Life is Strange 2

„Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“, so sagte es schon Spider-Mans Onkel Ben. Was aber, wenn derjenige mit der großen Kraft ein erst neunjähriger Junge ist, der mit seinem älteren Bruder auf der Flucht ist? Diese Frage beantwortet das im Episodenformat erschienene Adventure Life is Strange 2, der Nachfolger des 2015 veröffentlichten Life is Strange des Entwicklerteams Dontnod Entertainment. Am 3. Dezember 2019 erschien die finale fünfte Episode für PlayStation 4, Xbox One und PC. In der Rolle des Teenagers Sean Diaz liegt es in unserer Hand, wie sich der mit einer besonderen Kraft ausgestattete Daniel entwickelt.

 

Der 16-jährige Sean Diaz lebt mit seinem kleinen Bruder Daniel und seinem Vater in Seattle. Doch das glückliche Leben der Familie wird innerhalb weniger Stunden für immer verändert. Ein tragischer Zwischenfall zwingt die beiden Jungs, Seattle zu verlassen und fortan vor dem Gesetz zu fliehen. Sie versuchen nun, in Mexiko Puerto Lobos, die Heimatstadt ihres Vaters, zu erreichen. Der Beginn einer langen und beschwerlichen Reise …

Großer Bruder sein ist nicht leicht

Originaltitel Life Is Strange 2
Jahr 2019
Plattform PlayStation 4, Xbox One, PC
Genre Adventure
Entwickler Dontnod Entertainment
Publisher Square Enix
Spieler 1
USK

Der Spieler steuert Sean, der sein Bestes tut, um Daniel zu erziehen. Wie weit die beiden Jungen auf ihrer Flucht gehen, hängt dabei ganz vom Spieler ab. Diebstahl begehen, um in der Wildnis zu überleben? Ist das in Ordnung? Die Entscheidungen sind also auch für den Spieler moralisch ambivalent, was ein Pluspunkt ist. Diese sowie die Dialogoptionen müssen häufig unter Zeitdruck ausgewählt werden, womit die Dynamik erhalten bleibt. Auch fühlen sich Sean und Daniel sehr authentisch an. So ist Sean zunächst mit seiner neuen Rolle überfordert, denn war er gerade noch ein sorgloser Teenager, sieht er sich auf einmal als Hauptbezugsperson für Daniel. Daniel verhält sich teilweise aus Spielersicht nervig, trifft unkluge Entscheidungen oder widersetzt sich – ganz so wie es viele Kinder irgendwann mal tun. Dadurch wirken die beiden Jungs wie echte, greifbare Charaktere.

Ein ganz anderes Erlebnis

Da nicht Sean, sondern Daniel die übernatürlichen Kräfte hat, ist das Erlebnis noch einmal gänzlich anders als im ersten Teil Life is Strange. Zudem: Sind es dort Zeitreisekräfte, sind es nun eine Art telekinetischer Kräfte, mit denen Objekte bewegt werden können und die immer stärker werden. Als Spieler können wir Daniel um übernatürliche Hilfe bieten und ihm Anweisungen geben. Wie das aber so mit Kindern ist, wird er nicht immer auf seinen großen Bruder hören, je nachdem wie gut die Bindung zwischen den Brüdern ist, welche widerrum durch den Umgang des Spielers mit Daniel bestimmt wird. Spielerisch liegt der Fokus auf dem Erkunden der Umgebung und der Interaktion mit jener sowie den dortigen Personen. Life is Strange 2 ist ein storyfokussiertes Adventure, eine spielerische Herausforderung sollte also nicht erwartet werden.

Road-Trip-Feeling

Für Abwechslung sorgen die verschiedenen Schauplätze, denn die Flucht von Sean und Daniel, die sich in manch schönen Monaten aber auch einmal wie ein Road-Trip anfühlt, führt uns an viele Orte. In Episode 2 finden die Jungen Zuflucht bei ihren Großeltern mütterlicherseits, wodurch die Hintergrund- und Familiengeschichte beleuchtet wird. Dass Sean und Daniel präzise ausgearbeitete Charaktere sind, die dem Spieler schnell ans Herz wachsen, ist also unabstreitbar. Das führt jedoch auch zu einem Kritikpunkt, denn so interessant und sympathisch die zahlreichen Nebencharaktere sind, das tröstet nicht darüber hinweg, dass sie kaum viel Screentime haben und somit auch ziemlich blass bleiben. Das ist kein Vergleich zu den Nebencharakteren im ersten Teil. Es ist absolut verständlich, warum dem so ist, schließlich ziehen die Jungs umher, aber das fehlt einfach. Auch dass zwischen den Episoden mehrere Monate vergehen, kann dafür sorgen, dass Spieler das Gefühl haben, etwas verpasst zu haben. So sind Sean und Daniel in der letzten Episode schon längere Zeit in dem Aussteigerdörfchen ihrer Mutter und haben eine tiefe Bindung zu den Bewohnern aufgebaut, aber als Spieler verbringt man kaum zwei Spielstunden mit ihnen.

Gelungene Gesellschaftskritik

Wie schon im ersten Teil werden auch hier ernste Themen behandelt, darunter Diskrimierung, religiöser Fundamentalismus, Polizeigewalt und Rassismus. Mehr als einmal werden deutlich politische Töne mit einem Blick auf Trumps Einwanderungspolitik angeschlagen. Das mag nicht jedermanns Sache sein, gibt der Geschichte aber eine wirkliche Tiefe. Auch dass Sean und Daniel nicht immer moralisch korrekt handeln können, ist realistisch. Sie treffen falsche Entscheidungen, zum Teil mit drastischen Konsequenzen und mit weiterem Fortschritt wird auch immer klarer, dass es kein Friede-Freude-Eierkuchen-Ende geben kann und wird. Denn die beiden Jungs verstricken sich stetig mehr in illegale Aktivitäten, was das aber aus ihnen macht und ob sie selbst als Personen vom rechten Weg abkommen, ist allein dem Spieler überlassen. Der Cast ist zudem auf eine natürliche Weise sehr divers.

Verfeinerte Technik

Mit dem Umstieg auf die Unreal Engine 4 sieht Life is Strange 2 um Welten besser aus als das schon für damalige Verhältnisse grafisch eingerostete Life is Strange. Die Konturen sind deutlich klarer und schärfer, die Gesichter lassen mehr Mimik zu und insgesamt wartet die Grafik mit gesättigten Farben auf. Der Soundtrack untermalt die Geschichte stets sehr passend. Dass es mehrere Enden gibt, sorgt dafür, dass das Game einen relativ hohen Widerspielwert besitzt. Ärgerlich für alle Erstspieler ist aber der lange Veröffentlichungsrythmus des Spiels, das fast fünfzehn Monate gebraucht hat, um vollständig zu sein. Nun aber kann natürlich jeder in seinem eigenen Tempo in die Welt eintauchen.

Fazit

Life is Strange 2 hat mich nicht von der ersten Episode an begeistern können, sondern gewann für mich mit fortschreitender Geschichte an Spannung. Mit Sean und Daniel kann ich sehr gut mitfühlen und ich finde, dass beide auf ihre Art stets nachvollziehbar gehandelt haben.Ich bin auch der Meinung, dass Puerto Lobos von Anfang an keine gute Idee gewesen ist und Daniel am besten bei seinen Großeltern bleiben sollte. Aber ich kann verstehen, wieso Sean dieses Ziel verfolgt hat und finde auch, dass die möglichen Enden alle logisch sind, da keines perfekt ist, denn ein solches Ende ist nach allen Ereignissen einfach unmöglich gewesen. Obwohl mit keinem der Nebencharaktere ausgesprochen viel Zeit verbracht werden kann, sind mir einige gut in Erinnerung geblieben. Mir persönlich gefällt auch der ernste Ton und dass auch die Chance genutzt wird, politische Themen miteinzubringen. Games können schließlich mehr als nur Unterhaltung sein.  Ich habe das Ende erreicht, bei dem Sean für 15 Jahre ins Gefängnis muss und Daniel friedlich bei den Großeltern aufwachsen kann. Ich bin relativ zufrieden damit, auch wenn ich es sehr tragisch finde. Immerhin ist Sean am Ende ein freier, wenn auch leider offensichtlich gebrochener Mann. Ich sehe die Geschichte mit diesem Ende als eine Art Kritik an der Justiz, da Sean nur ein Opfer der Umstände ist. Insgesamt hat mich die Geschichte sehr mitgerissen und vor allem auch berührt. Fans des ersten Teils sollten sowieso zugreifen, aber auch alle anderen, die gerne storyfokussierte Games mögen, können bedenkenlos einen Blick riskieren.

© Square Enix

Ayla

Ayla ist Schülerin und beschäftigt sich hobbymäßig mit allen möglichen Medien, ohne dabei Beschränkungen zu kennen. Dennoch ist sie vor allem ein Serien- & Game-Junkie und liebt besonders actionreiche und dramatische Inhalte, wobei sie gleichzeitig für viele kindliche Themen zu haben ist, weshalb sie weiterhin großer Disney-Fan ist. Abseits ihrer Leidenschaft des Sammelns ihrer Lieblingsmedien schreibt Ayla gerne selbst Geschichten oder zeichnet Bilder, um sich so zu entspannen.

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