Darkest Dungeon II

Darkest Dungeon aus dem Jahre 2016 ist Dungeon Crawler, Human Ressource Manager und Base Building in Einem; eine lovecraft’sche Ausgeburt der teuflischen RNG-Göttin; ein RPG der harten Kompromisse und unfairen Geschäfte. Es ist eines jener Indie-Spiele, die zwar ihre clunky Macken haben, aber dennoch von einer loyalen und aktiven Fan-Community geliebt werden. Im Mai 2023 brachte das Entwicklerstudio Red Hook Studios nach 1½ Jahren Early Access-Phase den Nachfolger Darkest Dungeon II heraus – und der ist in jeder Hinsicht anders geraten. Kein Dungeon Crawler mehr, sondern ein echtes Rogue-like. Ist der Genrewechsel gelungen? Oder sollte es lieber ganz im Sinne von Darkest Dungeon heißen: »Back to the pit«?

   

»Stell dich deinem Versagen!« Mit diesem Worten zerrt uns der Erzähler (gesprochen von Wayne June) aus unserem heruntergekommenen Haus, damit wir die Welt, die im Sterben liegt, vor ihrem Schicksal bewahren. Aber warum wir? Nun, irgendwas haben wir wohl verbrochen, denn es gilt fünf Beichten abzulegen. Dazu müssen wir den fernen Berg am Horizont erreichen, doch die Reise dorthin wird nicht leicht. Deswegen rekrutieren wir vier fehlerbehaftete Antihelden, die für uns in einer klapprigen Kutsche durch das sterbende Land brettern und gegen allerlei lovecraft’sche Scheusale kämpfen. Aufgeben ist keine Option. Denn unser Trupp ist der Träger der Fackel – dieses letzten Bisschens Licht, das die einzige Chance auf Erlösung birgt.

Alte Freunde, neue Freundin

Originaltitel Darkest Dungeon II
Jahr 2023
Plattform Microsoft Windows, PlayStation 4, Xbox One
Genre Rogue-like, RPG
Entwickler Red Hook Studios
Publisher Red Hook Studios
Spieler 1
USK keine Angabe
Veröffentlichung: Mai 2023

In Darkest Dungeon II retten wir mit einem Trupp verdammter Versager die Welt vor dem lovecraft’schen Ruin. Dazu beginnen wir unsere Reise in gewohnter Rogue-like-Manier an der immer gleichen Stelle, der sogenannten »Weggabelung«. Hier picken wir unsere vier Antihelden heraus, mit denen wir in einer Kutsche zum Berg brettern wollen. DDII hält elf spielbare Klassen bereit (plus eine Sonderklasse, die man für eine kurze Zeit der Strecke anheuern kann). Zehn davon sind aus dem Vorgänger wohlbekannt, darunter auch die berserkende Barbarin oder der starke, aber blinde Aussätzige, die vor allem für schadensorientierte Spieler:innen von Interesse sind. Wer lieber eine flexible Dancing-Party haben will, der schnappt sich Grabräuberin Audrey, Wegelagerer Dismas und den Narren Sarmenti. Eine Klasse ist gänzlich neu: die burschikose Ausreißerin Bonny, die in ihrer Rolle als Feuerteufel eine neue DoT-Eigenschaft mit ins Spiel bringt. Und auch der aus DDI bekannte Flagellant erhielt eine Generalüberholung, da er von Blutungs- auf Giftschaden umgesattelt hat – und nebenbei untot ist. Damit besitzt DDII vier Klassen weniger als DDI zum Zeitpunkt seines Releases. Es ist aber anzunehmen, dass zukünftige DLCs auch neue Klassen bereithalten werden.

Wertmarken für alle!

Dass sich Darkest Dungeon II so stark von seinem Vorgänger unterscheidet, war eine Entwicklung mit Ansage. Red Hook Studios wollte etwas Neues erschaffen – und das ist den Devs vollumfänglich gelungen. Unsere Helden gibt es nun in 3D, realistisch proportioniert und wundervoll animiert. Wenn der Okkultist Alhazred nach getaner Arbeit sein Messer mit einer Drehung zurück in die Scheide steckt, dann schaut das so smooth aus, dass man dahinschmelzen möchte. Das rundenbasierte Kampfsystem wurde beibehalten, setzt nun aber komplett auf »Tokens« (= Wertmarken). Das heißt, dass Eigenschaften wie »Präzision« oder »Ausweichfähigkeit« den Figuren nicht mehr angeboren sind, sondern als sichtbare Tokens erscheinen, sofern gewisse Bedingungen erfüllt sind. Ein Dodge-Token garantiert eine 50%ige Ausweichchance, während ein Crit-Token zu 100% einen kritischen Schlag garantiert. Aber nur, solange die Präzision nicht durch ein Blind-Token geschwächt wird. Die Herausforderung besteht also darin, unter Berücksichtigung aller eigenen und feindlichen Tokens den bestmöglichen Zug zu wählen. Das macht die Kämpfe in DDII insgesamt flotter, berechenbarer und durchaus spaßiger.

Dieser Weg … wird kein leichter sein

Die Geschichte von DDII besteht aus fünf Akten, an deren Ende wir uns jeweils einem grotesken Beichtboss stellen müssen. Nicht nur unser eigenes lyrisches Ich hat Schuld auf sich geladen. Auch unser Trupp muss sich den Fehlern aus seiner Vergangenheit stellen. Unser Weg führt uns durch bis zu fünf zufallsgenerierte Biome; mal brettern wir durch das Reich brennender Fanatiker, mal schlagen wir uns im Dickicht mit verrotenden Soldaten herum. Jedes Biom wird dabei von seinem ganz eigenen Boss dominiert, den wir zwar umfahren können, doch Fakt ist: Als Eintrittskarte zum Berg benötigen wir zwingend dessen Kopf, über kurz oder lang ist eine Konfrontation daher unvermeidlich. Der Weg über die Map will gut überlegt sein: Wollen wir zum Lazarett, auch wenn die Straße dorthin von einer feindlichen Barrikade versperrt ist? Vermeiden wir Konfrontationen, auch wenn wir dann keine Meisterpunkte für neue Skills bekommen? Wollen wir Gold sammeln oder lieber verhindern, dass unsere Fackel ausgeht? (je weniger Licht, desto höher die Schwierigkeit). Nicht zu vergessen, dass die Helden ihre ganz eigenen Präferenzen mitbringen, die bei (Nicht-)Erfüllung den Stresspegel beeinflussen. Denn Stress ist, wie auch schon beim Vorgänger, der Erbfeind. Bleibt der Stress niedrig, ist alles fein. Überschreitet er einen Grenzpunkt, erleiden die Helden einen Nervenzusammenbruch und die guten Beziehungen, die für einen Run kriegsentscheidend sein können, sind dahin.

Workspace Relationships

Was, wie? Unsere Helden pflegen Beziehungen? Ja, ein weiteres DDII-Ding. Während eines Runs verteilen die Helden untereinander »Dich mag ich«- und »Dich mag ich nicht«-Punkte, die beim Erreichen eines Gasthofes darüber bestimmen, ob und welche Art von Beziehungen entstehen. Wird es Liebe? Respekt? Missgunst? Neid? Im weiteren Verlauf des Runs finden die Beziehungen Ausdruck in Form von Reaktionen auf bestimmte Attacken. Zum Beispiel wird der Stress von Dismas verringert, wenn seine Lieblingsfreundin Audrey eine Pirouette dreht. Manchmal erhöht die Pestdoktorin in einem Anflug von Hoffnung sämtliche Resistenzen ihres aktuellen Best Buddys, und ein anderes Mal ist es der Aussätzige, der seinem Rivalen Sarmenti vor lauter Missgunst in den Rücken fällt. Das Beziehungssystem erfuhr während der Early Access-Phase die meiste Überarbeitung, da es in seiner ursprünglichen Version beinahe den gesamten Spielfluss zerstörte. Doch so, wie es sich jetzt gestaltet, wurde das System sehr fein ins Spielgeschehen integriert.

DDII is going rogue

Wer in DDI vor allem den Basenbau schätzte oder das Pflegen seiner Helden, wird in DDII enttäuscht. Die Basis ist verschwunden und auch die Helden bilden keine Konstanten mehr, da sie in der Form, wie sie an der Weggabelung erscheinen (mit all ihren zufälligen »Quirks« = Eigenheiten), nur für diesen Run existieren. Man kann also noch so viele Meisterpunkte in ihre Skills investieren: Beim nächsten Run sind die Skills wieder auf Null gesetzt. Damit gibt es in DDII keine lange, überdauernde Kampagne mehr. Stattdessen geht DDII voll auf »Rogue-like«. Welche Quirks und Krankheiten sich unsere Helden einfangen, welche kampfentscheidenden Items wir finden, über welche Zwischenbosse wir stolpern und welche glücksbringenden Haustiere wir im Gasthof erstehen können: Das alles liegt in den Händen der allmächtigen RNG-Göttin, die uns nach einem Run alles wieder nimmt. Es ist etwas schade, dass mit dem Verlust des Kader-Managements eine komplette Spielebene flöten geht und DDII damit an Tiefe verliert. Man entwickelt keine Beziehung mehr zu seinen Helden und sollten sie sterben, dann ist das auch egal.

Zu guter Letzt: Die Macken

Manchen Fans gefällt der neue Ansatz nicht. Und ja, vieles ist auch in DDII »clunky« geraten. Das Rogue-like-typische Progressionssystem etwa (Kerzen sammeln für permanente Verbesserungen) fühlt sich weit weniger belohnend und befriedigend an als etwa in Hades. Auch die Länge eines Runs kann man kritisieren. »Mal eben eine schnelle Session« ist nicht drin, denn ein Run ist geradezu abendfüllend. Das ist vor allem dann frustrierend, wenn man den Beichtboss studieren will, dafür aber erst einmal einen zweistündigen Gewaltmarsch hinter sich bringen muss, der dann auch noch auf den letzten Metern in die Hose geht. Alle Bosse sind im Grunde Puzzle-Bosse, die über einen bestimmten Mechanismus verfügen. Hat man den einmal raus, werden die wiederholten Konfrontationen eher zu stumpfer Arbeit, da es recht wenig Variation gibt (sackschwer bleiben die Bosse dennoch). Auch die Erklärungen der einzelnen Attacken hätte man besser designen können, gestalten sie sich doch gerade für Anfänger als komplett unübersichtlicher Wust aus Zahlen und Token-Symbolen. Und dann ist da noch diese Kutschfahrt, die zwar schmuck ausschaut, den Run aber auch eben in diese abenfüllende Länge zieht. Es stimmt also; Darkest Dungeon II hat seine Schwächen – aber die hat Darkest Dungeon ebenso.

Fazit

Ohne Zweifel ist Darkest Dungeon II unglaublich stilvoll. Die Effekte, das herausragende Voice Over von Wayne June, der Grafikstil; in seiner gesamten Präsentation ist DDII wirklich ein Sahnestückchen. Aber ist es auch ein gutes Game? Erst einmal kann ich den gewagten Schritt des Studios, einen Genrewechsel hinzulegen, nur respektieren. Auch wenn DDII als Rogue-like seine Macken besitzt, so hat es mich doch 66 Stunden lang in seiner Dopaminschleife gefangen halten können. Allerdings ist der Drang, unbedingt noch mehr Zeit darin investieren zu wollen, begrenzt – jetzt, da ich alle Klassen und Skills freigeschaltet und das Ende gesehen habe. Kein unbedingt gutes Zeichen für ein Rogue-like. Zwar ist das neue Token-basierte Kampfsystem flott und spaßig und die 3D-Ausgabe der Helden der feuchte Traum eines jeden Darkest Dungeon-Fans, dennoch werde ich auf lange Sicht wieder zum Vorgänger zurückkehren, da dessen Komplexität einen höheren Wiederspielwert erzeugt. Allerdings: Sobald für Darkest Dungeon II auch nur das kleinste DLC in Sicht ist, bin ich wieder am Start. Denn Darkest Dungeon is Love – always.

© Red Hook Studios

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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