Horizon Forbidden West
2017 war das PlayStation 4-Spiel Horizon Zero Dawn ein echter Überraschungshit, der sowohl die Kritik als auch zahlreiche Gamer absolut überzeugen konnte. Unerwartet war das vor allem deshalb, weil Entwickler Guerilla Games zuvor nicht gerade für Blockbuster-Titel bekannt war (eher für den Shooter Killzone). Aber diese Zeiten sind vorbei, denn nach dem grandiosen ersten Teil waren die Erwartungen an den Nachfolger astronomisch hoch. Am 18. Februar 2022 hatte das Warten ein Ende und das Action-Adventure Horizon Forbidden West entführte Spieler:innen erneut in die Welt von Heldin Aloy, in der primitive Stämme auf tödliche Maschinen treffen. Warum sich die Fortsetzung, die sowohl für die aktuelle PlayStation 5 als auch noch die PlayStation 4 erschien, keinesfalls hinter dem fantastischen ersten Teil verstecken muss, lest ihr in unserem Review.
Sechs Monate sind seit den Ereignissen aus Horizon Zero Dawn vergangen. In dieser Zeit suchte Aloy bereits verzweifelt nach einem Back-Up von GAIA, da ohne sie die Biosphäre einen Kollaps erleiden wird. Doch bis jetzt war Aloy nicht erfolgreich und die Zeit drängt. Da muss sie feststellen, dass HADES mitnichten zerstört wurde, sondern lediglich von Sylens entführt, der aus ihm Informationen herauspressen möchte. Verraten folgt Aloy den Koordinaten, die Sylens ihr zukommen lässt und bricht so in Richtung Westen auf. Tatsächlich gibt es bald handfeste Spuren für ein Back-Up, doch gleichzeitig verdichten sich die Hinweise, dass eine noch viel größere Bedrohung auf sie zukommt – womöglich jene, die das Ausrottungssignal vor 20 Jahren überhaupt erst ausgesendet hat …
Nahtloser Übergang
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Originaltitel | Horizon: Forbidden West |
Jahr | 2022 |
Plattform | PlayStation 4, PlayStation 5 |
Genre | Action-Adventure |
Entwickler | Guerrilla Games |
Publisher | Sony Interactive Entertainment |
Spieler | 1 |
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Veröffentlichung: 18. Februar 2022 |
Horizon Forbidden West knüpft nahtlos an den ersten Teil an, was den Übergang zwischen den Handlungen beider Spiele sehr flüssig erscheinen lässt. Das ergibt natürlich Sinn, immerhin war die Gefahr am Ende des ersten Teiles nicht bezwungen. Durch die Abwesenheit von GAIA und ihrer Unterfunktionen fehlt es schließlich noch immer an einer Lösung, um den Kollaps der aktuellen Biosphäre zu verhindern. Ebenso blieb offen, wer oder was das Ausrottungssignal damals sendete und was die Motivation dahinter war. Die Geschichte selbst wirkt hierbei durchdacht und schlüssig, denn vieles, was im zweiten Teil passiert, wurde bereits in Horizon Zero Dawn angedeutet. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass sich das Action-Adventure nur an diejenigen richtet, die den ersten Teil gezockt haben. Tatsächlich wird auch nur wenig Wert auf einen Recap gelegt, sodass sogar Spieler:innen, deren Abenteuer mit Teil 1 schon einige Jahre her ist, sich im Idealfall zuvor nochmal in eine Zusammenfassung einlesen sollten. Grundsätzlich ist die Story hierbei natürlich etwas weniger mysteriös als zuvor: Das Geheimnis um den Zustand der Welt und die Herkunft von Aloy ist schließlich gelöst. Aber auch diesmal wird an überraschenden, schockierenden Wendungen nicht gespart, die jedoch allesamt sinnvoll sind. Wer befürchtet, die Geschichte könnte weniger spannend sein, darf beruhigt sein, denn sie ist erneut fesselnd und ausgesprochen interessant. Am liebsten möchte man dabei den Controller gar nicht weglegen. Auch emotionale Höhepunkte wissen zu berühren. Die Hauptgeschichte nimmt hierbei eine Spielzeit von etwa 30 bis 40 Stunden in Anspruch, allerdings kommt mit den vielen anderen Möglichkeiten locker mindestens das Doppelte an Spielzeit dazu.
Überzeugende Charakterentwicklung
Heldin Aloy bekommt im Laufe der Handlung noch deutlich mehr Ecken und Kanten als es in Teil 1 ohnehin schon der Fall war. Das ist auch genau, was sie so authentisch macht: Aloy ist weit entfernt davon, perfekt zu sein. Sie hat nicht nur Probleme, Menschen an sich heran zu lassen, sondern kann durchaus verdammt unsensibel wirken, wenn es etwa um religiöse Traditionen oder Bräuche verschiedener Stämme geht. Das ergibt Sinn, schließlich weiß sie durch ihren Fokus genau Bescheid, was hinter all dem steckt. Noch dazu war es der religiöse Glaube des Nora-Stammes, der sie von Geburt an zur Ausgestoßenen machte. Das ändert aber natürlich nichts daran, dass sie immer noch sehr sympathisch ist und mit ihrem beißenden Sarkasmus keinesfalls eine langweilige Figur darstellt. Aloys persönliche Reise in Horizon Forbidden West ist damit eine, die vor allem darauf abzielt, ihre Einsamkeit zu überwinden und zu erkennen, dass sie nicht alle Verantwortung alleine tragen muss. Eine schwierige Einsicht, wenn man zur Rettung der Welt überhaupt erst geboren wurde. Aber auch die anderen Charaktere erhalten wieder viel Profil und sind schnell sympathisch. Neben wiederkehrenden Figuren wie Varl oder Erend gehören dazu auch die Grabessängerin Zo oder der ehrenhafte Krieger Kotallo. Ambivalenter als je zuvor ist der geheimnisvolle Sylens, den man wohl entweder hasst oder liebt. Seine wahren Motive bleiben lange im Unklaren und selbst als diese klar werden, bleibt deutlich, dass er in kein klassisches Gut-böse-Schema passt. In einigen Nebenquests können ebenfalls alte Bekannte getroffen werden, darunter z.B. die Carja Talanah (bei der sogar innerhalb der Nebenmission die Geschichte des Comics fortgeführt wird, den man hierfür aber nicht gelesen haben muss). Es sind besonders die authentisch und rührend umgesetzten Bindungen zwischen den Figuren, partikulär Aloy und ihren Kameraden, die das Geschehen viel persönlicher machen als nur zu einer reinen Weltrettungsmission.
Beispielhaft faszinierendes Worldbuilding
Zu den besonders gelobten Aspekten des ersten Teils gehört das grandiose Worldbuildung, darunter die unfassbar lebendige Welt und die bis ins Detail durchdachte Hintergrundgeschichte. Dies wird nun weiter vertieft. So darf sich Aloy in den Ruinen des alten Las Vegas umsehen und lernt, was dort in den Jahren vor der totalen Vernichtung passiert ist. Auch können wieder zahlreiche Datenpunkte gefunden werden, die illustrieren, was in den letzten Jahren der alten Welt geschehen ist und wie sich die Menschen gefühlt haben. Auch Elisabet Sobeck erhält ein komplexeres Profil und spielt natürlich für Aloy selbst, die sie als Mutter und Vorbild ansieht, eine große Rolle, selbst wenn sie bereits seit einem Jahrtausend tot ist. Ebenso trifft sie im Verbotenen Westen Stämme wie etwa die kriegerischen Tenakth und die naturverbundenen Utaru. Diese werden wieder sehr detailreich und genau vorgestellt, sodass beide Stämme erneut eine faszinierende Kultur und eigene Traditionen aufweisen. So orientieren sich die Tenakth an den Hologrammen eines alten Kriegsmuseums, während die Utaru Maschinen haben, die sie beim Anbau von Lebensmitteln unterstützen und die als Landgötter verehrt werden. Unterstrichen wird das alles natürlich erneut durch zahlreiche Nebenquests, Aufträge und Aufgaben. Diese sind allesamt wieder sehr gelungen und gerade die Nebenquests derart gut umgesetzt, dass sie während der Hauptgeschichte nicht einmal aus dem Geschehen reißen. Im Gegenteil, es empfiehlt sich absolut, nicht alle Nebenaktivitäten auf das Post-Game zu schieben, da sie die Welt sinnvoll erweitern und den Charakteren mehr Komplexität verleihen. Weitere Aktivitäten sind etwa die zahlreichen Brutstätten, womit man dem Forschungsdrang freien Lauf lassen kann und lernt, neue Maschinen zu überbrücken. Auch die Rebellenlager kehren zurück und erlauben diesmal einen individuelleren Spielstil, bei dem nicht zwangsweise alle Rebellen getötet werden müssen, sondern alternative Methoden möglich sind. Auch Sammelaufgaben und kleine Aktivitäten wie das Kochen oder das Absolvieren von Jagdgebieten machen deutlich, dass man hier dutzende Stunden reinstecken kann.
Fesselndes Gameplay mit überwältigenden Möglichkeiten
Am grundsätzlichen Gameplay hat sich nicht viel verändert, denn erneut besteht dieses aus Kämpfen gegen allerhand Maschinen wie auch menschliche Gegner, aber ebenso dem Erkunden der großen Open World. Bei den Maschinen sind neue Modelle wie etwa der mächtige Bebenzahn hinzugekommen und auch das Waffenrad bietet durch die vielen Waffen deutlich mehr Möglichkeiten. Diese sind zwar toll und laden zu ausgeklügelten Strategien ein, aber wirken fast schon wie zu viel des Guten. Schließlich braucht wohl niemand ein Dutzend verschiedener Ausführungen des fast gleichen Bogens. Dennoch: Die Kämpfe gegen die Maschinen sind erneut ein echtes Highlight, was auch an der tollen Inszenierung liegt. Aber gerade Aloys verschiedenes Waffen- und Angriffsarsenal sorgt hierbei für eine Menge Spaß: Es können wieder einmal Fallen gestellt, mit Pfeil und Bogen angegriffen, mit dem Speer attackiert und vieles mehr getan werden, um den mächtigen Gegnern das Leben schwer zu machen. Durch den Scan mittels Fokus können die Schwächen der Gegner identifiziert und gezielt angegriffen werden. Schade ist nur, dass Aloy immer noch nicht blocken, sondern nur mittels Rolle ausweichen kann. Der Kampf gegen menschliche Gegner ist innerhalb der Handlung häufiger geworden, stellt aber natürlich nicht gerade ein Alleinstellungsmerkmal dar. Dafür besitzen diese Gegner neue, mächtige Methoden um ein deutlich durchdachteres Vorgehen zu erfordern. Aloys Erkundung durch die Welt wird hingegen durch eine Tauchmaske und einen Schildflügel noch deutlich interessanter. Mithilfe der Tauchmaske können längere Missionen unter Wasser ausgeführt werden und der Schildflügel ermöglicht es, bequem zu gleiten. Die Steuerung unter Wasser ist zwar etwas hakelig, aber die Umgebung sorgt für mehr Abwechslung und ist ein einzigartiges Erlebnis. Ohne zu viel zu verraten, darf auch gesagt werden, dass es sich lohnt, die verschiedenen Ortschaften der Map mehrfach zu besuchen und sei es nur, weil später ganz neue Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Die wohl beste Verbesserung ist so simpel wie genial: Aufgesammelte Ressourcen werden nun, sollte der Beutel voll sein, automatisch in das Lager teleportiert. Das ergibt zwar keinen Sinn, macht das Gameplay aber deutlich angenehmer, als wenn ständig der Platz ausgeht. Hier siegt der spielerische Komfort über den Realismus.
Ein atemberaubendes Erlebnis
Schon Teil 1 überzeugte mit einer starken Präsentation und etwa sehr variablen Mimiken der Figuren, aber Forbidden West hebt das alles auf eine neue Stufe. Diese ist auf der PS5 natürlich deutlicher als auf der angestaubten PS4, aber auch Letztere macht einen überraschenden Sprung nach vorne und präsentiert eine unfassbar detailreiche, wunderschöne Grafik, die dafür sorgt, dass man als Spieler:in in diese Welt sofort eintaucht. Diese wirkt durch die fantastische Flora und Fauna, die vielen umherziehenden Tiere und den verschiedenen NPCs, die sogar auf Aloy reagieren, schlicht sehr lebendig. Der Verbotene Westen bzw. die neue Map ist dabei noch vielseitiger als schon in Horizon Zero Dawn und bietet viel Abwechslung: Neben Schneelandschaften, Grünflächen und Bergen gibt es noch staubige Wüsten und sandige Strände zum Erkunden. Selbst die Ladezeiten sind auch auf der alten Konsole angenehm kurz. Die zahlreichen Zwischensequenzen sind allesamt wunderschön anzusehen und gehen nahtlos in das Geschehen über, es gibt also keine Ladezeiten dazwischen. Besonders beeindruckend sehen aber gerade die Kämpfe gegen die Maschinen aus, auch wenn dabei die Kamera bei aller Action manchmal derart chaotisch wirken kann, als habe sie zu tief ins Glas geschaut. Das ist einerseits cool und sorgt für größeren Nervenkitzel, wird aber sicher nicht jedem gefallen. Aber wer wenig Lust auf herausfordernde Gefechte hat, kann ohnehin ebenso einfach den Schwierigkeitsgrad anpassen, der von „Story“ bis „sehr schwer“ reicht, aber auch eine individuelle Einstellung ermöglicht. Ein besonderes Highlight ist der Soundtrack, gerade der Titelsong „In The Flood“ ist nicht nur ein echter Ohrwurm, sondern passt extrem gut zu der erzählten Geschichte. Das wird gerade nach dem Abspann klar, in dem eine weitere Variante dieses Songs eingesetzt wird. Aber auch der restliche Soundtrack überzeugt mit mystischen Klängen, ebenso wie mit packenden und emotionalen Tracks.
Fazit
Horizon Forbidden West steht dem ersten Teil keinesfalls nach, denn das Game bietet erneut ein abwechslungsreiches Gameplay, eine mitreißende Geschichte und einen tollen Charakter-Cast. Dazu kommt noch die wunderschöne Präsentation, die es erlaubt, stark in diese faszinierende Welt einzutauchen, bei der man aus dem Staunen kaum heraus kommt. Vor allem die nahtlose Fortführung der Geschichte und der weitere Ausbau der Hintergrundgeschichte um die Zeit vor und während Projekt Zero Dawn machen aus der Horizon-Welt eine, die wirklich nur als Vorbild betrachtet werden kann. Persönlich gehört Teil 1 zu meinen absoluten absoluten Lieblingsspielen und dementsprechend groß waren die Erwartungen an Horizon Forbidden West, aber ich bin alles andere als enttäuscht worden. Ich war sehr schnell einfach nur wieder begeistert von der Kombination aus spannender Geschichte, actionreichem Gameplay und Erkundungen. Besonders ans Herz gewachsen sind mir die Figuren. Gerade Aloys authentischer Charakter sowie ihre interessante Charakterentwicklung machen aus ihr eine der besten Protagonistinnen der jüngeren Videospiel-Geschichte. Wer Teil 1 mochte, wird also auch mit der Fortsetzung nichts falsch machen. Und wer noch nicht in die Welt eingetaucht ist, sollte als Fan faszinierender Open World-Spiele mit starker Geschichte und variablem Gameplay sowieso spätestens jetzt einsteigen!
© Sony Interactive Entertainment
Veröffentlichung: 18. Februar 2022