Valentine – The Dark Avenger
Valentine. The Dark Avenger. Huch, da steckt ja “Avenger” drin. Parallelen zu Captain America – The First Avenger sind natürlich rein zufällig. Die Superheldin aus Indonesien ist allerdings nicht ganz aus der Luft gegriffen und fällt auch nicht ganz in die Kategorie “Me Too”-Produkt. Den wichtigsten Fakt vorweg: Hierbei handelt es sich natürlich nicht um einen Bestandteil des Marvel Cinematic Universe (MCU), sondern eine eigenständige Comic-Adaption aus Indonesien. Die bereits 2012 gezeichnete Vorlage erschien dort bei Skylar Comics. Unvermeidlich sind also zwei Dinge: Die Assoziation zu Thor und Co. sowie der anschließende Vergleich. Und aus letzterem geht Valentine keineswegs als Sieger hervor. Deutsche Zuschauer kamen auf dem Obscura Filmfest 2019 erstmals in die Gelegenheit, die indonesische Superheldin zu erleben. Im August 2020 machte sich Valentine schließlich auf zum Sturm auf die Heimkinos.
Jakarta. Die Hauptstadt Indonesiens ist der zweitgrößte Ballungsraum weltweit. Dort regieren Raub und Gewalt. Inmitten des Treibens lebt die junge Srimaya (Estelle Linden), von allen einfach nur Sri genannt, die von einer Schauspielkarriere träumt. Als die Kellnerin eines Tages den Filmregisseur Bono (Matthew Settle, In den Westen) und dessen Kumpel Wawan (Arie Dagienkz, Garasi) kennenlernt, die verzweifelt auf der Suche nach einer Darstellerin für ihren geplanten Superhelden-Film sind, kommt das eine zum anderen. Schnell finden die drei zusammen und mit Sri ist die richtige Darstellerin für die Rolle der Superheldin Valentine gefunden. Mit ihrem unvergleichlichen Kampfstil und ihrer Schönheit konnte sie sich qualifizieren. Nun sind einige Test-Shoots notwendig und passenderweise plant der Bösewicht Shadow mit seiner Girlgang gerade Größeres …
Avenger wider Willen
Wo Avenger draufsteht, ist nicht zwingend Avenger drin. Fairerweise muss man sagen, dass der Titelzusatz erst durch ein US-Release hinzugedichtet wurde, um dem Film im Zuge der Veröffentlichung von Avengers: Endgame auch einen Anteil des Kuchens zu sichern. In Indonesien erschien Valentine nämlich ganz ohne prätentiösen Zusatz, deshalb muss man fairerweise sagen, dass der Marketingtrick nur allzu berechnend wirkt und den Film sicherlich vorab schon einige Sympathien kosten wird. Streng betrachtet gehört Valentine allerdings noch immer zu den ersten Superheldinnen mit eigenem Film, lässt man Elektra einmal außen vor und berücksichtigt nur das ebenfalls 2017 erschienene Wonder Woman).
Martial Arts im Kostüm
Originaltitel | Valentine |
Jahr | 2017 |
Land | Indonesien |
Genre | Action |
Regisseur | Ubay Fox, Agus Pestol |
Cast | Srimaya: Estelle Linden Bono: Matthew Settle Wawan: Arie Dagienkz Shadow: Ahmad Affandy Sally: Mega Carefansa |
Laufzeit | 97 Minuten |
Veröffentlichung: 14. August 2020 |
“Superheld” ist ein Begriff, den man sich näher anschauen muss. Denn wo die meisten Superhelden entweder von besonderen Kräften und Fähigkeiten oder schlichtweg genug Kohle leben, ist Sri erst einmal einfach nur eine besonders starke Kämpferin. Sie beherrscht den Kampfstil Silat (ein aus The Raid und The Raid: Redemption bekannter Stil), der nicht nur von seiner schnellen Effektivität zehrt, sondern auch optisch schön anzusehen ist. Streng genommen haben wir es also mit einem Martial Arts-Titel zu tun, bei dem die Titelfigur verkleidet ist und sich für höhere Ziele (Sicherheit in der Stadt) einsetzt. Ihr Kostüm erfährt im Laufe des Films mehrere Änderungen, wobei die finale Version aussieht, als hätte man ein Hit Girl dazu gezwungen, DCs Arrow zu cosplayen. Grundsätzlich wirken die Kostüme eben alle nach Kostümen. Eine Herausforderung, die die wenigsten Superhelden-Titel meistern. Helden nach Helden und nicht nach Cosplayern oder Karnevalsjäcken aussehen zu lassen. Das gelingt in diesem Fall allerdings nicht und so wirkt auch die Girlgang nach Comic Convention-Ensemble. Allerdings muss zumindest lobend erwähnt werden, dass Valentine ohne selbstredend “taktisches” Dekolleté auskommt.
Es geht zur Sache
Das soll allerdings nicht ins Gewicht fallen: Verglichen mit US-Filmen haben wir es hier noch immer mit einer Low Budget-Produktion zu tun, wenngleich diese für Indonesien wieder überdurchschnittlich stark ausgestattet ist. Das Wichtigste: Auf choreografischer Ebene punktet Valentine. Die zahlreichen Kampfszenen sind stark eingefangen und bringen im Vergleich zu DC und Marvel mehr Rauheit mit. Die Kameraarbeit erweist sich als mitunter stärkster Trumpf, wenn Valentine während einer Verfolgungsjagd ihre Gegnerinnen zwischen zwei fahrenden SUVs bekämpft. Die Action ist schnell, gewalttätig und mitunter recht originell. Vielleicht der einzige Anspruch, den einige Zuschauer mitbringen werden, und die indonesische Produktion die ernsthafte Möglichkeit bekommt, Überzeugung zu leisten.
Lila Kostüm, farblose Heldin
Die größten Probleme sind im Plot zu finden. Erst einmal weiß die Geschichte gar nicht so recht, wohin. Die erste Hälfte dümpelt noch als Comedy-Rip-off eines Superhelden-Films vor sich hin. Die zweite Hälfte folgt dem populären Dark & Gritty-Konzept und versucht eine Dramatik zu steigern, die niemals aufgebaut wurde. Da bringt auch die Rivalität zu dem Superschurken Shadow (!) wenig, dessen Handlanger alle eine stärkere Präsenz besitzen als der Obermotz selbst, dessen Identität übrigens gemäß des Schurken-ABCs schnell zu entschlüsseln ist. Obwohl Sasku Aisyawara, Nabila Putri and Aliza Putri keine herausragenden Charaktere sind, stehlen sie ihrem Boss Shadow jede Präsenz. Bleibt noch Valentine. Obwohl es sich um eine Origin Story der dunklen Rächerin handelt, ist ihre Motivation sehr schnell heruntererzählt und lässt an schillernden Motiven vermissen. Regisseur Ubay Fox verpasst es, wichtige Charaktermomente zu setzen, sodass ausgerechnet Bono, die normalste Figur des Films, die meisten Facetten mitbringt.
Wir meinen das ernst
Desweiteren schleichen sich einige Regiefehler ein. Beispiele gefällig? In einer Szene radelt Valentine in einer hellgelben Jacke, nach einem Schnitt fehlt diese vollständig.
Fazit
Valentine – The Dark Avenger tritt eher in die Fußstapfen der russischen Guardians, als Marvel und DC Konkurrenz zu machen. Superhelden aus der dritten oder vierten Reihe, die das Krabbeln lernen und dabei viel zu viele typische Anfängerfehler begehen, weil die Regie der Überzeugung ist, dass Action alleine ausreicht, um massentauglich zu begeistern. Ein flotter Kampfstil und eine dynamische Kamera können für Kurzweiligkeit sorgen, nicht aber einen gesamten Film bis zum Ende tragen. Sicherlich kann und sollte man den mutigen Ansatz loben, die Kämpfe mit mehr Biss und gepfefferten Gewalteinlagen zu gestalten. Dafür bedarf es nicht zwangsweise eines Superhelden-Films.
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Seit dem 14. August 2020 im Handel erhältlich: