God of War Ragnarök
2018 begeisterte Kratos samt Sohn in God of War Kritik und Spielerschaft gleichermaßen. Zwar war das PlayStation 4-Spiel keinesfalls das erste Abenteuer des griechischen Gottes, aber mit der Neuausrichtung zu einem Action-Adventure und dem neuen Setting rund um die nordische anstatt der griechischen Mythologie konnten viele neue Fans gewonnen werden. Umso heißer erwartet war God of War Ragnarök seit seiner Ankündigung 2020, das auch gleichzeitig das Finale um die Geschichte von Kratos und Atreus darstellt. Am 9. November 2022 war es so weit und der Kracher erschien sowohl für PlayStation 5 als auch die Vorgängerkonsole PlayStation 4. Lest in unserem Test, warum das Spiel von Entwicklerstudio Santa Monica den Vorgänger sogar noch einmal übertrumpft.
Drei Jahre nach Kratos’ und Atreus’ gemeinsamer Reise zum höchsten Gipfel Jötunheims hat der Fimbulwinter Midgard mit Schnee überzogen. Jener Fimbulwinter soll der Vorbote von Ragnarök, dem Ende aller Tage und Götter, sein.
Als dann Odin und Thor Kratos und Atreus einen Besuch abstatten, beginnt für Vater und Sohn das bisher größte Abenteuer, das das Schicksal mehrerer Welten maßgeblich prägen wird …
Zurück im Norden
Originaltitel | God of War Ragnarök |
Jahr | 2022 |
Plattform | PlayStation 4, PlayStation 5 |
Genre | Action-Adventure |
Entwickler | SIE Santa Monica Studio |
Publisher | Sony Interactive Entertainment |
Spieler | 1 |
USK | |
Veröffentlichung: 9. November 2022 |
God of War Ragnarök mag zwar einige Jahre nach dem ersten Teil der nordischen Saga spielen, fühlt sich aber dennoch sofort vertraut an. Schließlich geht die Handlung trotz des Zeitsprungs nahtlos weiter. So werden Kratos und Atreus direkt zu Beginn des Games von Freya attackiert. Einst eine enge Verbündete, ist sie nach dem Tod ihres Sohnes Baldur auf Rache aus, was eine direkte Konsequenz aus Kratos’ Tat im Vorgänger darstellt. Auch schwebt natürlich die Ermordung der beiden Söhne Thors als Unheilwolke über dem Vater-Sohn-Duo, sodass sich die beiden mehr als genug Feinde gemacht haben. Zum Unmut von Kratos, der sichtbar müde vom Kämpfen ist und sich durch die Ereignisse wieder an das erinnert, was er in seiner Heimat getan hat. Kurz gesagt: Er fürchtet wieder zu jenem Monster zu werden, das er doch hinter sich lassen wollte. Dieser Konflikt kommt in God of War Ragnarök umso mehr zu tragen und Kratos wird so als Charakter noch mehr Tiefe verliehen. In diesem Kontext sei erwähnt, dass man zwingend den Vorgänger gespielt haben sollte, da im Menü zwar eine schick inszenierte Kurzfassung der Handlung anschaubar ist, das aber natürlich wirklich nur das Gröbste zusammenfasst. Zu den alten Teilen werden zwar auch einige neue Referenzen gemacht (und Kratos’ Vergangenheit stellt einen wichtigen Teil seines inneren Konfliktes dar), aber letzten Endes dürften Spieler:innen, die erst mit God of War (2018) eingestiegen sind, keine Verständnisprobleme haben (und bei Bedarf tut es hier immer noch eine Rechereche auf YouTube oder im Internet).
Kratos und Atreus bleiben das Herzstück
Neben dem Gameplay selbst gehörte auch Atreus zu eine der wichtigsten Neuerungen des neuausgerichteten God of War, schließlich musste sich Kratos als nun alleinerziehender Vater um den Jungen kümmern. Besonders nahe standen sich Vater und Sohn zunächst aber nicht. Erst im Laufe des ersten Teils sind die beiden dann immer mehr zusammengewachsen und Kratos konnte eine enge Bindung zu seinem Sohn aufbauen. Auf diesem Fundament wird nun weiter aufgebaut und es ist schön zu sehen, wie sich die Beziehung nach den Strapazen des ersten Teiles verändert hat. Mit einem nun jugendlichen Atreus kommen aber natürlich auch neue Herausforderungen auf Kratos zu, erst recht, nachdem dieser in Jötenheim erfuhr, dass er ein gewisser “Loki” aus einer Prophezeiung sein soll. Atreus umtreibt die Frage nach seiner Identität und seiner Rolle in der Welt, er möchte helfen und versteht viele Ansichten seines Vaters nicht. Kratos umtreibt hingegen die Angst darum, dass seinem Sohn etwas zustoßen könnte. Erstaunlicherweise verkommt Atreus dadurch nie zu einem nervigen Teenager oder zieht gar die Handlung in eine klischeehafte Coming of Age-Geschichte herunter. Im Gegenteil, Atreus’ Charakterentwicklung und seine persönliche Reise sind derart eng mit der Hauptgeschichte verwoben, dass sich das alles wunderbar ergänzt. Ohnehin stellt die Hauptgeschichte selbst ein wahres Highlight dar, die mit dem Schicksal der neun Welten noch einmal um einiges größer und epischer ausfällt als die des ersten Teiles. Insbesondere die Wendungen sollte man sich keinesfalls spoilern lassen, da diese wirklich gut gemacht worden sind und tatsächlich eine große Überraschung darstellen. Ebenso wissen die emotionalen Szenen zu überzeugen, was eben nicht zuletzt daran liegt, dass einem als Spieler:innen die Charaktere und ihr Schicksal keinesfalls egal sind.
Eine großartige Riege an Charakteren
Apropos Charaktere: Neben unserem bärtigen Kriegsgott und seinem Sprössling begegnen wir auch weiteren vertrauten Gesichtern aus God of War. Mimir ist als Kopf an Kratos’ Gürtel immer mit dabei und gibt kluge Kommentare ab, während die Zwergenbrüder Sindri und Brok weiterhin als Freunde zur Seite stehen. Tatsächlich erhalten gerade Letztere noch einmal deutlich mehr Profil als im ersten Teil, sodass sie zwangsläufig noch mehr ans Herz wachsen. Insbesondere Sindri und Atreus haben eine große Vertrauensbasis zueinander aufgebaut, auch ganz ohne Kratos. Ebenso wird Freya als Figur stark ausgebaut, nicht zuletzt dadurch, dass wir noch jemand anderen aus ihrer Familie, der an dieser Stelle nicht näher genannt werden sollte, kennenlernen. Ohne zu viel vorweg zu nehmen, aber gerade die Dialoge zwischen Freya und Kratos entwickeln sich zu einem echten Highlight, da sie unfassbar gut geschrieben sind und vor allem eine echte Tiefe aufweisen. Dabei kommt auch Kratos’ Vergangenheit zur Sprache. Das hohe Niveau gilt allerdings grundsätzlich für die Interaktionen zwischen den Figuren, die sich einfach sehr organisch anfühlen. Natürlich kommen aber auch neue Charaktere hinzu, die allesamt gelungen charakterisiert werden und vor allem alles andere als flache Klischees darstellen. Gerade Atreus bekommt ein eigenes soziales Umfeld zugestanden, was betont, dass er immer selbstständiger wird.
Vertrautes Gameplay mit dem richtigen Biss
Am Gameplay hat sich erstaunlich wenig verändert. Gerade wer noch einmal God of War vor dem aktuellsten Teil einlegt, wird feststellen, dass etwa das Kampfsystem zu weiten Teilen identisch geblieben ist. So greifen wir primär auf die Leviathan-Axt und die Chaosklingen als Waffen zurück, wehren gegnerische Angriffe mit einem Schild ab und erhalten Unterstützung von einem Begleiter. Aber das soll kein Kritikpunkt sein. Im Gegenteil: Warum sollte man an einem gelungenen Gameplay bei einem direkten Nachfolger auch zu viel verändern? Zumal es durchaus Verbesserungen gibt, so können wir uns nun verschiedene Schilde als Ausrüstung herstellen und verbessern lassen. Im späteren Verlauf kommt dann noch deutlich mehr Abwechslung in die Kämpfe, was nicht zuletzt an einem von Fans bereits vermuteten Kniff liegt.
In jedem Falle sind die Kämpfe genauso wuchtig wie im Vorgänger, sodass Action-Fans voll auf ihre Kosten kommen. Denn das Metzeln durch Gegnerhorden macht einfach irre viel Spaß und ist sogar selbst auf dem ausgeglichenen Schwierigkeitsgrad sehr knackig. Zum Glück sind bei fünf Abstufungen in der Schwierigkeit aber für jeden Spielstil etwas dabei. Besonders schön ist, dass sich die Entwickler die Kritik an den sich häufig wiederholenden Gegnertypen zu Herzen genommen haben, sodass es in dem Bereich nun deutlich mehr Variationen gibt und auch die Anzahl an (optionalen) Bossen wurde hochgeschraubt. Vorbildlich!
Durch neun Welten
Wird nicht gekämpft, wird erkundet und gerätselt. Überall warten Schatztruhen darauf, geöffnet zu werden und Spieler:innen müssen wieder an einigen Stellen Umgebungsrätsel lösen. Allzu frustrierend dürften diese aber nicht ausfallen, da die Begleiter doch sehr ungeduldig sind und uns so gut es geht Hinweise geben. Diesmal dürfen wir alle neun Welten bereisen, die nicht abwechslungsreicher sein könnten. Egal ob das verschneite Midgard, das tropische Vanaheim oder das brodelnde Muspelheim – Für Abwechslung ist gesorgt, was nicht zuletzt auch an den fantastischen Nebenquests liegt. Neben der Hauptgeschichte gibt es nämlich zahlreiche Aufträge und Gefallen, wobei vor allem jene, die mit bekannten Figuren zutun haben, hervorstechen. Auf diese wird in der Regel innerhalb der regulären Handlung auch kurz aufmerksam gemacht, sodass sich das Verlassen des Pfades noch dazu sehr organisch anfühlt. Natürlich können diese auch problemlos nach der Hauptgeschichte angegangen werden, aber wir empfehlen, zumindest die Quests um liebgewonnene Charaktere direkt zu erledigen, da sie ungemein zur Atmosphäre und zum Ausbau der Charaktere beitragen. So kommen neben den 25 bis 30 Stunden für die Hauptgeschichte inklusive des Erkundens und der Nebenaktvitäten gerne noch einmal so viele Stunden dazu. Dadurch ist nach dem Abspann noch lange nicht Schluss, sondern es können noch viele weitere Stunden mit den Göttern verbracht werden.
Wunderschöne Optik, aber ohne großen Sprung
Ohne Frage: God of War Ragnarök sieht fantastisch aus. Die Charaktere zeigen eine deutliche und ausdrucksstarke Mimik, die Umgebung strotzt nur so vor Details und die Fahrten per Boot und Schlitten laden zum Staunen ein. Selbst das Fell der Wölfe sieht so kuschelig aus, dass man am liebsten durch den Bildschirm greifen möchte. Auch technisch läuft das Spiel butterweich. Die Übergänge zwischen Gameplay und Zwischensequenzen ist derart flüssig, dass man oft gar nicht merkt, dass jetzt wieder eine solche Sequenz folgt. Zudem gibt es keine Ladezeiten und auch nach einem Game Over kann man sich auf der PS5 direkt wieder ins Gefecht stürzen. Ein kleiner Wermutstropfen für PS5-Spieler:innen, die die Funktionen des Dualsense-Controllers besonders schätzen: Haptisches Feedback kommt zwar zum Einsatz, aber die adaptiven Trigger werden bis auf kleine Szenen nahezu gar nicht genutzt. Schade, denn gerade bei den Kämpfen hätte etwa ein spürbarer Rückstoß beim Zurückrufen der Axt sicher die Immersion gestärkt. Das ist letzten Endes aber Meckern auf hohem Niveau, denn das Spiel läuft flüssig, sieht großartig aus und lädt mehrfach dazu ein, einfach mal stehenzubleiben und die Kulisse zu bewundern. Nur sah eben auch der Vorgänger auf der PS4 schon richtig gut aus, sodass ein allzu großer “Wow”-Effekt zumeist doch ausbleibt. Trotzdem: Schon allein die Detailverliebtheit zeigt, wie viel Mühe in die Entwicklung geflossen ist. Wer etwa einmal Atreus auf die Kürbisse in Svartalfheim schießen lässt, stellt fest, dass diese tatsächlich allesamt zerspringen, obwohl es sich eigentlich nur um ein Detail der Kulisse handelt. Eine Verbesserung im Vergleich zum Vorgänger sind die zahlreichen Einstellungen zur Barrierefreiheit, die auch für Spieler:innen ohne Einschränkungen unbedingt einen Blick wert sind. So können für Mini-Bosse etwa Kontrollpunkte aktiviert werden, die es erlauben, dass man nach einem Tod dem zuvor bereits geschwächten Mini-Boss gegenübersteht anstatt einem bei voller Gesundheit. Auf die Ohren gibt es bei God of War Ragnarök einen beeindruckenden Soundtrack. Gerade die Bedeutung des melancholisch wie episch anmutenden “Blood Upon the Snow” von Bear McCreary und Hozier wird beim Abspielen während des Abspanns erst richtig deutlich.
Fazit
God of War Ragnarök präsentiert sich als absolut gelungenes Finale der nordischen Saga, das dabei selbst den sehr guten Vorgänger hinter sich lässt. Das liegt vor allem an den Variationen im Gameplay, seien es die nun sehr unterschiedlichen Gegner oder die im Verlauf der Geschichte neuen Möglichkeiten beim Kämpfen. Die große Stärke außerhalb des Gameplays bleiben die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander, insbesondere natürlich Kratos und Atreus, aber auch die anderen Figuren und ihre Dialoge sind ein wahrer Genuss. Die Geschichte stellt zudem einfach eine sinnige und spannende Erzählung dar, die das, was am Ende von Teil 1 enthüllt wurde, schlüssig weiterführt. Persönlich konnten mich die Geschichte, die Charaktere und die neun Welten absolut fesseln und an mehreren Stellen war ich in emotionalen Szenen so gerührt, dass ich gar kurz den Controller weglegen musste. Wer Teil 1 mochte, wird Teil 2 lieben und wer Action-Adventures mag, aber Kratos’ Abenteuer mit den nordischen Göttern noch nicht gespielt hat, sollte das unbedingt nachholen!
© Sony Interactive Entertainment
Veröffentlichung: 9. November 2022