Carmen Sandiego (Staffel 1)
Kinder der 80er und 90er kennen noch die berühmteste Meisterdiebin der Welt. Die Rede ist nicht von Jeanne, die Kamikaze-Diebin, sondern von der rassigen Carmen Sandiego. Gleich in zweifacher Ausführung begleitete Carmen durch das Kinderprogramm: Zum einen in Das Erste, wo die Spielshow für Jagd um die Welt – schnappt Carmen Sandiego mit Stefan Pinnow zu sehen war. Zum anderen ist da die Zeichentrickserie Wo steckt Carmen Sandiego? (1993 bis 1995). Nach She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen gab Netflix mit Carmen Sandiego grünes Licht für eine weitere Neuauflage einer beliebten Kinderserie. Die aus Jane the Virgin bekannte und golden-globe-prämierte Gina Rodriguez leiht der Hauptfigur Carmen in der Originalversion ihre Stimme, während Finn Wolfhard (Stranger Things) ihren Komplizen The Player spricht.
Carmen Sandiego ist von klein auf in der Welt der Diebe unterwegs und zeigt sich darin auch äußerst geschickt. Wenig verwunderlich also, dass sie in der V.I.L.E. Academy für Diebe zu den begabtesten Nachwuchstalenten zählt. Doch Carmen ist eine Außenseiterin in der Klasse und besitzt anders als die anderen einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Eines Tages kommt Carmen per Zufall dahinter, dass ihr Arbeitgeber auch nicht vor Gewalt zurückschreckt und Dreck am Stecken hat. Sie beschließt insgeheim, die Seite zu wechseln, und bestiehlt V.I.L.E., um die gestohlenen Waren ihren rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Unterstützung erhält sie von dem Hacker Player sowie den Geschwistern Zack und Ivy aus Boston. Die beiden sind Carmen bei dem Überfall auf einen Donutladen behiflich, der eigentlich nur als Deckmantel für Operationen der Liga dient. Dabei erweckt Carmen die Aufmerksamkeit der Interpol-Agenten Chase und Julia, die Carmen für eine Verbrecherin halten. Doch nicht nur das: Auch Carmens einstige Mitstreiter stellen sich ihr in den Weg…
Von der Antagonistin zur Antiheldin
Originaltitel | Carmen Sandiego |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 9 (in Staffel 1) |
Genre | Thriller |
Cast | Carmen Sandiego: Gina Rodriguez Player: Finn Wolfhard Professor Maelstrom: Liam O’Brien Ivy: Abby Trott Zack: Michael Hawley |
Ursprünglich basiert Carmen Sandiego auf einer 1985 entstandenen Computerspielreihe, welche ursprünglich von der Spieleschmiede Brøderbund veröffentlicht wurde. Das letzte Spiel Mais où se Cache Carmen Sandiego? Mystère au Bout du Monde erschien jedoch nur noch in Frankreich. Sowohl die Spielreihe als auch die in Deutschland ausgestrahlte Gameshow besaß einen pädagogischen Zweck: Kindern Wissen über die Welt beizubringen, genauer gesagt geographische Kenntnisse. Die 2019er Netflix-Serie wurde von Duane Capizzi (The Batman) produziert und besitzt Kinder im Alter von sechs bis elf als Zielgruppe. Dementsprechend sachte geht es auch in dieser Serie zu. Das selbsterklärte Ziel ist aber ohnehin, die Vergangenheit der Figur zu beleuchten. Dabei geht es natürlich rund um die Welt, wobei sich Carmes Diebstähle auf handlichere Gegenstände beziehen und nicht wie in den Videospielen auf den Eiffelturm, ganze Pyramiden oder das Opernhaus von Sydney (kann man sich schon mal spontan unter den Arm klemmen, wenn man eh mal gerade vor Ort ist). Und noch etwas ist anders als früher: Carmen steht nun zwangsweise auf der Seite der Guten. Schließlich fällt ein menschlicher Spieler, der sich auf die Suche nach Carmen macht, ersatzlos weg.
Wer bist du, Carmen Sandiego?
Worin sich die Serie treu bleibt, ist der stetige Wechsel der Schauplätze: Frankreich, Ecuador, Australien. Dabei werden in gewohnter Manier Informationen über das Land gestreut. Zielgruppengerecht aufbereitet und leicht zugänglich. Im Laufe der neun Episoden kommt Carmen viel herum und der eigentliche Plot wird auch gerne mal vernachlässigt. Erst zum Ende hin greift die Serie den roten Faden wieder auf, um Angefangenes sinnvoll zu Ende zu führen. Dadurch entsteht zwischendrin minimaler Leerlauf, bei dem vor allem Carmens Persönlichkeit auf der Strecke bleibt. Folge 1 erledigt eigentlich bereits das Wichtigste hinsichtlich ihres Charakters, danach erfahren wir wenig Neues über sie. Ihr roter Mantel und ihr ikonischer Hut bleiben stärker in Erinnerung als sie selbst.
Spärliches Animationsdesign
Optisch zeigt sich die Serie deutlich aufpolierter als die 90er-Produktion, gleichzeitig mit weniger Details. Die Gesichter der Figuren weisen wenig Mimik auf, wenn überhaupt, geschieht dies über die Augen. Licht- und Schatteneffekte sorgen für ein umso plastischeres Seherlebnis. Ähnlich wie in She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen bekommt dadurch ein eigentlich simpel dargestellter Charakter mehr Tiefe. Musikalisch gibt es spannungsgeladene Musik auf die Ohren, wobei das Opening durchaus eine schmissigere Nummer wie in den 90ern vertragen hätte. Die ausgewählte Titelmusik hört sich eher an wie ein Bewerber auf das nächste James Bond-Opening und fällt dabei nicht ganz so erfrischend aus.
Fazit
Dank jeder Menge technischer Gadgets, Autojagden und Einbruchssequenzen ist Carmen Sandiego eine abwechslungsreiche Serie für ein jüngeres Publikum. Ältere Fans der Reihe werden mit dem modernen Update ebenfalls ihren Spaß haben – alle anderen sollten besser die erste Folge auf Netflix austesten. Kurzweilig sind die Episoden mit ihren 22 Minuten Laufzeit definitiv. Anders als bei She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen gibt es hier jedoch keinerlei Subtext und nichts, was zwischen den Zeilen passiert. Ob Carmen Sandiego durch die erste Staffel profitiert und irgendwann zu den großen weiblichen Zeichentrickhelden zählen wird, ist eher fraglich. In Staffel 2 bleibt einiges an Nachholbedarf. Gönnen würden wir es Carmen!
©Netflix