Threshold

Publisher Critical Reflex ist noch nicht allzu lange auf dem Markt, hat sich aber mit Horrorspielen wie Buckshot Roulette und Mouthwashing bereits eine eigene kleine Nische geschaffen. Am 19. November 2024 kam Threshold dazu und machte das »Trio des Dithering-Horrors« komplett. Entwickelt von Julien Eveillé, welcher als Game Designer an Projekten wie Dishonored 2 und Deathloop mitgewirkt hat, entführt uns Threshold an einen abgelegenen Grenzposten, wo wir dafür sorgen müssen, dass ein ominöser, endloser Zug am Laufen bleibt – komme, was da wolle.

Threshold beginnt in der Umkleidekabine. Ein Summen aus den Lautsprechern weist dich an, deine Verzichtserklärung vorzuzeigen und dich an die Arbeit zu machen. Mit dem Aufzug geht es den Berg hinauf zum Grenzposten. Die Luft hier oben ist extrem dünn, deshalb begrüßt dich dein Kollege Mo mit geschriebenen Worten auf einem Notizblock. Ein endloser Zug donnert hier vorbei und dein Job ist es, ihn am Laufen zu halten. Dein Vorgänger liegt in der Nähe begraben und Mo ist einfach nur erleichtert, dass er wieder jemanden hat, mit dem er die Last der Arbeit teilen kann …

Keine Luft und sehr große Zahnfleischprobleme

Originaltitel Threshold
Jahr 2024
Plattform Microsoft Windows
Genre Mystery, Psycho-Horror
Entwickler Julien Eveillé
Publisher CRITICAL REFLEX
Spieler 1
Veröffentlichung: 19. November 2024

Die Aufgabe in Threshold ist einfach: Halte den Zug am Laufen. Ignoriere die große Mauer und das riesige Gebäude dahinter. Genieße die Schönheit der Bäume, die extra für dich gepflanzt wurden, um die Moral zu stärken, und halte den Zug am Laufen. Einfache, ehrliche Arbeit. Die Geschichte von Threshold wird aus der Ego-Perspektive erzählt. Du kannst dich frei bewegen, dich frei umschauen, Objekte einsammeln und an anderer Stelle nutzen. Dein Kollege Mo hilft dir am Anfang und beantwortet alle deine Fragen. Wenn der Zug langsamer wird, musst du mit einer Trillerpfeife in ein Signalhorn blasen, um den Zug wieder anzutreiben. Das Problem: Weil du damit den letzten Rest Luft aus deiner Lunge presst (und Luft ist hier oben Mangelware), stehst du danach immer kurz vor dem Tod. Aber keine Panik, es gibt Luftkanister. Wenn du darauf beißt, bekommst du süßes O². Nachteil: Die Kanister sind zum Teil aus Glas. Heißt, mit jedem Bissen versaust du dir mehr und mehr deine blutende Gusche.

Meditativer Loop

»Threshold« ist also nicht nur als örtliche Grenze zu verstehen. Es steht auch für die persönliche Schmerzgrenze. Wie lange erträgt man den Sauerstoffmangel, ohne gleich einen Kanister zu verbrauchen? Wie häufig kann man auf die Kanister beißen, bis das Zahnfleisch sagt »Nö, ohne mich, ciao«? Für jeden erfolgreichen Pfiff mit der Trillerpfeife spuckt eine Ticketmaschine ein Lochticket aus, welches man wiederum gegen Luftkanister eintauschen kann. Zug wird langsamer – die Pfeife blasen – Zug wird wieder schneller – Ticket holen. Schnell stellt sich eine Routine ein. Bald ist man so gut eingearbeitet, dass man anhand der Zuggeräusche den anstehenden Tempowechsel bemerkt, noch ehe der Alarm ertönt. Doch wie lange hält man diese monotone Arbeit durch, ohne meschugge zu werden?

Ausfühung: Schlicht, aber wirkungsvoll

Von hier aus bewegt sich Threshold als semi-lineare Geschichte weiter. Während wir den Grenzposten erkunden, entdecken wir hier und da Dinge, die den nächsten Teil der Geschichte auslösen. Dadurch ändert sich die Routine, sodass das Spiel nie Gefahr läuft, zu monoton zu werden. Und die Sache mit dem Sauerstoffmangel entpuppt sich zum Glück nicht als typischer Survival-Quatsch, der unnötig frustriert. Die Grafik ist im blockigen PSX-Stil gehalten und sorgt zusammen mit dem weitgehenden Verzicht auf Musik für eine besondere Atmosphäre. Erwähnenswert auch das Sounddesign: Stellenweise klingt das Spiel so, als hätten man Stöpsel in den Ohren. Wir hören nur unser eigenes Blut rauschen und jedes Geräusch von außen erreicht uns als diffuser Bass. Threshold ist nie wirklich Horror, aber durch sein Art- und Sounddesign ganz gewiss beklemmend.

Das Geheimnis hinter der Mauer

Denn natürlich liegt im Grenzposten etwas im Argen. Wir sind nur der Ersatzmann für jemanden, der hier vorher bei einem Arbeitsunfall gestorben ist – angeblich. In Gebäude 2 gibt es seltsame Blutflecken, die Mo nicht erwähnt. Und darüber, was der Zug geladen hat, sagt er auch nichts. Threshold ist ein kurzes Game. Man kann es in etwas mehr als einer Stunde durchspielen – genau die richtige Länge für mehrere Durchläufe, bei denen sich die Dinge unterschiedlich entwickeln können. Je mehr man letztendlich über den Grenzposten erfährt, desto klarer zeichnet sich der Kommentar ab, den Threshold tätigt. Es geht um bewusste Ignoranz, Exzess und Bewahrung um jeden Preis. Und mitten darin stehst du mit deiner armseligen Trillerpfeife und sorgst dafür, dass der Zug am Laufen bleibt.

Fazit

Threshold hat alles, was eine gute Kurzgeschichte mit unheimlicher Pointe benötigt. Es ist prägnant, fesselnd und bleibt in Erinnerung. Durch die schlichte Grafik, den steten Rhythmus des Zuges und das stumpfe Einsammeln von Lochtickets, wird man schnell in einen Arbeitsloop hineingezogen und geht geradezu auf in diesem dummen, kleinen Job. In etwas mehr als einer Stunde hat man das Spiel durchgespielt, aber die versteckten Geheimnisse und die verschiedenen Enden machen ein erneutes Durchspielen lohnenswert.

© Critical Reflex

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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