Gilmore Girls: Ein neues Jahr
Der Abschied fällt oft schwer: Mal nach vielen Staffeln oder auch nur nach einer. Aber wenn die Lieblingsserie freiwillig oder unfreiwillig beendet wird, bleibt im Fanherz meist nur Leere und vielleicht die kleinste Hoffnung auf eine Rettung oder ein Revival. Beides ist glücklicherweise durch den hart umkämpften Streaming- und Serienmarkt aktuell wahrscheinlicher denn je. Zwar entwickeln sich manche Revivals zu abstrusen Grotesken (Roseanne), doch manche erfüllen tatsächlich die märchenhaften in sie gesetzten Erwartungen. Nach fast zehn Jahren Pause fand sich 2016 die spezielle Gemeinschaft von Stars Hollow wieder zusammen. Schöpfer Amy Sherman-Palladino und Ehemann Daniel Palladino nahmen erneut in den Regie- und Autorenstühlen von Gilmore Girls Platz, um für Netflix Ein Neues Jahr zu kreieren.
Viel hat sich verändert, seit wir das letzte Mal auf Stars Hollow geblickt haben. Doch einiges ist auch gleichgeblieben: Rory ist inzwischen eine etablierte freie Journalistin und gibt ihre Wohnung in New York auf, um flexibler auf die beruflichen Anforderungen zu reagieren. So zum Beispiel auf das Angebot gemeinsam mit der Londoner Lebefrau Naomi Shropshire, ein Buch zu verfassen. Lorelai lebt inzwischen seit einigen Jahren wieder mit Luke in ihrem Haus zusammen und beide scheinen auch unverheiratet und kinderlos glücklich. Luke leitet immer noch sein Diner, Lorelai immer noch ihr Dragonfly Inn, doch dort verliert sie langsam den Anschluss. Concierge Michel drängt darauf, sich beruflich weiterzuentwickeln und Sookie hat sich bereits ein Jahr lang Auszeit für eine Art kulinarischer Wanderung genommen und fehlt nun schmerzlich in Lorelais Alltag. Einen schweren Schlag erlitt die Familie Gilmore vor kurzem, als Patriarch Richard an einem Herzinfarkt verstarb. Während Emily irgendwie versucht den Verlust ihres Partners zu verarbeiten, herrscht zwischen Mutter und Tochter Gilmore wieder allertiefste, schweigsame, dunkelste Eiszeit, nachdem sich Lorelai einen panischen Fauxpas bei Richards Beerdigung erlauben musste. Doch zumindest eine Konstante im Leben Lorelais scheint unveränderlich und zwar die sympathische Seltsamkeit von Stars Hollow und dessen Bewohnern. Nach wie vor finden regelmäßig die kleinen Stadtfeste statt, mit dem Fahrtservice Ööö-ber (auf keinen Fall zu verwechseln mit Uber) läuft Kirks neuste Geschäftsunternehmung vom Stapel und Taylor hat eine neue Idee, um die idyllische Gemeinde für Touristen noch attraktiver zu machen: Stars Hollow – Das Musical!
Problembewältigung über vier Jahreszeiten hinweg
Originaltitel | Gilmore Girls: A Year in the L |
Jahr | 2016 |
Land | USA |
Episoden | 4 |
Genre | Drama, Comedy |
Cast | Lorelai Gilmore: Lauren Graham Rory Gilmore: Alexis Bledel Emily Gilmore: Kelly Bishop Lane Van Gerbig: Keiko Agena Luke Danes: Scott Patterson Michel Gerard: Yanic Truesdale Paris Geller: Liza Weil Kirk Gleason: Sean Gunn Gypsy / Berta: Rose Abdoo Taylor Doose: Michael Winters |
Über vier Folgen zu je ungefähr 90 Minuten (also quasi acht TV-Episoden) wird im Revival der Verlauf eines weiteren Jahres im Leben der Gilmore Girls erzählt. Wobei jeder Folge von Winter an eine Jahreszeit zugeteilt ist. Von Anfang an besticht die Serie wieder mit dem, wofür man sie liebt: ihre rasanten und gewitzten Dialoge, randvoll gefüllt mit aktualisierten Popkulturreferenzen. Die vom Wortwitz und der Skurrilität Stars Hollows gespeiste Komik hält sich gekonnt die Waage mit den dramatischen Aspekten, wobei die Nachwehen von Richards Tod eine besondere Schwerkraft entwickeln. Ihres Partners beraubt, nach dem sie ihr Leben bis dahin ausgerichtet hat, muss Emily im Laufe des neuen Jahres die stärkste Entwicklung durchmachen. Dabei, sich selbst neu zu erfinden, bietet ihr entgegen beiderseitiger Sturheit Lorelai notgezwungen den größten Beistand. Lorelai und Luke treibt derweil paradoxerweise gerade die Vermeidung der Themen Kinder und Hochzeit, die ihre erste Beziehung zum Scheitern brachten, in eine neue Krise, obwohl sie sich den ernsthaften Gefühlen des/der anderen eigentlich sicher sein können. Und auch Rory, in ihrer Jugend meist vom Erfolg geküsst und schon durch kleinste Fehler in Selbstzweifel gestürzt, muss erstmals mit einer ganzen Reihe von beruflichen Fehlschlägen fertig werden, die sie zurück in den heimatlichen, provinziellen Schoß treiben.
Gilmore Girls: Homecoming
Schon lange bevor das Revival der Serie konkret wurde, haben Darsteller immer wieder ihr Interesse und ihre Bereitschaft für ein neues Gilmore Girls-Projekt bestätigt. Als dann die Ankündigung einer neuen Serie kam, purzelten die Bestätigungen von allen Seiten, ihre geliebten Rollen noch einmal aufzunehmen. Lediglich Melissa McCarthy galt lange als Wackelkandidatin. Bei einem derart umfassenden Cast ist es natürlich schwer, jeden zur Geltung kommen zu lassen. Während der Fokus also auf den Hauptakteuren liegt, kommen andere Figuren nur zu kurzen Auftritten. Diese geben dem Zuschauer immerhin ein kleines Update ihres Lebens (Dean, Jackson, Christopher), während andere trotz wenig On-Screen-Zeit einen entscheidenden Eindruck hinterlassen (Paris, Jess, die Life & Death-Brigade). Es bleibt jedoch nicht bei einer reinen Nostalgieaufführung. Reichlich neue skurrile Figuren wie Rorys übernatürlich vergessenswerter Freund Paul, Emilys erstes Langzeithausmädchen Berta (Gipsy-Darstellerin Rose Abdoo in einer Doppelrolle) oder die anstrengende Exzentrikerin Naomi Shropshire bereichern die Serie mit frischem Wind.
Nicht mit dabei ist erzwungenermaßen Richard Gilmore-Darsteller und Schauspielveteran Edward Herrmann, der Ende 2014 an Krebs verstorben ist. Edward Herrmann, dem die Serie gewidmet wurde, wie auch seiner über sieben Jahre verkörperten Figur wurde mit Gilmore Girls: Ein neues Jahr ein anerkennendes Denkmal mit Augenzwinkern gesetzt.
Fazit
Man könnte meinen, es bräuchte nach fast zehn Jahren Pause eine gewisse Eingewöhnungszeit. Sobald Rory in der Eingangsszene jedoch neben Lorelai sitzt und beide im Höchsttempo anfangen loszufrotzeln, ist man als Zuschauer wieder mittendrin unter Freunden, die man einfach eine Zeit lang aus den Augen verloren hat. Manche etwas älter, dünner oder dicker und mit mehr oder weniger Haaren, aber die Figuren sind dieselben. Nachdem sie vor der letzten Staffel Gilmore Girls damals unschön von der Produktion rausgekegelt wurden, ist es auch schön, dass die Palladinos für das Revival gewonnen werden konnten. Man hat fast das Gefühl, beide hätten über mehrere Jahre ein sehr, sehr dickes Notizbuch geführt, in dem sie Dialoge und Ideen für eine Wiederbelebung gesammelt haben, so dicht gepackt mit Witz und genialen Szenen ist die kurze Serie. Was mir auch gefällt ist, dass neben der Figur Rory auch der Umgang mit ihr etwas erwachsener geworden ist. War Rory in der Serie noch von sehr viel Teendrama gezeichnet und Mitleid mit ihr gefordert, wo man sich als Zuschauer teilweise eher die Haare raufen wollte, hat ihr Scheitern inzwischen weniger Tragik und mehr Komik bekommen, was sie sehr viel sympathischer macht.
Ich glaube, jeder hatte bei den Figuren in Gilmore Girls gewisse Präferenzen und manche kommen leider zu kurz, aber insgesamt ist es wirklich ein tolles Revival geworden. Da auch diese „achte Staffel“ natürlich mit einem Cliffhanger enden muss, kann man ja vielleicht das Hoffen aufnehmen, ob es nach ein paar Jahren Aus-den-Augen-verlieren irgendwann nochmal eine Wiedersehen mit Stars Hollow gibt.
Ich bin wahnsinnig froh, dass Gilmore Girls dieses Revival bekam. Und da steckt so viel Herzblut drin, dass ich mich sofort wieder wohlgefühlt habe. Ich liebe Stars Hollow und ich liebe Lorelai Gilmore. Der Blick ins Leben der bekannten Figuren ist einfach rundum gelungen. Der Umgang mit dem Tod von Edward Herrman und damit Richard Gilmore ist respektvoll und man kann ein so trauriges Erlebnis innerhalb dieser Serienwelt nicht besser umsetzen. Hat mich sehr bewegt.
Es ist schade, dass es diese fehlerhafte Kommunikation mit Melissa McCarthy gab, die dann nur kurz vorbei schaute. Aber selbst ein kurzer Sookie Moment bringt all die Gefühle wieder hoch, die eben die Lorelai-Sookie-Freundschaft ausmachen.
Dafür, dass das Format mit diesen vier saisonalen Episoden so anders ist, wird klar das beste rausgeholt. Gerne in fünf Jahren nochmal sowas.
Manchmal hätte ich Emily gern ein wenig zurückgefahren oder sie sich im Umgang mit Berta doch etwas weicher erleben lassen. Und was aus Paris geworden ist, hat mich ehrlich gesagt am wenigsten überzeugt. Wobei Schauspielerin Liza Weil noch immer diese wunderbare Energie in die Rolle steckt.
Es ist etwas schwierig für mich so ganz genau nachzuvollziehen, welche Änderungen (bzw auch welcher Trott) im Alltag nötig sind, dass Lorelai auch nur erwägt in die Wildnis zu gondeln. Aber Unzufriedenheit führt zu komischen Plänen.
Und dann ist da Rory… in der Serie muss ich manchmal schon genau drüber nachdenken, dass sie eben doch jung ist. Man macht doofe impulsive Fehler. Aber die erwachsene Rory geht mir stellenweise nur auf den Keks.