Horizon Zero Dawn
Der lange Zeit des playstation-exklusiven Spieletitels Horizon Zero Dawn darf wohl als eines der größten Ausrufezeichen gelten, das auf der vierten Sony-Konsole gesetzt wurde. Während sich das Sequel um Maschinenjägerin Aloy Horizon Forbidden West auf der Playstation 5 daran macht, in die nicht gerade kleinen Fußstapfen zu treten, bietet sich die Gelegenheit, noch einmal auf die Complete Edition des ersten Teils vom niederländischen Entwicklerstudio Guerilla Games zurückzublicken, welches 2017 auf den Markt kam.
In einer fernen Zukunft scheint die Entwicklung der Menschheit eine unerwartete Wendung genommen zu haben. Abseits der zu Ruinen zerfallenen Metropolen lebt man wieder in Stammesgemeinschaften, die technologisch nicht viel weiter sind als im Steinzeitalter und welche die Bauwerke und Hinterlassenschaften der untergegangenen Zivilisation aus abergläubischen Regeln heraus meiden. Zugleich bevölkern neben Tieren jedoch auch tierähnliche Maschinen die Landschaft, die etwa von dem Stamm der Nora für nützliche Bauteile mit Pfeil und Bogen gejagt werden. Außerhalb der Nora-Siedlungen wächst Aloy als Ausgestoßene auf und wird von ihrem Ziehvater Rost mit allen nötigen Fähigkeiten ausgestattet, in der Wildnis zu überleben. Dies wird immer schwieriger, denn waren die Maschinen einst friedfertig, sind sie in den letzten Jahren immer feindseliger gegenüber Menschen geworden und immer tödlichere neue Arten aufgetaucht. Warum Aloy zudem bereits als Säugling vom Stamm ins Exil an Rost übergeben wurde, weiß sie nicht, genauso wenig wer ihre leibliche Mutter ist. Ein anstehendes festliches Prüfungsritual, in dem sich Aloy genauso wie alle jungen Nora des Stammes als Kriegerin beweisen und einen Platz in der Stammeshierarchie erringen kann, bietet die Gelegenheit, auf diese Fragen Antworten zu bekommen – vorausgesetzt Aloy beendet den Wettbewerb als erste. Doch bei den Feierlichkeiten kommt es zu einen Angriff durch einen mysteriösen Kult aus dem Nachbargebiet der Carja. Als Folge führt Aloys Weg bald über die Grenzen des Nora-Gebietes hinaus in fremde Länder und in die nicht gänzlich toten Tiefen der einstigen Hochkultur der Alten.
Into the unknown
Originaltitel | Horizon: Zero Dawn |
Jahr | 2017 |
Plattform | Playstation 4, PC |
Genre | Action-Adventure |
Entwickler | Guerrilla Games |
Publisher | Sony Interactive Entertainment |
Spieler | 1 |
USK | |
Veröffentlichung: 6. Dezember 2017 |
Aloys Frage nach der eigenen Herkunft ist dabei der persönliche Antrieb der Protagonistin und letztlich auch eng verwoben mit dem Schicksal der Menschheit, da sie als Säugling vor den versiegelten Türen eines Bunkers gefunden wurde, welchen die Nora als Göttin verehren. Von da an nimmt sie die Fährte nach ihrem Ursprung auf und die Spieler dürfen dabei zugleich mit Aloy aktiv das Mysterium zusammenpuzzeln, wie es zum Sturz der menschlichen Hochzivilisation gekommen ist und wo der wahre Kern hinter Stammesmythen rund um Metallteufel und sich ihnen entgegenstellende Gottheiten liegt. Zugleich verfolgt Aloy aber auch den für den Angriff auf die Nora verantwortlichen Kult, der davon besessen scheint, ebenfalls die verbotenen Ruinen zu erforschen und ausgegrabene ältere Maschinen unter seine Kontrolle zu bringen. Diese Spur führt die junge Jägerin in das die Sonne verehrende Königreich der Carja, das nach einer Gewaltherrschaft und einer erfolgreichen Rebellion dagegen nun unter einem reformfreudigen König in einer Umsturzphase und einen dahinköchelnden Bürgerkrieg mit den Überbleibseln der alten Führung steckt. Sich in diesem an Intrigen nicht armen, politischen Umfeld mit all seinen Blutfehden, Konterrevolutions- und Anschlagsplänen zu navigieren, bietet somit handlungstechnisch ein lebendiges und gegenwartsbezogenes Gegengewicht zu den Friedhöfen der alten Zivilisation. Aloy (im Englischen vertont von Ashly Burch, Spielefans bekannt als Chloe aus Life is Strange) überzeugt dabei als sympathische und einfallsreiche Protagonistin, die durch laut geäußerte Gedanken und später im Ferngespräch mit dem mysteriösen Sylens (Lance Reddick aus John Wick) auch indirekt mit den Spielern im Kontakt bleibt. Diese wiederum haben zu einem gewissen Maß durch Gesprächsoptionen Einfluss auf Aloys Verhalten und ob diese mitfühlend, logisch denkend oder unfreundlich aggressiv mit ihren Mitmenschen umgeht. Zum einen also ein perfekter Avatar für die Spieler, zum anderen eine involvierende Hauptfigur, in einer rasch an Epik zunehmenden Geschichte.
Tinker Taylor Hunter Spy
Den Hauptteil des Spielerlebnisses macht dabei jedoch die offene und erforschbare Spielwelt von Horizon Zero Dawn aus. Wie es sich für Open World-Games gehört, ist diese natürlich extrem weitläufig, aber zudem auch angenehm abwechslungsreich. Es geht durch grüne Felder, Wälder, Berge, dichte Dschungel, Schneelandschaften, Wüsten, überwucherte Stadtruinen und neuentstandene Siedlungen. Dabei bieten ein Tag- und Nacht-Zyklus sowie unterschiedliche Wetterverhältnisse (Regen, Schnee, sogar Sandstürme) weitere Variationen. Auch lädt die Welt zum Entdecken ein, mit Begegnungen auf und abseits der Wege, die zu zahlreichen Miniquests weiterführen können oder durch zurückgebliebene Überreste von Kriegsgerät und gigantischen, oktopusähnlichen Maschinen, die leblos am Horizont liegen. Abseits von Landschaft und Flora, liegt dabei die spielerische Herausforderung in der mechanischen Fauna, die sich in allerlei, an Tiere angelehnten Formen zu Land, zu Wasser und in der Luft darbietet. Dabei liegt es am Spieler, ob man den Maschinen weiträumig ausweicht, sich an ihnen vorbeischleicht, sie mit einer erbeuteten Gerätschaft hackt und für die eigenen Zwecke einspannt oder die Roboterbestien jagt, was Erfahrung für den Ausbau von Aloys Fähigkeiten und Beute für den Kauf neuer Ausrüstungsgegenstände einbringt. Zur Verfügung steht dabei ein ganzes Arsenal unterschiedlicher Waffen: Bögen mit verschiedenen Pfeilen, Fallen, Granatschleudern oder für den Nahkampf auch ein Speer. So ist es sinnvoll und lohnenswert, seine Waffen und sein Vorgehen überlegt zu wählen und auch eine Rüstung, die den richtigen Schutz bietet. Horizon Zero Dawn bietet taktische Tiefe, aber zugleich auch die Heilmöglichkeiten und einfacheren Schwierigkeitsmodi manchmal auch nur blindlinks draufloszuschlagen oder das Weite zu suchen, wenn man sich doch übernommen hat.
Zukunft ist Vergangenheit
Abseits davon gilt es besonders in Abschnitten der Haupthandlung auch mal größere Gegnerscharen oder Bosskämpfe gegen maschinelle und menschliche Gegner zu gewinnen. Der zweite Schwerpunkt des Spiels liegt jedoch darin, unterirdische Anlagen der alten Zivilisation zu erkunden. Hier entfaltet Horizon Zero Dawn eine seltsame Grabräuberstimmung, während man durch dunkle Gänge, vorbei an schemenhaften Kadaverresten und ums Überleben flackernden Computern aus beschädigten Dokumenten, Audioausschnitten und Holoaufzeichnungen, die Ereignisse und bedrückende Stimmung vor dem Untergang der Zivilisation rekonstruiert. Das wird immer wieder aufgelockert durch kleine und einfach Rätsel oder Kletterpassagen, damit Spieler nicht plötzlich zwei Stunden lang nur damit beschäftigt sind, zu lesen oder sich Szenen anzuschauen. Horizon Zero Dawn bietet spielerisch somit sehr viel und vor allem sehr ausgewogene Abwechslung, ohne dabei Spielern diese unterschiedlichen Aspekte in einer Schwierigkeit oder einem Umfang aufzuzwingen, der einem unangenehm werden könnte.
The Good, the Good and the Good
Es gibt eigentlich wenig bis gar nichts, was man an Horizon Zero Dawn bemängeln könnte. Schönheitsfehler sind vielleicht Aloys Haar, das zwar frisurentechnisch jedem Haarkünstler mindestens ein anerkennendes Nicken und „Oho“ herauslocken müsste, dessen physikalische Eigenschaften in der Spielewelt aber gelegentlich ein Medusa-artiges Eigenleben entwickeln, was etwas irritierend sein kann. Genauso wirkt die Mimik der Figuren in Gesprächen manchmal sonderbar überaktiv und verursacht ähnliche Irritationen. In Sachen Gameplay wäre lediglich zu kritisieren, dass Kämpfe mit größeren Gegnern etwas unübersichtlich geraten können, wenn man diese als Spieler quasi im Gesicht hat, nachdem sie auf einen zugestürmt sind. Das ist zwar in der freien Wildnis seltener der Fall, aber umso ärgerlicher bei einigen Story-Missionen oder in unterirdischen Produktionsanlagen der Maschinen, wo einem dann letztlich der Platz ausgehen kann, sich zurückziehen. Zwischen bildschirmausfüllenden Gegnern und gegen die Wand ankämpfender Kamera kann dadurch alles kurzzeitig etwas furchtbar werden. Das ist jedoch ein Meckern auf höchstem Niveau. Weder Bugs noch irgendwelche Grafikfehler fallen auf, was bei Umfang und Inhalt der Spielewelt für die Gewissenhaftigkeit von Guerilla Games spricht, die insgesamt sechs Jahre in die Entwicklung gesteckt haben. Es ist fast schon erschreckend, wie fehlerarm das Spielerlebnis sonst ist und wie wundervoll die zu erkundende Welt aussieht. Wenn man seine Freizeit gerne mit Videospielen verbringt, kann man eigentlich nur seinen Hut vor einem derart gelungenen Ergebnis ziehen. Auf der 2020 für Steam erschienenen PC-Version gab es zu Anfang jedoch noch einige Mängel, besonders was die Neigung zu Abstürzen angeht. Neben den in Patches nachgereichten Modi (eine zusätzliche Schwierigkeitsstufe sowie die Möglichkeit zum New Game Plus) sowie allen DLCs beinhaltet die Complete Edition zudem die Erweiterung The Frozen Wilds. Hier wird in einer mehrere Stunden umfassenden Storyquest abseits des Hauptspiels ein zusätzliches Gebiet unter dem Einfluss des Stamms der Banuk erforschbar. The Frozen Wilds bietet dazu noch einmal mehr Hintergrundinformationen sowie neue Gegner, Rüstungen und einige durchschlagskräftigere Waffen.
Fazit
Eigentlich sind RPGs und andere Spiele mit einem narrativen Fokus mein Wohlfühlbereich. Action-Adventures ziehen mich auch immer wieder an, wenn Szenario oder Story locken, aber meistens gibt es dort dann immer wieder Aspekte, die mich schnell frusten, wie eine Spielemechanik, mit der ich nicht zurechtkomme oder aufgezwungene Rätsel-Spielchen, die nichts für mich sind. Das wundervolle an Horizon Zero Dawn ist, dass alles irgendwie passt, ein rundes Spielerlebnis bildet und man besonders in der offenen Welt auch nach den eigenen Präferenzen spielen kann. Keine Lust für die Maschinen extra Fallen zu stellen? Aus der Ferne die Scharfschützin zu machen, geht auch. Keine Lust sich durch ein Lager voller Kultisten zu schleichen? Sie alle umzubringen geht auch. Hinzu kommt, dass die offene Welt nicht einfach nur ein großes Areal ist, durch das man stapft, sondern dass diese Welt eine sicht- und spürbare Geschichte hat und dass diese Geschichte unheimlich neugierig macht. Immer wieder hatte ich den Drang stehenzubleiben und mich zu wundern, was hier denn passiert ist. Umso befriedigender sind dann die Erkundungen der Ruinen, um teilweise ziemlich schockierende Antworten darauf zu bekommen. So richtig lässt sich das auch keinem Genre zuschreiben. Horizon Zero Dawn spielt in der Zukunft und hat Hochtechnologie, die kollidiert aber mit steinzeitlichen Begebenheiten. Es gab zudem ein kataklystisches Ereignis, aber daraus ist weder eine Dystopie noch ein post-apokalyptisches Brachland entstanden, sondern eine neue und vor Leben blühende Welt. Das Spiel entfaltet dabei manchmal eine Atmosphäre, die ich schwer fassen oder beschreiben kann, aber ansatzweise vergleichbar ist mit der, die ich beim Besuch historischer Stätten erlebt habe: eine seltsam unheilvolle Ehrfurcht und der fühlbare Nachklang vom vergangenen Geschehen. Ich glaube dafür, dass es das Spiel schafft, bei mir so ein besonderes Gefühl hervorzurufen, liebe ich es am meisten.
© Sony Interactive Entertainment
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