13 Assassins
Sieben Samurai reichen einfach nicht. 13 sollen es sein, um den sadistischen Fürsten Naritsugu zur Strecke zu bringen. Die Hochphase des Samuraifilms mit Akira Kurosawas Meisterwerk Die sieben Samurai an der Spitze lag in den 1950ern. Zu den größten Klassikern zählt auch 13 Assassins von Eiichi Kudo aus dem Jahr 1963. Die Handlung des Films basiert auf einer wahren Begebenheit im Japan der Vor-Meiji-Zeit. Jenem Klassiker zollt Japans Tausendsassa Takeshi Miike (Sukiyaki Western Django) in 13 Assassins Tribut, indem er den Film stilistisch neu erfindet. “Total Massacre!” sind die Worte einer Sexsklavin des Films, die dem Tode geweiht ist. Und dieser Ansage folgt der Regisseur. Herausgekommen ist eine sagenhafte Schlachtplatte zwischen kühner Kriegskunst und einem ausgeprägten Sinn für Humor.
Japan im Jahre 1844: Fürst Naritsugu (Goro Inagaki) blamiert seinen älteren Halbbruder Shogun zunehmend mit seinen sadistischen Eskapaden. Er lebt seine Sexualität frei aus, was ihn auch nicht vor Vergewaltigungen zurückschrecken lässt. Auch ermordet er aus einer Laune heraus die Bedienstetenfamilie eines Gastgebers mit Pfeil und Bogen. Eines Nachts vergewaltigt er in einem Gasthaus eine Frau, die sich anschließend das Leben nimmt und schlachtet deren Ehemann ab. Der Shogun kann das kaum noch mitansehen. Schließlich ist Naritsugu der Sohn eines angesehenen Samurais. Der Samurai Shinzaemon Shimada (Koji Yakusho) erhält den verdeckten Auftrag, eine Assassinentruppe zusammenzustellen, die Naritsugu umbringen soll. Dafür findet er zwölf Mitstreiter. Jetzt könnte alles so einfach sein wären da nicht die 200 Leibwächter des Fürsten …
Eine Neuauflage, die alles anders machen sollte
Originaltitel | Jusan-nin no shikaku |
Jahr | 2010 |
Land | Japan |
Genre | Historie, Action |
Regisseur | Takashi Miike |
Cast | Shinzaemon Shimada: Koji Yakusho Shinrokuro Shimada: Takayuki Yamada Koyata Kiga: Yusuke Iseya Heizo Sahara: Arata Furuta Yasokichi Hioki: Sosuke Takaoka Yahachi Horii: Koen Kondo Shojiro Ogura: Masataka Kubota |
Laufzeit | 141 Minuten |
FSK |
Takashi Miike zählt zu den umstrittensten Regisseuren unserer Zeit. Als er 1999 mit Audition und Dead or Alive gleich zwei moderne Klassiker erschuf, sahen viele in ihm Großes. Danach verlief die Karriere wie zuvor: in Kurven, immer zwischen Genie und Wahnsinn, aber stets extrem produktiv. Über 50 Filme zwischen 1991 und 2010, das muss man erst einmal nachmachen. Eine beachtliche Leistung, die einerseits zwar so manches Meisterwerk vorweisen kann, aber auch viele nihilistische Machwerke mit dem alleinigen Zweck des Blutvergießens. Kein Wunder, dass die Skepsis groß war, als ausgerechnet er ein Remake eines solchen Klassikers drehen sollte. Die ursprüngliche Absicht Miikes war die Wiederbelebung des “Chanbara”-Films. Dies ist die japanische Bezeichnung für Schwertkampffilme. Laut dem Regisseur haben in den Jahren zuvor viele Regisseure darin versagt, den Trend wieder aufleben zu lassen. Gescheiterte Remakes und fade Neuinterpretationen, die keine neue Welle auslösten. Die Schuld darin sah er entweder in unnötigen Liebesgeschichten, welche die Handlung verkitschten oder fehlerhaftem Kontext, der das ursprüngliche Wesen der Samurai entfremdete. Genau dies wollte er vermeiden.
Loyalität gegenüber dem Dienstherrn vs. moralisch richtiges Handeln
Der Geschichte zugrunde liegt ein Konflikt zwischen dem bösen Fürsten Naritsugu Matsudaira und dem Samurai Shimada Shinzaemon. Matsudaira ist der Halbbruder des Shoguns, und somit unantastbar. Diese Unantastbarkeit verspielt er durch seinen grausamen Umgang mit den Untergebenen, die er nach Belieben benutzt, quält und grausam verstümmelt. Anders als das Original beschäftigt sich Miikes 13 Assassins auch mit den Samurai, die dem Fürsten Naritsugu dienen. Vorrangig geht es hierbei um Hanbei (Masachika Ichimura), einen ehemaligen Trainingspartner von Shinzaemon (Koji Yakusho), welcher seines Zeichens Protagonist und Anführer der 13 Attentäter ist. Dass hierbei große Konflikte zwischenmenschlicher Art entstehen, erklärt sich von selbst. Das Dilemma, das der Kodex der Samurai mit sich bringt, findet im Drehbuch viel Beachtung. Ein Gesichtspunkt, welcher die Handlung in ein anderes Licht rückt, sofern man sich damit näher auskennt. Für alle anderen bleibt auch davon abgesehen eine fesselnde Geschichte über gesunden Menschenverstand, Zweifel, Loyalität und Treue. Sowie Zweifel an dem allem.
Klassischer Zweiphasenfilm
Die inhaltliche Zweiteilung ist klassischer Natur: 70 Minuten Auftrag, Wahl der Krieger, Training und Flashback. 45 Minuten Kampf. Storytechnische Anpassungen sind marginal und Takashi Miike muss nicht viel tun, schließlich sollen die Qualitäten des Klassikers von 1963 nicht verloren gehen. Ab der Hälfte des Films schlägt er dennoch einen eigenen Weg ein und merzt damit Fehler des Originals aus. Vor allem die schier endlose Schlachtszene der zweiten Hälfte ist der Grund für weitreichende Begeisterung. Hier tut sich ein wahrer Orkan des Gemetzels auf. Ja, 13 Assassins ist der Inbegriff des Metzelfilms. Eine Schlacht, welche man nicht so schnell vergisst. Insgesamt 13 voll ausgebildete Assassinen, gegen eine Übermacht von 200 stark bewaffneten Leibwächtern. Dabei geht es kreativ zu: Brennende Herdentiere werden durch die Stadt gejagt, Sprengstoff zerstört ganze Straßenzüge, Pfeilhagel und von Schwertkämpfen in Blut getränkte Böden. Mit Blut wird nicht gegeizt, aber auch nicht mit Szenen, die Zuschauer tief emotional aufwühlen: Vergewaltigungen und sadistische Spielchen des Fürsten. Szenen, die den Film in der Tat zu keinem Titel für Zartbesaitete machen. Bei einem Budget von 20 Millionen Dollar (was vor allem für einen japanischen Film äußerst hoch ist) überzeugt der Regisseur, dass er dieses gewinnbringend einzusetzen weiß.
Profilarme Figuren vs. Authentizität
Ein Manko des Films ist die fehlende Einführung der Charaktere. Bei einem solchen Großaufgebot an Figuren ist es natürlich unmöglich, allen gleichermaßen Profil zu verleihen. Deshalb ist es umso enttäuschender, dass viele der Herren allenfalls als Kanonenfutter herhalten müssen, ganz ohne unsere emotionale Teilhabe. Hier verselbstständigt sich der Film um Futter für Schaulustige abzuliefern. Dafür fällt jene Action allerdings auch authentisch aus: Hier wird eben nicht über Dächer gesprungen und hier werden keine akrobatischen Stunts gefeiert, sondern ins Fleisch geschnitten und gestorben. Überdrehtheit erwartet man hier vergebens.
Fazit
Takashi Miike gelingt die Gratwanderung zwischen Mainstream und Kunst. 13 Assassins ist schonungslos brutal und gleichermaßen auf seine Weise tiefsinnig. Schließlich befindet sich subtil eingebaut eine Menge Gesellschaftskritik, welche durch viele Gesten unterstrichen wird. Ohnehin wird die Glorifizierung kurz gehalten: Wenn ein Kämpfer mit irrem Blick nach dem nächsten Gegner hascht, hat das nichts Ehrbares. Es gibt hier nichts, was die Samurai wie in manch anderem Werk romantisiert. Das ausgedehnte und beinahe endlose, aber durchweg temporeich inszenierte Gemetzel ist ein Pflichttitel für alle, die sich auch nur annähernd für Samurai oder die Vor-Meiji-Zeit interessieren.
Zweite Meinung
In meinen Augen macht 13 Assassins nicht viel falsch. Im Grunde nimmt er sich zu Beginn zwar viel Zeit, das Objekt des Hasses mit all seinen Gräueltaten vorzustellen. Doch gerade das ist wichtig um beim Zuschauer dafür zu sorgen, dass er emotional vollständig auf Seiten von Shinzaemon Shimada steht. Gerade durch dieses einfache Sympathienspiel muss die Handlung auch nicht mit allzu vielen Wendungen gespickt sein, wie es hier der Fall ist. Für uns Zuschauer ist einzig und alleine wichtig, dass die Krieger Matsudaira Naritsugu zur Rechenschaft ziehen. Den einzigen großen Schwachpunkt den ich in dieser Geschichte wirklich finde ist, dass die 13 Samurai nicht alle wirklich sehr vertieft werden. Namen merken fällt mir sowieso schwer und wenn diese dann am Anfang im Schnelldurchlauf erwähnt werden, bedarf es bei mir schon eines mehrmaligen Anschauens des Titels, diese zu festigen. Immerhin: Den Namen des Anführers der Helden konnte ich mir dann doch schnell merken. Shinzaemon verkörpert im Grunde auch das Ehrenbild eines Samurai. Loyal, ehrenvoll und umsichtig wählt er seine Männer und seinen Plan. Daher steht die Frage umso dramatischer im Raum, ob er erfolgreich sein wird. Das fulminante Finale trifft bei mir voll ins Schwarze, denn mit Köpfchen wird hier die Übermacht nach und nach realistisch dezimiert. Was mir persönlich nur ein Rätsel bleibt, ist der Verbleib von Koyata.