Murdered: Soul Suspect
Sieben Schüsse in die Brust: Das ist alles, was Detective Ronan O’Connor von seinem Mörder mitbekommen hat. Doch für Totsein bleibt keine Zeit. Ronan ersteht wieder auf und macht sich als Geist daran, die Rechnung zu begleichen. Die Prämisse erinnert ein bisschen an Capcoms Ghost Trick (2010), in das die Entwickler damals viele kreative und originelle Ideen und Rätsel haben einfließen lassen. Studio Airtight Games versucht das bei seinem Murdered: Soul Suspect aus dem Jahre 2014 ebenso und schickt uns auf spirituelle Detektivarbeit – doch bleibt das Spiel weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.
In der Stadt Salem geht der so genannte Glockenmörder um. Als ihn Detective Ronan O’Connor endlich stellen kann, hat er nicht damit gerechnet, dass er das nicht überleben wird. Mit sieben Schüssen in der Brust erwacht Ronan als Geist in der Zwischenwelt – dem Abstellgleis für all jene, die noch etwas erledigen müssen. Für Ronan heißt das seinen eigenen Mord aufklären. Unterwegs trifft er auf das junge Medium Joy, das ihm mit viel Widerwillen hilft. Doch Joy wird ebenfalls vom Glockenmörder verfolgt, und so muss Ronan nicht nur seinen Tod aufklären, sondern auch das Leben von Joy beschützen.
Geist mit Einschränkungen
Originaltitel | Murdered: Soul Suspect |
Jahr | 2014 |
Plattform | PlayStation 4, Xbox One, PlayStation 3, Xbox 360, Microsoft Windows, Android |
Genre | Action-Adventure |
Entwickler | Airtight Games |
Publisher | Square Enix |
Spieler | 1 |
USK |
Man steuert Ronan, einen typischen Lonely-Wolf-Cop mit Kippe im Mund, aus der Schulterperspektive durch das düstere und trostlose Salem. Der Klappentext wirbt mit einer „frei erkundbaren Spielwelt“, aber man merkt schnell, dass das nicht das heißt was man denkt. Zwar kann man zu den Hauptorten jederzeit zurückkehren, doch ist die Bewegungsfreiheit an sich streng limitiert. Das Betreten von Häusern ist zum Beispiel nicht möglich, und das, obwohl man doch eigentlich durch Wände gehen kann. Es ist ein schöner Effekt, wenn die Stadt Salem mit gespenstischen Teilen ihres vergangen Ichs aus dem 17. Jahrhundert überlagert wird, doch im Grunde ist klar, dass dies nur dazu dient, um die Spieler auf Spur zu halten. Noch auffälliger als erzwungene Wegweiser sind die ganzen undurchdringlichem Ektoplasmaflecken, die die Wände zieren. Zwar wird die Anwesenheit dieser Grenzen storyintern erklärt („Was geweiht wurde kann man nicht passieren“), doch eigentlich ist klar, dass die Entwickler nur keine Zeit und keinen Bock für mehr hatten.
Beschäftigungstherapie №1: Sammeln
Auch sonst werden die Möglichkeiten des geisterhaften Schauplatzes in Murdered: Soul Suspect kaum genutzt. Spannende und originelle Spielmechaniken sind quasi nicht vorhanden und bis auf die ungezählten Collectibles gibt es kaum etwas in Salem zu entdecken. Darunter fällt z.B. eine beharrlich präsente, aber irrelevante Nebenhandlung, die von der Beziehung zu Ronans Frau Julia erzählt – eine sehr klobige Liebesgeschichte, die nur ein Beispiel ist für die erzählerischen Mängel des Spiels. Auch die Nebendarsteller hinterlassen keinen großartigen Eindruck, abgesehen von Joy, ein temperamentvolles junges Medium, das von Marie-Luise Schramm (Stimme von Mia Wasikowska, Crimson Peak) gesprochen wird und ihre Screentime tatsächlich verdient – und das Spiel damit sogar irgendwie trägt.
Banalitäten im Jenseits
Die Rätsel beschränken sich darauf, in überschaubaren Tatorten offen herumliegende Indizien aufzusammeln. Obwohl Ronans Situation sehr jenseitig ist, sind seine Interaktionen mit der physischen Welt ziemlich banal, denn das Sammeln von Indizien läuft quasi auf Autopilot. Wenn man alle Hinweise (oder nur die erforderlichen) eingetütet hat, wird eine billige Konklusionsfrage gestellt und meistens ist die Antwort ziemlich offenkundig. Oft muss Ronan bei den Untersuchungen auch seine Geistfähigkeiten einsetzen. Das heißt die Vergangenheit von Dingen erleben und in Menschen/Tiere reinkriechen, um sie zu manipulieren oder ihre Gedanken zu hören. Bei fallrelevanten Personen macht das freilich Sinn, aber abseits der streng geskripteten Story findet man keine Verwendung für die Fähigkeit. Die Gedanken von normalen Passanten auf der Straße zu lesen ist ziemlich öde und löst nur immer wieder dieselben zwei eingesprochenen, seltsam banalen Textpassagen aus. Irgendwann lässt man’s halt ganz bleiben.
Beschäftigungstherapie №2: Dämonen
Als wüssten die Spieleentwickler von Murdered: Soul Suspect um das mittelmäßige Brainteasing, das sie hier betreiben, haben sie dem Spiel noch einige Stealth-Passagen verpasst um die Spieler bei Laune zu halten. Aber Butter bei die Fische: Besagte Passagen sind eigentlich nur langweilig und späterhin sogar frustrierend. Aus dem Nichts tauchen mancherorts Dämonen auf, um Ronan in die ewige Verdammnis zu zerren. Dämonen sind Menschen, die es versäumt haben in der Zwischenwelt ihr „unerledigtes Geschäft“ zu erledigen und nun für immer dort gefangen sind. Meistens plopppen sie genau dann aus den Wänden auf, wenn man auf dem Weg von A nach B ist und das Spiel einem etwas zu tun geben will. Man kann die Dämonen umgehen oder aber ihnen von hinten mit einer akrobatischen Tastenkombi den Garaus machen. Spaß macht das keinen. Es ist einfach nur ein Zeitfresser, zumal die Dämonen keinerlei Effekt auf die Story haben.
Und sonst so?
Sonst kann man die Atmosphäre in Salem als ziemlich gelungen bezeichnen. Die Stadt erstrahlt in grünstichiger Trostlosigkeit, ist mit einem unheimlichen Sounddesign hinterlegt und quillt über vor Geistern. Die meisten von ihnen sind bloß verzerrte Abbilder, die still herumstehen und verschwinden, wenn man ihnen zu nahe kommt. Andere sind hilfesuchende NPCs, die man bei der Suche nach ihrer Todesursache unterstützt. Auch eine Erwähnung wert ist die sehr gute deutsche Sprachausgabe, für die man neben Marie-Luise Schramm noch andere bekannte Sprecher wie Peter Flechtner (Stimme von Ben Affleck, Justice League) und Tobias Kluckert (Stimme von Joaquin Phoenix, Joker) ins Boot geholt hat. Die Story dagegen läuft eher generisch ab. Und obwohl sie am Ende noch eine Twist aufbietet, ist sie doch nie wirklich besser als ein paranormaler Tatort am Sonntagabend. Trotzdem bleibt man die knappe Spielzeit von sieben bis acht Stunden dabei. Denn auch wenn die Geschichte hier und da vor sich hin plätschert, bleibt sie doch grundsätzlich spannend.
Fazit
Ich hatte auf cleverere Detektivarbeit gehofft mit ausgefallenen Rätseln und einer originellen geisterhaften Toolbox. Aber Pustekuchen. Darüberhinaus ist auch der Spielablauf ziemlich flach: Ronan joggt zu Punkt A, findet Indizien, löst das Rätsel, weicht den Dämonen aus und joggt dann zu Punkt B und das Ganze geht wieder von vorne los. Die Hauptfiguren sind in vielerlei Hinsicht nur eine Ansammlung von Klischees (aber mit sehr guten Sprechern, die das Ganze retten), die Dämonen-Stealth-Passagen sind frustrierend und die Story streng linear. Ronans Geisterhaftigkeit könnte Grundstein für viele großartige Konzepte und Spielmechaniken sein, nur wird das nicht weiter verfolgt; das Potential verläuft also quasi im Sand. Was bleibt ist seichte Unterhaltung – wie ein paranormaler Tatort am Sonntag eben.
Wer das Gehirn detektivmäßig anstrengen will (und nicht vor ausgefallenem Leveldesign zurückschreckt), der greife lieber zu Return of the Obra Dinn.
© Square Enix