Cassandra

Die deutsche Netflix-Serie Cassandra erweckt das Konzept eines Smart Homes aus den 70er Jahren zu neuem, wenn auch bedrohlichem Leben. Regisseur und Drehbuchautor Benjamin Gutsche (All You Need) bringt uns eine Geschichte über eine Familie, die in ein altes Haus mit einer KI-Hausfrau namens Cassandra (Lavinia Wilson, Schule) zieht, die alles andere als hilfsbereit ist. Science-Fiction aus Deutschland ist auch im Jahr 2025 noch echte Nischenware, weshalb wir uns die Miniserie einmal genau angesehen haben. Auf dem Streamingdienst steht sie seit dem 6. Februar 2025 zum Abruf bereit.

Familie Prill, bestehend aus Mutter Samira (Mina Tander, Berlin Station), Vater David (Michael Klammer, Das Lehrerzimmer), Sohn Fynn (Joshua Kantara, Meme Girls) und Juno (Mary Amber Oseremen Tölle), flieht nach einem tragischen Ereignis in die Vergangenheit, indem sie in ein Haus mit einer 50 Jahre alten KI zieht. Wider Erwarten schafft es Fynn, einen Server zu reaktivieren. Die Roboterdame Cassandra erwacht dadurch aus ihrem langen Schlaf und stellt sich als „gute Fee“ vor, doch ihre Absichten sind weit davon entfernt, wohlwollend zu sein.

Haushaltshilfe mit Tiefe

Originaltitel Cassandra
Jahr 2025
Land Deutschland
Episoden 6
Genre Science-Fiction, Drama
Cast Cassandra: Lavinia Wilson
Samira Prill: Mina Tander
David Prill: Michael Klammer
Horst Schmitt: Franz Hartwig
Fynn Prill: Joshua Kantara
Juno Prill: Mary Tölle
Veröffentlichung: 6. Februar 2025 auf Netflix

Cassandra bietet eine Mischung aus Retro-Futurismus und modernem Horror. Wobei die Horror-Anteile so schmal ausfallen, dass sie kaum der Rede wert sind. Cassandra selbst ist mehr als nur eine Haushaltshilfe; sie ist eine Figur mit einer komplexen Hintergrundgeschichte, die durch Rückblenden in den 60er und 70er Jahren aufgedeckt wird. Hierbei entpuppt sich Cassandra als einstige Hausfrau, deren Bewusstsein in die Technik übertragen wurde, was eine düstere Parallele zu den gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbildern der damaligen Zeit zieht. Und das passt: Stehen geblieben ist Cassandra sowohl musikalisch als auch mit Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse. Schlager aus ihrer Entstehungszeit haut sie den frisch eingezogenen Bewohnern permanent um die Ohren. Und auch die damaligen Rollenbilder trägt sie in die Welt hinaus. Lavinia Wilson verkörpert Cassandra mit einer Mischung aus kalter Effizienz und bedrohlichem Charme. Ihre Performance ist das große Highlight der Serie, besonders in den Momenten, in denen sie zwischen der Fürsorge für die Kinder und der Manipulation der Erwachsenen wechselt. Mina Tander als Samira bringt eine gewisse Verzweiflung und Stärke in ihre Rolle, die den inneren Kampf der Figur gegen die Bedrohung durch Cassandra und ihre eigenen Dämonen hervorhebt.

Charaktere mit Frustpotenzial

In der ersten Hälfte zeigt sich Cassandra stellenweise richtig spannend, kränkelt aber immer wieder an der inneren Logik. Besonders bei Vater David, dessen naives Verhalten und die Unfähigkeit, die Bedrohung ernst zu nehmen, oft unplausibel wirken. Insgesamt werden in der Familie wenige Fragen gestellt: Warum überhaupt sollte es so eine KI geben, die über Jahrzehnte nicht angerührt wurde und warum wird sie einfach ohne weitere Erklärung mitverkauft? Auch die Kinderfiguren, Juno und Fynn, sind teilweise herzergreifend, aber zeitweise frustrierend, da ihre Reaktionen auf die Ereignisse im Haus oft zu naiv erscheinen. Und wenn man mal ehrlich ist: So richtig bedrohlich will Cassandra auch nicht wirken. Es muss viel getrickst werden, um den klobigen Roboter in Szene zu rücken und man kann sich kaum vorstellen, dass Cassandra in der Lage ist, schneller als ein Mensch zu sein. So oder so: Dass die Serie die Wendungen einschlagen kann, die sie einschlägt, liegt nicht an der Bedrohlichkeit, die von der KI ausgeht, sondern von der Naivität und Inkompetenz der Familie Prill. Etwas packender wirkt da schon die zweite, die Vorgeschichte des Smart Homes beschreibende Erzählebene, die sich langsam entblättert, nachdem Samira alte Dias in Augenschein genommen hat. Hier geht es zurück in die Vergangenheit in das Leben der einstigen Hausfrau Cassandra, die mit ihrem Ehemann Horst (Franz Hartwig) und ihrem gemeinsamen Sohn Peter (Elias Grünthal) ein konservatives Vater-Mutter-Kind-Dasein führt. So entwickeln sich zwei Erzählungen parallel voran.

Heimlicher Star: Das Produktionsdesign

Die technische Umsetzung der Serie ist bemerkenswert, insbesondere die Gestaltung des Hauses und der Cassandra-Roboter. Die Rückblenden in die 70er Jahre sind liebevoll inszeniert und verleihen der Serie eine nostalgische Note, die perfekt mit der futuristischen Bedrohung durch Cassandra kontrastiert. Die Bühnenbildner und Requisiteure haben viel Liebe zum Detail in das Smart Home gesteckt, um uns einerseits zurück in die 70er Jahre zu versetzen, ohne uns aber andererseits vergessen zu lassen, dass die Serie in den 2020ern spielt. Die Kameraführung von J. Moritz Kaethner und die Musik von Mathieu Lamboley (Menschliche Dinge) tragen dazu bei, eine Atmosphäre von Spannung und Unbehagen zu schaffen.

Fazit

Cassandra ist sowohl als Roboter als auch als Serie eine frustrierend-wackelige Konstruktion. Schön anzusehen mit tollen Ideen und Liebe zum Detail, das definitiv. Die erste Folge ist noch absolut vielversprechend, doch spätestens in der zweiten Hälfte drängen sich Plausibilitätsfragen auf. Mit den Charakteren würde man gerne mitfiebern, denn zumindest Familie Prill ist zwar irgendwo eindimensional, aber noch sympathisch. Aber das überhastete Ende lässt einige Erzählfäden offen und rund wirken will das Ergebnis zu keinem Zeitpunkt. Das ist jammerschade, denn auch wenn die Smart Home-Idee inzwischen ausgelutscht ist, bieten das Produktionsdesign und das Skript an sich viele tolle Ideen, die einfach noch zwei bis drei Überarbeiten hätten vertragen können.

© Netflix

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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