D.N. Angel

2001 startete die deutsche Ausgabe D.N. Angel bei Carlsen Manga, eine heitere Magical Boy-Liebeskomödie um Daisuke Niwa, der als Nachkomme einer Diebesfamilie sowohl seinen Job bei Nacht als auch seine Liebesangelegenheiten bei Tag unter einen Hut bringen muss. Nach vielen, teils jahrelangen Unterbrechungen, fand die Reihe mit einem Gesamtalter von 23 Jahren 2021 in Japan nun endlich ihren Abschluss. Ein Anlass, um verschüttete Erinnerungen aus den Tiefen der Zeit zurück zu stehlen!

   

Daisuke Niwa ist ein ganz normaler Mittelschüler und verliebt in seine Klassenkameradin Risa. Doch von der erhält er leider einen Korb. Für sie ist er zwar nett, aber irgendwie zu gewöhnlich und sie würde sich auch gerne etwas mehr von ihrer Zwillingsschwester Riku absetzen. Doch wenn sie wüsste! Insgeheim kommt Daisuke aus einer Familie von Dieben, die es auf bestimmte Kunstwerke abgesehen hat. Täglich wird er von seiner Mutter im eigenen trauten Heim in allen Arten von Fähigkeiten für einen erfolgreichen Einbruch trainiert. Als ob ihm der Korb am 14. Geburtstag nicht schon genug wäre, wird ihm auch noch eröffnet, dass sich alle männlichen Mitglieder seiner Familie in den Meisterdieb Dark verwandeln und nun muss auch Daisuke auf nächtliche Streifzüge gehen. Dabei hilft ihm Wizz, das hasenähnliche Haustier, das sich in schwarze Flügel verwandeln kann. Doch ist da nicht nur die Polizei ihm auf der Spur, sondern auch der schweigsame Satoshi Hiwatari, der schon von Anfang ein prüfendes Auge auf Daisuke und dessen nicht ganz gewöhnlichen Fähigkeiten hat …

Ein Stück Geschichte

Originaltitel D.N. Angel
Jahr 1997–2021
Genre Romanze, Komödie, Fantasy
Bände 18+
Mangaka Yukiru Sugisaki
Verlag Carlsen Manga
Im Handel erhältlich

Vielen, die die erste und zweite Stunde der Manga-Szene zur Zeit der Millenniumsdekade erlebt haben, wird die Reihe sicher noch ein Begriff sein: D.N. Angel erfreute sich großer Popularität und das selbst über seine Shoujo-Zielgruppe hinaus. Zwei Artbooks erschienen, das erste (Feder) kam zwei Jahre nach dem erstem Band auch auf Deutsch heraus. In einer Zeit mit einer zu heute kaum zu vergleichenden eher begrenzten Titelselektion fand sich die Reihe in gar nicht wenigen Büchereien wieder. Fans reichten Fanarts ein, die von Carlsen Manga am Ende diverser Bände abgedruckt wurden. Sich anbahnende Fujoshis erfreuten sich schon an inoffiziellen Ships, noch ehe der Begriff und die ersten Boys Love-Wellen über den Markt rollte. Die Hochzeit in Deutschland fiel zufällig sogar mit der in Japan zusammen: Unter der Hand haben auch hierzulande nicht zu wenige einen Weg gefunden, die 2003 erschiene 26-Folgen starke Anime-Adaption anzuschauen. Mit zahlreichen Auflagen durchlief die Reihe verschiedene Papierqualitäten und bescherte so manch einem nachkommenden Lesenden verschieden dicke Buchrücken selbst bevor die Seitenzahlen späterer Bände sanken – was nebst Carlsens häufigem Verlagslogowechsel für notorisch freudige Regal-Einheitlichkeit einer ganzen Generation sorgte. Doch die wich alsbald einer ganz anderen Notorietät: Ständige Unterbrechungen, in denen Yukiru Sugisaki andere Serien begann, aber auch diese zum Großteil nicht beendete. Doch nachdem die Reihe 1001 Knights (Tokyopop, 2014) tatsächlich ein Ende fand, widmete sich Sugisaki auch wieder ihrer erfolgreichsten Serie. Doch ob man hierzulande noch in den Genuss des Endes kommt, wird sich noch zeigen müssen: Mit Band 15 gab es in Sachen neues Material zuletzt 2012 ein deutsches Lebenzeichen und D.N. Angel gilt hierzulande als vorerst abgeschlossen. Doch auch unvollständig ist die Serie noch heute reizvoll genug für Carlsen Manga, um sie verfügbar zu halten: Die Printversionen der Bände sind zwar verlagsvergriffen, doch an der digitalen Version kann man sich noch bedienen. Was also steckt hinter diesem sich wacker haltenden Bestseller?

Stage 1: Romantische Magical-Boy Adventure Komödie zum Start

Daisuke ist ein charakterlich etwas schusseliger, aber irgendwie niedlicher Schüler-Protagonist, dem plötzlich eine nächtliche Mission in alternativer Identität aufgetragen wird, die ihm das Schicksal schon von Geburt an in die Wiege legte. Aus den ersten Bänden spricht klar der Zeitgeist 90er-Shoujos und das nicht nur in einem heute eher altbacken wirkenden Zeichenstil. Die Handlungszutaten und der Humor erinnern erst einmal auch nicht wenig an etwa den Magical Girl-Klassiker Sailor Moon. Doch haben wir es hier zur Abwechslung mit einem waschechtem Magical Boy zu tun, der trotz magischer Unterstützung einen Großteil seiner Fähigkeiten über die Jahre selbst erlernen musste. Zudem steht er anstatt auf der Seite der Gerechtigkeit auf der der kriminellen Seite. Das tut der Serie in Sachen Leichtherzigkeit aber erst einmal keinen Abbruch, denn bei den Diebstählen scheint nicht viel mehr auf dem Spiel zu stehen als der Ruf von Dark bzw. der Polizei und die Launen von Daisukes Mutter Emiko. Daisuke selbst hat auch eher alle Hände voll zu tun, seine Liebesgefühle Risa gegenüber in den Griff zu bekommen: Schließlich sind sie der Auslöser seiner Verwandlung in Dark. Und Dark selbst entpuppt sich alsbald als eine tatsächliche Persönlichkeit, die als zweites Bewusstsein in Daisukes Körper haust und charakterlich das ziemliche Gegenteil von ihm darstellt. Zufälligerweise ist er damit aber auch genau Risas Typ, sodass sie sich unversehens in ihn verliebt. Ganz zum Verdruss Rikus, der älteren Zwillingsschwester von Risa, die Dark auf den Tod nicht ausstehen kann. Doch leider hat sich Dark ausgerechnet in Riku verguckt. Romantisches emotionales Chaos ist also vorprogrammiert.

Stage 2: Es wird ein ernsteres Drama

Mit zunehmenden Bänden verdichtet sich im Hintergrund eine ernstere, zusammenhängende Handlung. Aus den humoristischen Raubzügen wird ein alter Konflikt zweier Familien angedeutet, den Hikaris, die hochgeschätzte, aber auch magische Kunstwerke erschafft und den Niwas, die sie stiehlt. Das macht aus den zunächst eher einfacheren Diebeszügen mit einem Flair à la Kaito Kid (Egmont Manga, 2006) nach und nach fantasievolle Abenteuer. Auch die Kunstwerke, um die sich die Diebeszüge drehen, bekommen ein eigenes Gesicht. Oft in menschlicher oder tierischer Gestalt mit eigenen Wünschen und Ambitionen und durchaus auch der Macht, einem die Seele aus dem Körper zu stehlen. Insbesondere, da es auch Kunstwerke gibt, an denen die Zeit nagte und ihrem Ende entgegen sehen. Als Gegenspieler rückt Satoshi dabei immer weiter in den Mittelpunkt. Wie wie letzterer Dark in sich trägt, trägt er als ein Nachfahre der Hikaris auch ein Alter Ego in sich, den weißgeflügelten Krad und mit ihm verdichtet sich die Hintergrundgeschichte der Familienfehde. Das alles, während sich das Liebesdrama weiterentwickelt: Daisuke erkennt nach und nach, dass er nicht länger an Risa verhaftet ist und auch in Dark muss sich Gefühlen entgegenstellen, vor denen er in seinem Zusammenleben mit den Generationen vor Daisuke eher geflüchtet ist. Zeichnerisch modernisiert sich der Stil zunehmend. Das betrifft nicht nur die Details der Designs der Figuren, sondern auch Elemente wie dynamischeres Paneling oder den Einsatz von Schwärze und Leere im Artwork. Diese bereichern sowohl die Stimmungsdarstellung tatsächlicher und figurativer Distanzen als auch die mysteriöseren, surreal bis elegant anmutenden eigenen Welten der einzelnen Kunstwerke ungemein. Das Liebeskomponente nimmt ebenfalls andere Formen an: So findet nun auch eine tragische Liebesgeschichte mit bittersüßen Elemente einen Platz im Arc um das Kunstwerk “Sekundenzeiger der Zeit”, mit dem die Serie knapp ihre Halbwertszeit erreicht und der zugleich der letzte in der Serie adaptierte Handlungsabschnitt ist, ehe sie auf ein eigenes Ende zusteuert.

Stage 3: Ein Stück weit zurück zu den Wurzeln

Befindet sich der zweite Teil zum Großteil in den Welten der Kunstwerken, so kehrt sie Serie vom Ernst erstmal zurück zu ihren romantisch-komödiantischen Ursprüngen zurück: Das Schulleben geht weiter und die romantischen Fronten mit den Zwillingsschwestern Risa und Riku werden von Daisuke und Dark ausgeweitet. Daraus entstehen diverse Annäherungen, Dates und so manch eine fluffige Erinnerung für die Hauptfiguren. Inklusive einer Theateraufführung, bei der Daisuke die weibliche Hauptrolle eines etwas angepassten Liebesmärchens spielen darf. Den modernisierten Zeichenstil behält die Serie bei, wenngleich sich nun passend zur Stimmung poppige Elemente untermischen. Auch der Niedlichkeitsfaktor steigert sich, was mitunter dafür sorgt, dass Daisuke etwas aussieht, als habe er sich einer Verjüngungskur unterzogen. Doch auch die dramatischen Elemente untersetzen die weitgehend leichtherzige Handlung: Satoshi hat Schwächeanfälle, Daisukes und Darks Identitäten kommen einander mehr in Konflikt und dann betritt ein weiteres zerstört geglaubtes magisches Hikari-Kunstwerk, Argentine, die Bühne mit einer eigenen Agenda, bei dem auch die Zwillinge involviert werden. Auch hierin findet sich das Liebesthema wieder, diesmal mehr mit dem Fokus darauf, was es eigentlich heißt, zu lieben.

Stage 4: Zum Ende hin wird es etwas vertrackt …

Der letzte Abschnitt schließt den Bogen um die angefangen Fäden zusammenzuführen: Daisuke und Dark, die vor Riku und Risa noch immer ihre alternativen Identitäten geheim halten und die Frage, ob deren Beziehungen eine Zukunft haben. Das Schicksal der Kunstwerke, die unschädlich gemacht und zerstört werden sollen. Die Geschichte der Familie Hikari, von der Satoshi abstammt und wodurch auch ihm der Fluch eines kurzen Lebens auferlegt ist. Auch spielt ein weiteres magisches Kunstwerk eine Rolle, von dem Dark und Krad jeweils eine Hälfte bilden und das aufgrund seiner zerstörerischen Kräfte auf keinen Fall vollendet werden soll. Persönliche Fronten werden dabei noch geklärt. Daisuke, der sich langsam um seine Zukunft und den weiteren Werdegang Gedanken macht und entgegen seiner Familientradition Kunst zu stehlen auch gerne Kunst erschaffen würde. Satoshi, der seine Zukunft gar nicht sieht und sein Erbe an künstlicher Begabung eher nichts anderes als eine Bürde ansieht. Das vermischt sich einmal mehr mit diversen eigenen Welten verschiedener Kunstwerke und diese sind bisweilen auch recht psychodelisch gehalten, mitunter mit einem Fuß im Territorium namens Wirr. Die individuellen Dramen der Hauptfiguren sind dabei an vielen Stellen gut getroffen, doch was die Haupthandlung angeht, wird es ein wenig schwerer zu folgen. Das ist unter anderem dessen geschuldet, dass die Hintergrundgeschichte um die historischen Hikaris und Niwas (und auch die fiktional historische Kulturrevolution, in denen die meisten der Hikari-Werke zerstört worden sind) schon von Anfang an eher nur auf das Notwendigste beschränkt ausgebaut ist. Und selbst das Vorhandene ist zum Großteil in einzelnen kleineren Szenen quer durch die Serie verstreut, sodass, selbst ohne die vielen Veröffentlichungspausen, viele davon nicht mehr direkt in Erinnerung parat stehen. Dadurch bleibt das weitverzweigte Mehrgenerationen-Epos, um das es sich eigentlich dreht, als Ganzes etwas vage und undurchsichtig. Vollendet wird das mit einem Ende, das tatsächlich eine abschließende Note hat – aber durchaus genug Andeutungen für eine Hintertür einer etwaigen Fortsetzung beinhaltet.

Fazit

“Was lange währt, wird endlich gut” kann ich zwar nicht voller Inbrunst behaupten, aber das Ende von D.N. Angel ist eine runde Angelegenheit. Und es erlaubt vor allen Dingen folgendes unfassbares Statement: Die. Serie. hat. endlich. ein. Ende. Oder zumindest einen runden Abschluss, der nicht mitten im Nirgendwo aufhört. Für viele der nun gealterten frühen Leserschaft wird es vermutlich zu spät kommen, denn anders als Daisuke & Co. sind wir der Mittelschule längt entwachsen. Der etwas altbacken wirkende Anfangsteil profitiert dabei ohne Frage auch von einer guten Portion Nostalgiebonus. Aber auch in der heutigen Manga-Landschaft kann sich D.N. Angel als Ganzes noch gut behaupten: Magical Boy-Serien sind noch immer eine ausgesprochene Seltenheit und was den romantischen Anteil angeht, hat die Serie sowohl in Sachen Niedlichkeit als auch im Aspekt der langsam reifenden Beziehung Daisukes zu Riku noch immer einen guten Vorsprung gegenüber einem nicht kleinen Kontingent aktueller Shoujo- oder Light Novel-basierten Rom-Com-/Fantasy-Titeln. Reizvoll ist sicher auch, dass es sich hierbei zwar eigentlich um eine Shoujo-Serie handelt, sie durch den Action-, Abenteuer- und Fantasy-Anteil auch Shonen-Aspekte inkorporiert und damit durchaus mehr Leser als nur die jüngere weibliche Hauptzielgruppe erreicht. Dadurch und auch durch die zeitliche Evolution von Sugisakis Zeichenstil gibt es auch visuell viel Abwechslung. Und wer heute erst beginnt, hat einen definitiven Vorteil: Kein Raten, wann oder ob die Serie überhaupt grundsätzlich jemals die Zielgerade erreicht.

© Carlsen Manga

Luna

Luna residiert auf dem Mond mit ihren beiden Kaninchen. Als solche hat sie eine Faible für flauschige Langohren und ist auch nicht um die ein ums andere Mal etwas entrückte Sicht auf die Weltordnung verlegen. Im Bestreben, sich verständigt zu bekommen, vertreibt sie gerne die Zeit mit dem Lernen und Erproben verschiedener Sprachen und derer Ausdrucksformen.

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