Shadowverse

Am 27. Juni 2018 erhob sich die neue Expansion des Online-Sammelkartenspiels Shadowverse names Brigade of the Sky in die Lüfte. Verantwortlich für den Ausflug in die himmlischen Höhen, der sogleich eine Art Crossover zu seinem anderen Franchise Granblue Fantasy darstellt, ist das japanische Entwicklerstudio Cygames. Den neuen Aufschwung wollen wir nutzen, um ein Adlerauge auf das zugrunde liegende Spiel zu werfen, welches seit 2016 stetig in seinen Spielerzahlen anwächst. Warum also nicht mit uns die Nase in die Wolken stecken und verweilen? Es lohnt sich.

 

Shadowverse hat tatsächlich einen Story-Mode, der sich um weltuntergangsauslösende Priesterinnen, Stolz sein Brusthaar präsentierende Vampire, das Wort ‘Spielkamerad’ nicht ganz verstehende Kindernekromanten und Dimensionsgehopse dreht. Der im Visual Novel-Stil präsentierte Fantasy-Mix hat seine Momente, ist aber offensichtlich nicht der Fokus des Spiels, entsprechend konzentrieren wir uns lieber auf die Grundlagen. Shadowverse ist ein kompetetives Sammelkartenspiel, in dessen Matches zwei Spieler gegeneinander antreten. Ziel ist es, die Lebenspunkte des Gegners, 20 an der Zahl, Richtung null zu prügeln. Da sich die Spieler repräsentierenden Heldenfiguren aber zu fein sind selbst Hand anzulegen, müssen wieder die armen Diener ran. Gegen Spielpunkte (prinzipiell Mana mit einem weniger exotischen Namen), die sich rundenweise erhöhen, können etwaige Monsterchen aus den eigenen Reihen beschworen, Zauber gesprochen, Amulette benutzt und generell jedweder Unsinn angestellt werden. Wer bereits Hearthstone gespielt hat, dürfte mit dem Ablauf sofort vertraut sein, aber auch als vollkommener Neuling ist das Spielprinzip schnell verstanden. Die Karten teilen sich dabei auf insgesamt acht verschiedene ‘Crafts’ auf, die jeweils eigene Mechaniken aufweisen.

 

Die vampirige Bloodcraft spielt gerne mit ihren Lebenspunkten herum und, insofern sie unter einen bestimmten Wert fallen, können manche ihrer Karten spezielle Bonuseffekte aktivieren. Die nekromantige Shadowcraft besitzt Zusatzeffekte, deren Treibstoff vom Friedhof stammt. Benutzte Zauber und zerstörte Diener werden zu einer eigenen Ressource, die sie verwenden können. 40 Karten hat jeder Spieler zur Verfügung, um seinen Kontrahenten zu Tode zu ohrfeigen, danach ist Schluss. Wer am Boden seines Decks angekommen ist, sieht sich einer grimmigen Reaperkarte gegenüber, was das sofortige Game Over zur Folge hat. Quasi die ‘Gehe direkt ins Gefängnis’-Monopolykarte im Fantasyformat. Soweit so simpel, aber nun könnte man sich fragen: Ist das wirklich alles?! Nein, nicht ganz. Denn ein zentrales Element gilt es noch vorzustellen.

Darwin would be proud (…or really confused)

Evolution heißt das Zauberwort. Jeder Spieler hat eine bestimmte Anzahl an Evolutionspunkten zur Verfügung, die sich für den das Match beginnenden Spieler ab dem fünften Zug, für seinen Kontrahenten auf Platz zwei im vierten Zug freischaltet. Zudem hat der im wahrsten Sinne des Wortes nachziehende Kartenenthusiast drei zur Verfügung, der Startende dagegen nur zwei. Mit gewissen Karten lässt sich auch diese Zahl manipulieren, aber das ist die Grundstellung, die der Nummer zwei einen kleinen Ausgleich geben soll.

Wofür sind die orangenen Kügelchen nun gut?
Ganz einfach: Jedes Monsterchen, das ausgespielt wurde, kann im eigenen Zug weiterentwickelt bzw. ‘evolved’ werden. Damit verändert sich nicht nur das Aussehen, sondern auch die Stärke, außerdem können dadurch zusätzliche Effekte aktiviert werden. Besonders wichtig: Kreaturen, die auf diese Weise die Evolutionsleiter ignorieren und schlicht den Aufzug nehmen, können sofort angreifen und müssen nicht eine Runde in Warteposition verharren. Allerdings ist es ihnen nicht möglich, den Gegner direkt anzugreifen, lediglich die gegnerischen Monster dürfen die Evolutionsfaust zu spüren bekommen, außer natürlich die Kreatur hat bereits ihre kleine Ruhepause auf dem Feld hinter sich. Dann hindert sie nichts daran, den Gegner über eine drastische Änderung in der Nahrungskette zu informieren.

Unnötig zu erwähnen, dass die Evolutionen einen wesentlichen Dreh- und Angelpunkt des Spiels darstellen. Sie können, insofern richtig eingesetzt, zu massiven Umschwüngen im Spielverlauf führen und sind eine wichtige taktische Ressource. Etliche Fragen laufen hier zusammen: Will ich sie defensiv einsetzen, um das Bord zurückzuholen? Will ich sie dazu nutzen, um den Schaden, den die eigenen Diener austeilen, zu steigern? Versuche ich bewusst, Punkte zurückzuhalten, um besonders teuren Monsterchen einen sofortigen Eingriff ins Geschehen zu ermöglichen? Ist mir das vielleicht alles egal und ich evolutioniere nur, um mir das sich stets mit veränderende Artwork anzuschauen? Your choice!

Nimm zwei!

Originaltitel Shadowverse
Erscheinungsjahr 2016
Plattform PC, iOS, Android
Genre Online-Kartenspiel
Entwickler Cygames
Publisher Cygames
Spieler 1+

Neben der erwähnten spielbaren Geschichte gibt es die üblichen Verdächtigen unter den weiteren Spielmodi. Gefechte gegen die K.I., um sich weiter mit dem Spiel vertraut zu machen, sowie die ‘Normal’ und ‘Ranked’-Variante, in der man gegen andere Spieler online zu Felde zieht. Deckbearbeitung, ein Shop, indem man sowohl für Echtgeld als auch mit der über Quests und andere Aufgaben verdienbare Ingame-Währung Booster-Packs kaufen kann, ist selbstverständlich ebenfalls vorhanden. Wo kämen wir denn da auch hin? Besonders hervorzuheben ist der ‘Take Two’-Modus, der ein wenig an die Arena aus Hearthstone erinnert, aber dennoch maßgeblich anders verläuft.
In ‘Take Two’ tritt man nicht mit den eigenen Karten an, sondern muss zuvor sein Deck zusammenstellen. Dafür hat man fünfzehn Mal die Qual der Wahl zwischen zwei Kartenpaaren, die einem vor die Nase gehalten werden. Die Entscheidung erfordert entsprechend mehr Grübelei: Soll ich das Paar mit der extrem starken und extrem schwachen Karte nehmen? Oder nehme ich lieber die beiden halbwegs soliden Alternativen? Lasse ich eine starke Karte sausen, um andere zu bekommen, die beide besser den Manawert ausfüllen, der mir noch fehlt?
Oder ist mir alles egal und ich starre weiterhin nur auf das Artwork?
Your choice!
Zusätzlich zu den stets vorhandenen Modi haben die Entwickler begonnen, immer wieder in Abständen kleinere Turniere einzuführen, die in mehreren Phasen ablaufen und die entweder nach den ‘Take Two’-Regeln ablaufen oder in denen man sofort mit einem selbst zusammengestellten Deck aus dem eigenen Kartenpool antreten kann. Zudem ist seit Ende 2017 ein Rotationsformat eingeführt worden. Dort können nur Karten aus den aktuellsten Sets benutzt werden, in ‘Unlimited’ dagegen, wie der Name schon verräterisch verrät, gibt es kein Limit. Who would have guessed?

Cygames; das “g” steht für “großzügig”

Mag der Titel zunächst wie gnadenlose Schleimerei übelster Sorte klingen, ist es doch ein wichtiger Hinweis. Shadowverse ist, ähnlich wie Hearthstone oder andere Online-Cardgames, vollkommen Free2Play. Man muss keinen Cent bezahlen, nur für manche Heldenskins und vorgefertigte Decks muss man in die Echtgeldtasche greifen. Ansonsten kann alles über Ingame-Währung erstanden werden. Und Free2Play heißt Free2Play. Sicherlich kommt man schneller an Karten heran, wenn man den eigenen Geldbeutel um Unterstützung anfleht, aber es fühlt sich zu keinem Zeitpunkt an, als sei es nötig. Insbesondere da die Entwickler regelmäßig, sehr sehr regelmäßig, Packs verteilen. Eine neue Expansion? Zehn Packs für jeden. Geburtstag des Spiels? 40 Packs für jeden. Bestimmte Downloadzahl wurde geknackt? X Packs für jeden. Der Entwicklerchef hat beim internen Kickerturnier gewonnen? 100 Packs für jeden! Ok, zugegeben, der letzte Part war gelogen, aber unterm Strich kann man sich als Free2Play-Spieler absolut nicht beschweren.

Trübe Wolken

Selbstverständlich ist nicht alles heiter Sonnenschein. Shadowverse bildet da alleine schon wegen des Namens keine Ausnahme. Im Gegensatz zum Großkonkurrenten Hearthstone halten sich die Zufalls-Momente im Spiel sehr in Grenzen. Es gibt selten Karten, die zufällig eine andere Karte einer anderen Klasse generieren. Dass ist per se kein Nachteil, je nach individuellen Vorlieben sogar eher ein positiver Punkt, aber die überschaubaren Effekte sorgen dafür, dass sich Matches sehr schnell entscheiden und ähnlich ablaufen können. Zudem ist nicht zu verhehlen, dass es einen deutlichen Powerunterschied bei den Karten gibt. Legendäre Karten, die wie der Name schon verdächteln lässt, nicht massenweise aus Packs herausspringen, sind extrem mächtig und entsprechend wichtig, vor allem da sie dreifach in Decks vorkommen können. Das kann dazu führen, dass, trotz der erwähnten großzügigen Packbemessung, neue Spieler Probleme haben, in höheren Bereichen funktionierende Decks zusammenzustellen, da sie stets eine ordentliche Zahl an Legendarys benötigen. Zudem, wobei da Shadowverse sicherlich nicht alleine steht, kann je nach aktuell gespielten Decks der Spielspass leiden, wenn das Balancing nicht stimmt. Da es aber nie zu 100% fair sein kann, irgendeine Craft immer etwas leidet, muss man sich damit arrangieren können.

Okay, ich weiß, der ganze Artikel liest sich wie eine schamlose Promotion, aber es ist tatsächlich schlicht Begeisterung. Ich habe Shadowverse ca. vor einem Jahr begonnen und spiele seitdem eigentlich täglich immer wieder ein paar Runden (mitunter auch einige zuviel). Mir gefällt der Artstyle, da ich ohnehin Anime-Fan bin, auch wenn ich ab und an grinsend den Kopf über gewisse ‘Soso, Evolution bedingt also plötzlichen Kleiderwegfall?!’-Veränderungen grinsen muss. Wer sich mit dem Stil schwer tut, wird aber wohl eine harte Zeit haben, sich mit dem Spiel anzufreunden. Die verschiedenen Spielmodi, insbesondere TakeTwo macht wirklich Spass, und durch all die Packs ist es selbst mir, trotz gnadenloser Geizhalsigkeit, gelungen, eine ordentliche Kartensammlung zusammen zu stellen. Selbstverständlich bleibt auch Gefluche nicht aus, gerade wenn man eine Meta erwischt, in der Decks ihr Unwesen treiben, die einen mit Mann und Maus versenken. Die monatlichen Balance-Patches helfen allerdings sehr, und auch wenn es ab und an frustriert hat, komme ich doch ziemlich schnell wieder zurück. Für die neue Expansion horte ich schon fleißig die Ingame-Münzen und werde, wie immer, hibbelig die einzelnen Boosterpacks öffnen (still the best thing about Cardgames). Wer gefallen an Online-Kartenspielen findet, möglicherweise Hearthstone etwas überdrüssig geworden ist oder schlicht nach weiteren Optionen sucht, der sollte Shadowverse definitiv eine Chance geben. Es ist kostenlos verfügbar und hat einen Blick verdient.

Mort

Mort hat 'Wie? Nicht auf Lehramt!?' studiert und wühlt sich mit trüffelschweiniger Begeisterung durch alle Arten von Geschichten. Animes, Mangas, Bücher, Filme, Serien, nichts wird verschmäht und zu allem Überfluss schreibt er auch noch gerne selbst. Meist zuviel. Er findet es außerdem seltsam von sich in der dritten Person zu reden und hat die Neigung, vollkommen überflüssige Informationen in sein Profil zu schreiben. Mag keine Oliven.

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Taria
Redakteur
1. Juli 2018 2:09

Ich wollte ursprünglich nicht noch mehr solche Handyspiele anfangen, aber aus Neugierde musste ich Shadowverse nun auf meinem Tablet installieren. Macht wirklich süchtig und ich habe am Anfang richtig viele Boosterpacks bekommen. Ist wirklich sehr einsteigerfreundlich.

Irrlicht
Irrlicht
4. Juli 2018 11:51

Eines der wenigen Spiele, die ich mir echt nicht auf Englisch geben kann, und bei dem ich die deutsche Übersetzung tatsächlich bevorzuge. Der Japanisch-Nerd in mir kommt da jedes Mal auf 180 ob der unzähligen Übersetzungsfehler und schrecklichen Lokalisationsversuche.

Mein Tipp daher auf jeden Fall der deutschen Sprachversion den Vorzug zu geben. – Fängt allein schon bei den Bezeichnungen für die einzelnen Kartenklassen an.

Davon ab aber in der Tat ein wirklich solides CCG, was man perfekt in der Bahn oder in kleineren Zwischenpausen schnell anzocken kann und was mit seiner Grafik im Animestil zu punkten weiß – mit Hearthstone’s Artwork kann man mich nämlich beispielsweise jagen.

U.k.
U.k.
3. Juli 2019 2:15

Über 100 Karten für ein Craft, dauert als Anfänger ewig, da was Sinnvolles zusammen zu stellen. Also automatisch machen lassen und irgendwelche 40 Karten im Deck. Diese dann erst lange studieren? Oh weh. Von 30 Spielen gerade mal 2 eher zufällig gewonnen. Mal kurz vor Ende kommt eine Karte beim Gegner und die 20 Punkte sind weg. Macht bisher so keinen Spaß. Weiterspielen fraglich.