Dracula
Ein Anwalt allein mit einem merkwürdigen Grafen auf einer verlassenen Burg in den Karpaten. Wer kennt diese Geschichte nicht? Es handelt sich natürlich um Dracula. Am 1. Januar 2020 brachte der Streamingdienst Netflix eine neue Adaption dieser beliebten Geschichte heraus. Dieses Mal haben sich die Serienschöpfer von Sherlock, Mark Gatiss und Steven Moffat, an dem Stoff versucht und dabei ihre ganz eigene Version des bekannten Vampirromans herausgebracht. In drei Folgen treibt Graf Dracula sein Unwesen und versucht dabei so viel Blut wie nur möglich zu saugen.
1897. Ein Kloster in Ungarn. Dort versucht sich der stark mitgenommene Jonathan Harker (John Heffermann, Jonathan Strange & Mr. Norrell) von seinen Erlebnissen zu erholen. Eigentlich war der Auftrag des englischen Anwalts ganz einfach: Er sollte mit Graf Dracula (Claes Bang, The Affair) auf dessen Burg in Rumänien den Kaufvertrag für ein Anwesen in London abschließen. Doch bald bemerkt Harker, dass Dracula nicht so menschlich ist wie es scheint. Nicht nur wohnt in der ganzen Burg keine lebende Seele, auch scheint Dracula immer jünger zu werden, während Harker immer schwächer wird. Bald wird ihm klar: Graf Dracula kann nichts anderes als ein Vampir sein! Als Harker schließlich Abschiedsbriefe an seine Verlobte Mina Murray (Morfydd Clark, His Dark Materials) schreiben soll, bleibt ihm nur die Flucht übrig. Mit Mühe schafft Harker diese und kommt völlig am Ende seiner Kräfte in das Kloster. Dort berichtet er der Ordensschwester Agatha van Helsing (Dolly Wells, Can You Ever Forgive Me?) seine Geschichte. Doch Dracula hat noch lange nicht aufgegeben und ein Schiff für seine Überfahrt nach London wartet schon…
Dracula – ein Mythos wird aufgegriffen
Originaltitel | Dracula |
Jahr | 2020 |
Land | Großbritannien |
Episoden | 3 in Staffel 1 |
Genre | Horror |
Cast | Graf Dracula: Claes Bang Schwester Agatha van Helsing: Dolly Wells Jonathan Harker John Heffernan Dr. Zoe van Helsing: Dolly Wells Frank Renfield: Mark Gatiss Jack Seward: Matthew Beard Lucy Westera: Lydia West |
Seit dem 3. Januar 2020 auf Netflix verfügbar |
Schon am Anfang zeigt sich die Serie sehr düster, wenn Jonathan Harker – haarlos und sichtlich gezeichnet – im Kloster der etwas forschen Schwester Agatha seine Geschichte erzählt. Dabei wird schnell deutlich, dass sich die beiden Serieschöpfer zu Beginn ziemlich an die Buchvorlage halten. Alles scheint am zunächst einmal bekannt und bis auf ein paar Szenen wurde auch nicht viel von der Vorlage ausgetauscht. Doch an einem bestimmten Punkt kippt die Handlung und entwickelt sich vollkommen eigenständig weiter. Spätestens im letzten Drittel der ersten Folge wird deutlich, dass zwar Dracula das Thema der Serie ist, aber es vollkommen neu interpretiert wird. Ab der zweiten Folge, welche auf dem Schiff Demeter spielt, das Dracula als Überfahrtsgelegenheit nach England dient, tauchen nur noch lose bekannte Figuren auf und es ist dabei erfreulich, dass es trotzdem immer wieder Anspielungen auf das Buch gibt. Die dritte Folge spielt schließlich über 100 Jahre nach den Begebenheiten der ersten zwei Episoden und gibt demnach einen völlig neuen Ton an, indem sie die Handlung in unsere heutige Zeit bringt. Ab hier sind zwar noch namensverwandte Personen aus dem Buch vertreten, doch sie handeln vollkommen anders als in diesem. Es scheint, als hätten Gatiss und Moffat Dracula als Mythos frei interpretiert, sodass er nur lose auf seine Originalgeschichte anspielt.
Van Helsing – eine starke Frau als Gegenspielerin
Jeder gute Bösewicht wäre nichts, wenn es keinen Widersacher gäbe, der sich ihm in den Weg stellt. So auch hier und in Dracula heißt diese Widersacherin Agatha van Helsing. Sie nimmt eine starke und tragende Rolle in der Serie ein, denn sie ist begierig darauf, Draculas Geheimnissen auf den Grund zu gehen. Sie stellt, untypisch für eine Nonne, viele Fragen, ist rational und sarkastisch. Außerdem hat sie immer wieder mit sich selbst und ihren Zweifeln an der Existenz Gottes zu kämpfen. Die Schauspielerin Dolly Wells verkörpert Agatha mit Leidenschaft und schafft es, dieser Figur viel Leben einzuhauchen. Es ist faszinierend, sie im Zusammenspiel mit Dracula zu beobachten, der selbst galant und ironisch daherkommt und seine schwache Seite erst ganz am Ende der Serie zeigt. Durch beide Figuren lebt Dracula die Handlung wie ein Schachspiel zwischen Leben und Tod, das sich Vampir und Nonne liefern. Dabei stehen sich Ratio und alter Glaube gegenüber und nur einer kann bei diesem Duell gewinnen.
Neue Ideen zu einem alten Thema
Dracula versucht das Vampir-Thema neu zu interpretieren, was auch teilweise gelingt. So ist der Ansatz interessant, dass Blut Leben bedeutet und wenn Dracula dieses Blut trinkt, dann kennt er die Gedanken seiner Opfer und lernt deren Fähigkeiten. Auch der Prozess des Aussaugens der Lebenskraft aus Jonathan Harker, der während seiner Zeit auf Draculas Burg immer schwächer wird, was beispielweise durch das Abfallen ganzer Fingernägel immer deutlich dargestellt wird, ist ein neuer Ansatz. Leider fallen diese guten Ansätze durch die dritte Folge wieder weg, denn die Spannung und die geheimnisvolle Atmosphäre, welche in zwei Folgen aufgebaut wurde, fällt in der dritten Folge stark ab, da dies in unserer Zeit nicht aufrechterhalten werden kann. Zwar hat in dieser Folge auch Mark Gatiss als Draculas Anwalt Frank Renfield einen Gastauftritt, aber das rettet diese Folge nicht. Sie mutet ästhetisch an manchen Stellen wie ein psychedelisches 70er-Jahre-Musikvideo an und bemüht sich, die Spannung weiter aufrecht zu erhalten, aber trotzdem kommt sie an die ersten beiden Folgen nicht heran. Es fehlen an manchen Stellen die Anspielungen, an anderen sind sie zwar da, aber nicht vollkommen gelungen und das Ende ist nicht wirklich befriedigend. Ob der Abschluss so offengelassen wurde, damit es vielleicht eine zweite Staffel geben könnte, ist fraglich.
Fazit
Insgesamt gefällt mir Dracula sehr gut. Nicht meine liebste Dracula-Adaption, aber es macht Spaß, die drei Folgen anzusehen. Mir gefällt es, dass mit Schwester Agatha eine kluge Frau die Widersacherin von Dracula wurde, denn in Original fehlen oft die Frauenfiguren. Vor allem die ersten zwei Folgen sind ganz nach meinem Geschmack, sodass die dritte Folge ein bisschen abfällt. Das stellt insgesamt keinen Verlust dar, aber ist trotzdem ein bisschen schade, denn ich bin mir sicher, dass der Handlungsstrang auch im 19. Jahrhundert funktioniert hätte. Mir gefallen die neuen Ansätze, die die Serie bringt, und vor allem auch, dass endlich jemand den Rückalterungsprozess von Dracula auf seiner Burg aufgreift. Das habe ich bisher noch nicht oft gesehen. Frischen Schwung in die oft adaptierte Geschichte wird durch die Anspielungen dargestellt, dass Graf Dracula an manchen Stellen ein bisschen homosexuelle Neigungen zu haben scheint. Dass die Serie von den Schöpfern von Sherlock stammt, wird mir an manchen Stellen – gerade im Intro – ein bisschen zu deutlich, aber ich freue mich trotzdem, dass Mark Gatiss Renfield mitspielt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir eine zweite Staffel wünschen würde, auch wenn mich das Ende nicht zufrieden zurücklässt – aber falls es je eine weitere Staffel geben sollte, dann wird das sicher eine Weile dauern.
© Netflix