Rainbow Revolution
“Die Wünsche meiner niedlichen Freundin kann ich nicht abschlagen.” Nana ist in einer prekären Situation: Yuyu ist ihre einzige Freundin, die ihr Leben diktiert. Nun geht sie auf die Mittelschule und stellt immer deutlicher fest, dass in ihrer Beziehung mit Yuyu kein Raum mehr für ihre Persönlichkeit bleibt. Mit ihrer ersten Serie Rainbow Revolution zeichnet die Autorin Mizuka Yuzuhara das Bild einer ungesunden Beziehung und einer Protagonistin, die sich immer mehr der Tatsache stellen muss, dass ihre Vorstellungen nie etwas mit wahrer Freundschaft zu tun hatten. Im April 2018 endete die deutsche Veröffentlichung bei Tokyopop mit Band 8.
Nana und Yuyu sind seit der Grundschule befreundet. Nana ist schüchtern, selbstlos und hat einen enormen Mangel an Selbstvertrauen. Yuyu ist niedlich, klug, weiß was sie will und kommt mit allen klar. Und vor allem war sie einzige, die je auf Nana zugegangen ist und Nana einen Platz in der Schulgesellschaft gegeben hat. An Yuyus Seite hat Nana nichts vor anderen zu befürchten. Doch Yuyus Wünsche und Forderungen Nana gegenüber nehmen immer mehr Formen an, die Stress bis Verzweiflung bei ihr verursachen. Bis sie in ihrer neuen Klasse auf den Jungen Shioka trifft, der ihr klar macht, wie fragwürdig ihr eigenes Verhalten ist und dass die Verantwortung für ihr Leben in ihrer eigenen Hand liegt. Doch Yuyu hat nicht vor, Nana einfach so gehen zu lassen…
“Ich kann mein schwaches Ich nicht mehr ertragen.”
Der Entwicklungsverlauf der Serie lässt grob in drei Teile abgrenzen. Im ersten versucht Nana selbstständiger und -bewusster zu werden und vor allem von Yuyu loszukommen. Doch das Ganze wirkt vor allem zu Beginn verdächtig bis kitschig romantisch motiviert, da es Shioka ist, der ihr klar macht, dass ihr bisheriges Leben “total bescheuert” ist. An ihn lehnt sich Nana auch stark an, denn mit dem Losreißen von Yuyu steht Nana nun alleine da. Yuyu lässt derweil nichts anbrennen, um Nanas neu gefundenen Mut mit psychologischen Zwangsmechanismen zu brechen und sie wieder in ihre gewohnte Rolle zu bugsieren. Dass Nana andere gesündere Freunde findet, duldet sie nicht und sät Zwietracht, um die neuen Menschen in Nanas Leben von ihr zu entfremden. Shioka ist die erste Zielscheibe, doch vor allem ist es auch Nanas baldige beste Freundin Himari aus der Parallelklasse. Instrumental sind dabei zunächst Yuyus andere “Freundinnen” Azusa und Chihomi, die sich opportunistisch zu demjenigen wenden, in dessen Gesellschaft sie besser dastehen. Doch auch sämtliche anderen Schüler lassen sich ebenso von Yuyu in populistische Haltungsströmungen manövrieren.
Dieser Beginn entbehrt im Groben nicht gewisse Klischees: Nana ist ein schüchternes, ziemlich charakterarmes Ding, das doch nur mit allen klar kommen will. Nachdem Shioka ihr Leben betritt und Nana sich sich von Yuyu löst, erscheint es, als ob sie ihre Abhängigkeit an eine anderen Person wiederholt, diesmal nur mit einem anderen Fixpunkt im Leben. Yuyu erscheint zunächst wie eine ausgesprochen kleingeistige Antagonistin, die Nana die Hölle heiß macht, nur weil sie es gewagt hat, sich ihr zu widersetzen. Sämtliche anderen Mitschüler wirken als existierten sie nur, um zu tuscheln, tratschen, lästern und von Yuyu benutzt zu werden.
“Wenn du mich hast, brauchst du niemand anderen mehr.”
Originaltitel | Nanairo Kakumei |
Jahr | 2014 – 2017 |
Genre | Drama |
Bände | 8 |
Autor | Mizuka Yuzuhara |
Verlag | Tokyopop (2016 – 2018) |
Der zweite Teil stellt Yuyu statt in ein unsympathisches vielmehr in ein fragwürdigeres Licht. Wirkt sie erst wie ein eindimensionaler Wegwerf-Bösewicht, zeigen sich nun viel bedenklichere Seiten, die sie wie eine Stalkerin in Spe erscheinen lässt. Yuyu ist absolut fixiert auf Nana und beweist wie unglaublich ernst es ihr ist, Nana wieder für sich zu gewinnen. Wendete sie erst nur indirekte Methoden an, greift sie nun auch zu selbstdestruktiven Manövern, wohl wissend, dass die emphatische Nana sie so nicht alleine lassen kann. Ohne mit der Wimpern zu zucken, ist sie willig, ihre eigene soziale Reputation zu zerstören, sich selbst zu isolieren oder gar ihrer Schullaufbahn durch Verweigerung Schaden zuzufügen, um eine Demonstration zu geben, welche Hingabe sie von einer Beziehung erwartet. Yuyu tritt aus dem generischen Klischee heraus und zeigt immer offener psychopathische Verhaltensweisen. Sie ist eine notorische Lügnerin und intelligent im Umgang mit anderen Menschen, die sie alle mit Leichtigkeit, um den Finger wickeln kann. Gefühlsreaktionen kann sie auf Knopfdruck erzeugen und wieder ablegen. Nana leidet darunter, doch wie ein Gaslighting-Opfer lässt sie nichts unversucht, die Situation mit Yuyu irgendwie zu kitten und Himari vor ihr zu beschützen. Dabei wird ihre Beziehung zu Himari ganz ohne Yuyus direktes Einwirken gestresst. Denn Nana lässt sich weiterhin von Yuyu vollkommen vereinnahmen und vergeudet damit wertvolle Energie, die sie in den Ausbau ihrer neuen Freundschaft könnte. Auch Shioka, der zu Beginn verdächtig nach dem üblichen Shoujo-Manga-Prinz auf dem Schimmel aussieht, tritt immer weiter in den Hintergrund. Die Romanze, die zunächst wirkt, als wartet sie nur um die nächste Ecke, bleibt aus.
“Manches erkennt man erst dann, wenn man mit anderen aneinander gerät.”
Der letzte Teil geht mit einem Zeitsprung und einem Ortswechsel einher. Nana ist nun Oberschülerin, doch Yuyu ist sie damit nicht losgeworden. Anders als Himari, deren Beistand Nana durch den Rest der Mittelschule geholfen hat, besucht Yuyu die gleiche Schule wie Nana und zieht weiter hartnäckig ihre Masche durch. Diesmal hat sie es auch auf Io abgesehen, ein älteres Mädchen und Freigeist der Schule, mit der sich Nana anfreundet. Io ist cool und selbstbewusst und nimmt bei allen, die ihr nichts bedeuten, kein Blatt vor den Mund, noch schert sie sich um deren Meinung. Doch wie Himari verdächtigt auch sie Yuyu nicht und so bringen Yuyus Aktionen Ios Clique durcheinander, die zu zerfallen droht. Nana kann das nicht mit ansehen und lässt nichts unversucht, um das zu verhindern. Als die Hürde genommen ist, sind ihre neu gefundenen Bande dadurch umso stärker. Zurückgelassen wird Yuyu, der klar wird, was ihr im Leben fehlt und auch “Warum eigentlich Nana?” wird geklärt. Hier punktet die Serie sehr stark, denn sie geht auch auf Yuyu ein. So unmöglich und abscheulich die eine Seite auch sein mag, in jeder Beziehung gibt es zwei. Es macht die Situation keineswegs grau, Yuyus Verhalten verbleibt weiterhin im negativen Licht, doch gibt die Beleuchtung ihrem Verhalten eine Kausalität.
Dieses Ende ist erstaunlich nüchtern, unverblümt und realistisch gehalten. Die Reihe zeichnet ein Bild eines alltäglicheren Psychopathen, der nicht gleich ein Krimineller sein muss, wie etwa in Keiko Suenobus Life oder gar einem Hannibal (Das Schweigen der Lämmer).
Ich gestehe, Rainbow Revolution ist mir überhaupt nur aufgefallen, weil der Erstauflage des ersten Bandes eine ShoCard beilag. Der Zeichenstil wirkt, als könnte er aus der Feder eines beliebigen Ribon-Magazin Autors stammen, wie z-B. Mayu Sakai (Last Love Exit), Yoko Maki (Romantica Clock), Nana Haruta (Chocolate Cosmos) oder Moe Yukimura (Hiyokoi). Der Beginn fühlt sich an, als ob die Serie eine Shoujo-Klischee-Checkliste abhakt. Doch Yuyus Charakter, die Auseinandersetzung mit diesem und die doch sehr konsequente Auflösung haben mich allerdings sehr positiv überrascht. Das Faszinierendste an dieser Serie ist, dass sie zu keinem Zeitpunkt so wirkt, als ob sie den ganzen Psychoterror in einem tiefer gehenden ernsthaften Maße thematisieren will. Mehrschichtige Erzählkunst, die eindringliche Charakterbilder zeichnet liegt weniger vor, denn die absolute Mehrheit der Figuren ist doch eher zweckmäßig geraten und hat kaum einen individuellen Erinnerungswert. Wenn sie sich hervortun, dann in der Regel als Kontrast zu Yuyu. Die Autorin gesteht im letzten Band sogar selbst, dass sie während der laufenden Veröffentlichung keinen wirklichen Plan in eine bestimmte Richtung hatte. Umso erstaunlicher ist es, wie eine Figur wie Yuyu dabei ganz organisch zufällig entstanden ist. Psychopathie und Gaslighting werden nicht einmal beim Namen genannt. Doch so unbeabsichtigt das Ganze erscheint, lassen sich die Verhaltenszüge von Yuyu und Nana gar nicht anders bezeichnen. Diese Themen laden sehr schnell zu schwarz/weiß-Malerei ein, doch gerade das vermeidet das Ende, das selbst für Yuyu eine hoffnungsvolle Note andeutet, die ihr manch ein Leser sicherlich gar nicht gönnen wollen wird. Da die Serie keiner spezielle Agenda folgt, spiegelt sie vermutlich eher das innere Weltbild der Autorin wider. Und dieses ist erstaunlich Anti-Klischee-Shoujo: Es ist nicht die Liebe zum Mann im Leben, die einen aus der eigenen Misere rettet. Die typische “miteinander Reden”-Aussprache und das damit einhergehende “einander verstehen” ist auch nicht der immer funktionierende Heilsbringer. Ebenso kann es sein, dass man einander mag und trotzdem sollte man sich gegenseitig besser aufgeben. Denn man kann nicht alles haben. Das alles hätte ich der Serie, die so unscheinbar beginnt, kaum zugetraut.