht, so dümpelt dieser wie eine langweilige Bootstour über uns hinweg. Die viel zu offensichtlichen Beweistücke, die aufdringlichen Motive und dann die kaum vorhandenen überraschenden Wendungen sorgen einfach dafür, dass sich der Titel zäh anfühlt. Kenneth Branaghs Darstellung des Detektivs rettet zwar einiges, aber eben nicht alles. Schade, denn so sollten Krimifans um diesen Fall einen großen Bogen machen.

Zweite Meinung:

Kenneth Branagh verdient in seiner Doppelfunktion als Regisseur und Protagonist durchaus Anerkennung. Er gibt sich Mühe, Poirot weniger aggressiv zu zeichnen und dessen Geschichte in einem kräftigen Schwarzweiß-Prolog zu illustrieren. So bekommt man ein besseres Gefühl dafür, dass Poirots Intellekt seine Maske und sein Schutzschild ist. Die Figuren zu psychologisieren trifft den heutigen Zeitgeist, wenngleich dafür mehr als eine Stunde vergeht, bis es zum titelgebenden Mord kommt. Im Vergleich zum Vorgänger werden dieses Mal auch keine hanebüchenen Zufälle konstruiert, um die Beteiligten an einem Ort zusammen zu bringen. Der Cast hat sichtlich Spaß, dem delikaten Mörderspiel beizuwohnen, auch wenn es auffällt, wie wenig Gal Gadot schauspielerisch gefördert wird. Scheinbar reicht es aus, sie stets als Göttin zu inszenieren. Nach dem Mord hetzt die Geschichte schnell durch zur Auflösung, die sehr unbefriedigend ausfällt. Wirklich Geschmackssache ist die Videospiel-Ästhetik des Nils, die sichtlich am Computer entstand und bei der nur bedingt die Atmosphäre eines echten Nil-Trips aufkommt.

 

© Disney


Veröffentlichung: 14. April 2022

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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