Dschinn
Dass Netflix auf Multikulti setzt, ist längst bekannt. Mit Dschinn soll eine weitere Lücke, die bislang nie jemand wahrnahm, geschlossen werden: Die erste arabische Produktion ging am 16. Juni an den Start. Die in Jordanien gedrehte Serie will ein Teenager-Drama mit Mystery-Elementen aus 1001 Nacht verbinden. In nur fünf Folgen wird also nicht nur von Cliquen, Partys und Saufabenden erzählt, sondern auch von einem Wüstendämon. Passend, dass die Kulisse das alles ergibt. Umso ärgerlicher, dass Dschinn nahezu alles falsch macht, was falsch gemacht werden kann.
Jordanien: Erst ein Schulausflug, plötzlich der Ernst des Lebens. Die Schüler haben wenig Interesse an den historischen Aspekten ihres Ausflugs in die antike Ruinenstadt Petra. Stattdessen haben die Jugendlichen anderes im Kopf. Am Abend ereignet sich eine Tragödie und der Klassenfiesling Tareq (Abdelrazzaq Jarkas) stürzt von einem Felsvorsprung in den Tod. Unfall oder Zufall? Für Hassan (Zaid Zoubi) ist klar, dass ein Dschinn hier seine Finger im Spiel hatte. Ein fremder Junge erscheint, der Mira (Salma Malhas) vor den Dschinns warnt. Langsam beginnen die Jugendlichen zu zweifeln, ob es sich bei den Geistern tatsächlich bloß um einen Mythos handelt.
Kaum ist die Serie da, gibt es den ersten Skandal
Originaltitel | Jinn |
Jahr | 2019 |
Land | Jordanien |
Episoden | 5 (in 1 Staffel) |
Genre | Fantasy, Coming-of-Age |
Cast | Mira: Salma Malhas Yassin: Sultan Alkhail Layla: Ban Halaweh Hussni: Hamzeh Okab Vera: Aysha Shahaltough Hassan: Zaid Zoubi Fahed: Yasser Al Hadi Omar: Mohammad Hindieh |
Wenn schon arabische Mythologie, dann richtig. Dschinns und Flaschengeister sind Wesen, die auch filmisch eher selten in Erscheinung treten. Sie sind weder Engel noch Dämonen, sondern Zwischenwesen, die Menschen in einigen Eigenschaften ähnlich sind. Das prominenteste Beispiel ist wohl Dschinni aus Aladdin, doch auch der US-Film Long Time Dead oder der im Iran spielende Titel Under the Shadow demonstrierten bereits, dass mit Dschinns nicht zu spaßen ist. Ganz so ernsthaft nimmt sich das Netflix-Drama der Sache nicht an. Im Gegenteil, das übersinnliche Spektakel tritt immer wieder zu Gunsten des Teenie-Dramas in den Hintergrund. Das wäre soweit noch verzeihlich, wenn es sich wenigstens um komplexere Angelegenheiten wie in Elité handeln würde. Doch mehr als Stereotypen und Standardthemen hat Dschinn leider nicht parat. Klar wird aber, dass man hier ein internationales Publikum anpeilt, denn weder Verschleierung noch die Keuschheit der Frau sind hier Themen. Genau deswegen sorgte die Serie auch schon für massiv Empörung, da eine ganze Kultur falsch dargestellt werde. Der oberste Staatsanwalt des Landes forderte die Abteilung für Internetkriminalität auf, die Serie wegen “unmoralischer Szenen” zu stoppen. Ob es wirklich das ambitionierte Ziel ist, eine realistische Serie abzubilden, sei mal dahingestellt. Dazu muss man wissen, dass Regisseur Mir-Jean Bou Chaaya in Libanon und Kollege Amin Matalqa in Jordanien geboren wurde, beide aber in den USA aufwuchsen.
Verpasste Chancen
Es grenzt gerade an ein Ärgernis, dass die Serie über fünf Folgen hinweg auf Sparflamme köchelt. Jede Möglichkeit, ein bisschen Spannung aufkommen zu lassen, wird außer Acht gelassen und in den letzten 20 Minuten muss sich das Drehbuch abhetzen, um nochmal ein bisschen so etwas wie Spannung aufkommen zu lassen. Wenn wenigstens die Auftritte des Dschinns in irgendeiner Form einen Eindruck hinterließen. Doch an den Effekten wurde merklich gespart. Auch die jungen Mimen glänzen wenig mit ihren Schauspielkünsten. Die Rollen wurden überwiegend mit Nachwuchsdarstellern besetzt, was der Serie auf einer anderen Ebene gleichermaßen Authentizität beschert. Hinzu kommt, dass Miras Charakter erfrischend rebellisch ausfällt, was man diesem Szenario vielleicht nicht zugetraut hätte. Trotzdem bleibt auch sie vergleichsweise uninteressant, sind doch meistens die Jungen um sie herum in Gefahr.
Fazit
Dschinn ist eine Serie, deren einziges Verkaufsargument ihre Herkunft bleibt. Es scheint, als hätte Netflix selbst nicht so recht an den Erfolg der Produktion geglaubt: in Deutschland erscheint sie ohne Synchronisation, sondern muss mit deutschen Untertiteln auskommen. Zwar eignen sich die fünf Episoden à 30 Minuten ideal für zwischendurch, doch man verpasst nichts, wenn man die Serie nicht gesehen hat. Das ist auch gleichzeitig das Dramatische daran: Kein anderes Setting bietet sich so gut an für eine Geschichte eines Feuerdämons, antike Bauten und Jahrhunderte alte Mythen. Begrüßenswert ist allerdings das Fernbleiben unnötiger Politisierung sowie das Ausblenden gesellschaftlich kontroverser Themen. Diese Herangehensweise erhöht die Chance, dass auch westliche Zuschauer Zugang zu Dschinn finden.
© Netflix