American Horror Story (Staffel 9): 1984
American Horror Story darf sich als die langlebigste Post-2000er-Horrorserie der Welt nennen. Seit 2011 freut sich eine kontinuerlich wachsende Fangemeinde jährlich auf die nächste Staffel, die immer unter einem anderen Thema steht, aber geliebte Cast-Mitglieder in neuen Rollen besetzt. Staffel 7 (American Horror Story: Cult) wurde für ihre politischen Töne gelobt, aber nicht von allen Fans mit offenen Armen empfangen, während Staffel 8 (American Horror Story: Apocalypse) eine echte Fan-Staffel mit erstmals Wiederholungsauftritten beliebter Charaktere über eine Staffel hinaus darstellt. Obwohl Ryan Murphys Serien-Anthologie erst für mehrere Staffeln verlängert wurde, kämpfte die Serie mit fallenden Zuschauerzahlen. Also wurde ein Thema gefunden, das ohnehin aktuell in aller Munde ist: Die 80er. Die Rückbesinnung auf Leggins, Polaroid-Fotos und den guten alten Sommercamp-Slasher. Also: Camp am See, Killer, Kreisch! All das findet sich in American Horror Story: 1984 wieder, welches deutsche Pay TV-Zuschauer mit Vorliebe für neonfarbene Stirnbänder bis Januar 2020 auf FOX Channel erleben durften.
1984 im Sommer: Die fünf Freunde Brooke (Emma Roberts, Scream Queens), Montana (Billie Lourd, Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers), Xavier (Cody Fern, American Crime Story: The Assassination of Gianni Versace), Ray (DeRon Horton, American Vandal) und Chet (Gus Kenworthy, Sharknado 5) brauchen eine Auszeit vom turbulenten Los Angeles. Die heiße Jahreszeit lockt sie in das Sommercamp “Camp Redwood”, wo sie als Betreuer anzuheuern. Das Camp hat, wie sie erfahren, eine dunkle Vergangenheit. Als wäre das nicht unheimlich genug, ist auch noch ein gefährlicher Patient der nahe gelegenen Nervenklinik entwischt. Der Psychopath mit dem Namen Mr. Jingles (John Carroll Lynch, Gothika) hat bereits neun Camper (und ein Ohr) auf dem Gewissen. Obwohl sich Brooke bereits nach der Ankunft unwohl fühlt, reist die Gruppe nicht ab …
Aerobic und Synthesizer
Originaltitel | American Horror Story: 1984 |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 9 |
Genre | Horror |
Cast | Brooke Thompson: Emma Roberts Montana Duke: Billie Lourd Margaret Booth: Leslie Grossman Xavier Plympton: Cody Fern Chet Clancy: Gus Kenworthy Donna Chambers: Angelica Ross Trevor Kirchner: Matthew Morrison Benjamin Richter / Mr. Jingles: John Carroll Lynch Richard Ramirez: Zach Villa |
Am 28. Januar 2020 auf Fox geendet |
Bevor sich die Staffel in Slasher-Angelegenheiten stürzt, nimmt sich die erste Folge genügend Zeit, um ihre Zuschauer in 80er-Stimmung zu bringen. Beginnend mit einem Aerobic-Kurs sowie der passenden musikalischen Untermalung von Banarama (“Cruel Summer”) und Rockwell (“Somebody’s Watching Me”): Föhnfrisuren und neonfarbene Outfits untermauern, dass American Horror Story Ernst macht und nach seiner Weltuntergangsszenerie in Apocalypse das beliebteste Jahrzehnt der medialen 2010er wiederaufleben lässt. Vielleicht nicht ganz so intensiv wie Stranger Things, Liebhaber des Jahrzehnts werden aber mit massig popkulturellen Referenzen beliefert. Die Episodentitel tragen ebenso ihren Teil dazu bei (“Slashdance”, noch Fragen?). Übrigens feiert die Serie in dieser Staffel auch gleich die 100. Folge, weshalb Folge 6 den Titel “Episode 100” trägt. Immerhin ein Wink über alle Staffeln hinweg.
Die Frage aller Fragen: Wer ist (nicht mehr) im Cast?
Für Fans der Reihe ist die Frage nach dem Cast von hoher Bedeutung. Schließlich war die Serie schon immer eine Mischung aus großen Namen (Kathy Bates, Angela Bassett und natürlich Jessica Lange) und Darstellern, deren Karrieren durch American Horror Story einen richtigen Boost bekam, wie etwa Sarah Paulson und Ewan Peters. Nachdem bekannt wurde, dass weder Paulson noch Peters Teil der neunten Staffel sein würden, war die Überraschung groß. Zumal Ewan Peters seit der ersten Staffel ohne Auszeit dabei war und Sarah Paulson, die ab Staffel 2 jede Hauptrolle übernahm, ebenfalls zu den Aushängeschildern zählt. Diese Rolle wird nun Emma Roberts zuteil, welche die Staffeln 3, 4 und 8 mitprägte. Für Roberts ist Brooke gleichzeitig auch die erste Figur der Serie, die von ihrer Paraderolle als Staffel-Zicke abweicht. Worin sich die Staffel ebenfalls von ihren Vorgängern unterscheidet: Selten war der Cast so jung. Während Staffeln wie American Horror Story: Coven sowohl auf jüngere wie ältere Charaktere setzen, hat in 1984 vornehmlich die Jugend etwas zu melden. Ältere Figuren wie Margaret Booth (Leslie Grossman, American Horror Story: Cult), Doktor Rita (Angelica Ross, Pose) oder Trevor (Matthew Morrison, Glee) spielen eine Rolle am Rande.
Mehr Liebe für Serienkiller
Die Hommage an Freitag der 13. oder Brennende Rache wurde stilecht in den 80ern angesiedelt und sorgt gleichzeitig für Erleichterung bei allen, die keine mediengeilen influencenden Smartphone-Zombies mehr sehen können. Trotzdem dreht die Serie selten richtig auf: Es wird nicht genug am Gewaltpegel gedreht, um der Hommage so wirklich gerecht zu werden. Stattdessen setzt die Handlung neben Nostalgie vor allem auf Humor bei der Darstellung der Killer. Wer da direkt an Ryan Murphys Scream Queens denkt, ist dort tatsächlich besser aufgehoben, da sich die Serie selbst kaum ernst nimmt. Anders sieht das bei American Horror Story: 1984 aus, das in diesem Punkt weder Fisch, noch Fleisch sein will. Die eigentlichen Stars befinden sich gar nicht einmal im Hauptcast, sondern in den Nebenrollen: Zach Villa als psychotischer Satanist Richard Ramirez und Mr. Jingles reißen die Show binnen kurzer Zeit an sich. Was auch wieder zum Zeitgeist der 80er passt, in dem die Serienkiller (unfreiwillig) heroisiert werden und Fans eher auf der Seite von Freddy, Jason und Co. stehen. Und wer braucht schon schwarz-weiß? Killer werden zu Opfern, Opfer werden zu Killern, Unschuld wird zu Rache und Rache zu Vergebung.
Eine Nacht und drei Folgen
Vorwerfen kann man 1984 sicherlich nicht, dass es zu lang sei. Denn erstmals in der Geschichte der Serie muss eine Staffel mit neun anstelle von zehn Folgen auskommen. Da die Handlungsebene sich in den ersten sechs Folgen innerhalb einer Nacht abspielt, reiht sich Szene an Szene. Angesichts der temporeichen Erzählung kommt die Geschichte schnell auf den Punkt, versäumt aber, das Feingespür für den nötigen Spannungsaufbau anzubringen. In der zweiten Staffelhälfte kommt ein altbekanntes Serien-Element zu tragen: Zeitsprünge. Ein stets schwieriges Element. Denn während der Blick in die Vergangenheit bzw. Zukunft manche Staffel schon bereicherte, wurden nicht selten auch Handlungen ausgebremst. Auch in diesem Fall hat man sich zuviel vorgenommen, denn das eigentliche Kernstück der Staffel, das große Massaker, ist so schnell vorbei, wie es begann.
Fazit
American Horror Story: 1984 ist eine äußerst kurzweilige Staffel, die bereits mit ihrem Look & Feel scharenweise Zuschauer anzieht. Slasher-Anhänger und 80er-Nostalgiker werden hier ebenso gerne verweilen wie Serienfans, denen sich die letzten Staffeln zu sehr in die Länge zogen. Um allerdings so richtig im Genre mitmischen zu können, fehlt es 1984 als Slasher an Substanz und die Ur-Formel wird nicht zur Genüge bedient. Schade, denn die Vermischung mit allem, was American Horror Story auszeichnet, funktioniert eben auch nur in Ansätzen. Auch hinsichtlich Story und Figuren bekleckert sich diese Staffel nicht mit Ruhm. Es ist offensichtlich, was Fans an 1984 lieben. Es kommt also ganz darauf an, ob man sich eher an wendungsreicher Erzähltechnik erfreuen möchte oder sein Ross auf Spannung setzt. Im ersten Fall wird man mit dieser Staffel auf jeden Fall zufriedener sein.
© Fox