Absentia (Staffel 1)
Victim. Survivor. Suspect. Fugitive – Opfer, Überlebende, Verdächtige, Flüchtige. Das sind die Stufen des Covers von Absentia, die die Hauptfigur Emily Burne (Stana Katic, Castle) innerhalb von zehn Folgen durchläuft. Deutschen Zuschauern ist die Serie durch ihre Ausstrahlung auf Amazon Prime bekannt, welche dort im Januar 2018 ihre Premiere feierte. Mit Erfolg, denn nur fünf Monate später wurde eine zweite Staffel des Amnesie-Thrillers geordert.
Emily Burne verschwand spurlos und wurde nach sechs Jahren Abwesenheit für tot erklärt. Zuvor war die FBI-Agentin einem Serienkiller auf den Fersen. Eines Tages findet ein Bergungsteam die Frau in einer Waldhütte vor. Sie lebt, doch jegliche Erinnerung an das, was während ihrer Gefangenschaft geschah, fehlt ihr. Doch die Entdeckung des Fundorts nach so langer Zeit kommt nicht von irgendwoher. Ihr Mann Nick (Patrick Heusinger, Royal Pains) ist ebenfalls FBI-Agent und erhielt einen Tipp. Während Emily nun also gerettet wird und ihrer Familie als sozusagen von den Toten auferstandene Frau und Mutter gegenübersteht, muss sie feststellen, dass Nick wieder geheiratet und dessen neue Frau Alice (Cara Theobold, Ready Player One) den gemeinsamen Sohn erzieht. Somit steht Emily auch in ihrem alten Zuhause keine Türe offen. Als wäre das nicht bereits Schock genug, wird sie auch noch direkt zur Verdächtigen einer neuen Mordserie erklärt…
Schlag auf Schlag
Originaltitel | Absentia |
Jahr | 2017 |
Land | USA |
Episoden | 10 |
Genre | Thriller |
Cast | Emily Burne: Stana Katic Nick Durand: Patrick Heusinger Alice Durand: Cara Theobold Jack Burne: Neil Jackson Warren Burne: Paul Freeman |
Absentia gibt Vollgas, um seiner Genre-Zugehörigkeit als Thriller voll gerecht zu werden. Die Hauptfigur wird körperlich und emotional durch so viele Extremsituationen gejagt, dass selbst der Zuschauer da kaum Luft holen kann. Denn Absentia ist ein Spiel auf Zeit. Einerseits laufen sämtliche Ermittlungen und Verdachtsmomente gegen Emily, andererseits läuft ihr widerum die Zeit davon. Denn mit jedem weiteren Mord deutet alles auf sie hin und da ihr geistiger Gesundheitszustand nach ihrer sechsjährigen Tortur noch ordentlich angeschlagen ist, stehen ihre Chancen auf Zuspruch alles andere als günstig. Das wird auch für ihre Familie und insbesondere Nick zur Zerreißprobe. Auch als Zuschauer wird man hier vor moralische Fragen gestellt: Darf man neu heiraten, wenn der Leichnam des Partners nie aufgefunden wurde? Ist ein neuer Partner ein Ersatz des alten? Sowohl Emily als auch Nick müssen sich ihren Konflikten stellen, vor allem aber sich selbst. Dazu kommen allerlei spannungsfördernde Kniffe: Verdächtige bis in die eigene Familie hinein (hat etwa Nick etwas mit Emilys Verschwinden zu tun?), eine neue Mordserie sowie ein geheimnisvoller Strippenzieher. Hier wird nichts ausgelassen, doch es fügt sich in ein stimmiges Gesamtbild ein.
Eine echte Powerfrau am Start
Stana Katic fungierte nicht nur als Hauptcharakter, sondern gleichzeitig als ausführende Produzentin der Serie, die von Sony Pictures Television Networks AXN produziert wurde. Die Serie spielt zwar in Boston, wurde jedoch überwiegend in Bulgarien gedreht. Visuell wird die Serie stimmungsvoll in ein Sepia-Gewand gepresst, um das Geheimnisvolle noch besser zu unterstreichen. Das Drehbuch gesteht seinen Figuren durchaus mehr individuelle Entfaltung zu als so manch andere Thrillerserie, während vor allem Emily regelrecht zur Rampensau wird. Sie rennt, macht, tut und das alles nur für die Wahrheit. Schwer für den Zuschauer, sie nicht zu mögen. Und das, obwohl sie immer wieder Momente hat, in denen nicht ganz klar ist, ob sie eventuell selbst Dreck am Stecken haben könnte. Für den Zuschauer ergibt sich hieraus ein ambivalentes Spiel um Gut und Böse, gekreuzt mit einem aufregenden “Flucht auf der Flucht”-Motiv. Nur die Polizei erweist sich als kein sonderlich gerissener Gegner, denn deren Ermittlungen funktionieren ausschließlich dann, wenn es darum geht, die Handlung voranzubringen, während Emily stets zwei Schritte voraus ist.
Keine Frage, die zehn Episoden von Absentia gehen schnell vorbei. Aus diesem Gesichtspunkt also alles richtig gemacht. Die einzige Schwachstelle der Serie ist die Tatsache, dass das Drehbuch es zwar generell nicht gut mit seiner Hauptfigur meint, sie jedoch immer wieder vor dem Schlimmsten bewahrt. Egal, wie ausweglos eine Situation erscheint, Emily findet in bester MacGyver-Manier immer einen Lösungsweg. Etwas mehr Schwachstellen hätten es dann schon sein dürfen, denn als Zuschauer stumpft man schnell ab und fragt sich nicht, ob sie aus der jeweiligen Situation kommt, sondern nur wie. Dafür ist der Reiz groß, jede Figur auf ihre (Un-)Schuld zu durchleuchten. Freunde düsterer Krimi-Plots und starker Frauenfiguren sollten hier unbedingt zugreifen.