GLOW (Staffel 1)
Was ist das Beste an den amerikanischen Seifenopern aus der Blütezeit der 80er-Jahre? Genau, wenn die Frauen sich ohrfeigen und es in einem kratzbürstigen Catfight endet. Nur dumm, dass man dafür Unmengen an Episoden schauen muss. Wäre es nicht toll, wenn man all die Action mit dem dramatischen Hintergrund hätte, aber mit weniger ablenkenden pazifistischen Figuren? Die Lösung ist einfach: Frauenwrestling. Spannende Feindschaften zwischen schillernden Persönlichkeiten, die athletisch ausgetragen werden. Mit diesem Konzept entstand Gorgeous Ladies of Wrestling. Und bei Netflix gibt es mit GLOW eine fiktionalisierte Nacherzählung dieser besonderen Unterhaltungssendung im Serienformat.
Los Angeles, 1985. Ruth Wilder (Alison Brie, Community) ist eine leidenschaftliche Schauspielerin ohne Anstellung. Sie landet bei einem Vorsprechen, bei dem ungewöhnliche Frauen gesucht werden. Regisseur Sam Sylvia (Marc Maron, Almost Famous) möchte eine Wrestlingshow aufnehmen und benötigt Ladies, die gewillt sind ein paar irre Moves zu lernen und sich damit vor der Kamera zu präsentieren. Ruth steigert sich schnell hinein, was sie eigentlich ins Abseits stellen sollte, doch ihr katastrophales Privatleben lockt einen Star an. Sie hat mit dem Mann ihrer (ehemals) besten Freundin geschlafen. Debbie Eagan (Betty Gilpin, Masters of Sex) ist durch eine Rolle in einer Seifenoper bekannt, steht nun vor den Scherben einer Ehe und hat ein Baby aufzuziehen. Sam erkennt in ihr eine Chance das Projekt anzukurbeln und überredet sie mitzumachen. Ruth wird zum Prügelknaben, die Ladies lernen in illustre stereotype Figuren zu schlüpfen und dann muss endlich ein Pilot erstellt werden, der sich verkaufen lässt.
Dramödie mit schwerem Start
Originaltitel | GLOW (Season 1) |
Jahr | 2017 |
Land | USA |
Episoden | 10 in Staffel 1 |
Genre | Drama, Comedy, Sport |
Cast | Ruth Wilder: Alison Brie Debbie Eagan: Betty Gilpin Sam Sylvia: Marc Maron Cherry Bang: Sydelle Noel Carmen Wade: Britney Young Tammé Dawson: Kia Stevens Bash Howard: Chris Lowell Sheila the She-Wolf: Gayle Rankin Rhonda Richardson: Kate Nash Melanie Rosen: Jackie Tohn |
Bei dem Überangebot an Serien, müssen Pilotfolgen die Zuschauer schnell begeistern. Wer GLOW einschaltet mit der Hoffnung, dass hier schnell ein paar Gags abgeliefert werden und Wrestling-Damen ihr Können zeigen, wird enttäuscht. GLOW ist eine Dramedy, Humor und Ernsthaftigkeit halten sich die Waage und die Story nimmt sich Zeit zunächst einen emotionalen Unterbau zu schaffen. Das zahlt sich im weiteren Verlauf aus und wer dran bleibt, wird mit gut durchdachten Charakteren samt Entwicklung belohnt. Eine Wrestlingpersona muss schnell greifbar sein, auf Kernelemente heruntergebrochen werden können. Eine Serienfigur hat im Idealfall aber mehr zu bieten. Da die zehn Folgen jeweils nur etwa 30 Minuten dauern, sollte etwas Geduld drin sein. Wenn die Charakterkonstellationen etabliert sind, das erste Training absolviert ist und die Frauen einander kennenlernen, gibt es noch genug zu lachen und zu bestaunen.
Wrestling ist eine Seifenoper
Es gibt zwei Arten von Leuten. Jene, für die Wrestling eine abgesprochene Show ist. Und die, die Wrestling als eine abgesprochene Show mit Unterhaltungsfaktor sehen. Anders als etwa beim Boxen geht es nicht um den sportlichen Wettkampf als solchen, sondern um eine Form der athletisch unterlegten Geschichtenerzählung. Das erkennt auch Debbie, die mit dem Seifenoper-Format Erfahrung hat. Es gibt Stories, warum die Frauen aufeinander einprügeln und der Gewinner wird schon mal über Sympathien ermittelt. Der reale Bruch der Freundschaft zwischen Debbie und Ruth bietet da das beste Kanonenfutter, wenn sie ihre Kunstfiguren finden. Debbie geht als Liberty Belle an den Start, die Verkörperung des amerikanischen Traums. Und dazu passend wird Ruth zum sowjetischen Alptraum Zoya, the Destroyer. Das persönliche Drama füttert die Ideen für die angestrebte Show und der Serienzuschauer hat doppelt etwas davon.
Illustre Riege an Figuren
Die Nebencharaktere von GLOW sind aber nicht weniger sehenswert. Irgendwie müssen all die Frauen, die sich hier melden, auf ihre Art ein wenig durchgeknallt sein. Und so kommt eine wunderbar skurile Mischung zustande. Manche bringen passende Erfahrung mit. Beispielsweise Stuntfrau Cherry Bang (Sydelle Noel, Black Panther), die mal mit Sam gedreht hat und viel Ambition mitbringt. Oder die aus einer Wrestlingfamilie stammende Carmen Wade (Britney Young, Those who can’t), die beweisen will, dass sie das ebenso gut kann wie ihre männlichen Verwandten. Andere scheinen zunächst ebenso fehl am Platz wie Ruth. Die partyliebende Melanie Rosen (Jackie Tohn, CHIPS) oder Sheila (Gayle Rankin, The Greatest Showman), die sich als Wolfsfrau vorstellt. Jede der glorious ladies kommt mit einer eigenen Geschichte, die zumindest ein wenig angedeutet wird. Die Spielzeit ist leider zu knapp sie alle gebührend vorzustellen, aber sie liefern genug Stoff für Fans, Lieblinge in der zweiten Reihe zu finden.
Fazit
GLOW ist kurzweilig, spaßig, hat einen Haufen toller Figuren und die zehn Episoden einer Staffel lassen keine Langeweile aufkommen. Natürlich stellt sich heraus, dass Sam die Klappe weit aufreißt, aber selbst auch einen durchaus zu erweichenden Kern versteckt. Da erfindet niemand das Rad der Erzählung neu. Die Serie spielt in den 80ern und entsprechend führen sich besonders die Herren auf. Ruths erste Szene ist ein Vorsprechen, in dem sie absichtlich den männlichen Part liest, um zu zeigen, dass sie eine solche Rolle spielen könnte. Es gibt sie aber nicht für Frauen. Dank des Settings mit dieser zu produzierenden Wrestlingshow, fühlen sich die bekannten Muster aber frisch an. Die Matches sind herrlich anzusehen. Auch wenn man mal drüber nachdenken sollte, welche Stereotype aufgegriffen werden. Arthie Premkumar (Sunita Mani, Mr. Robot) ist indischer Abstammung und auf Grund ihres Aussehens bekommt sie eben die Rolle von Terroristin Beirut, the Mad Bomber zugeschoben. Ein liebenswürdige Medizinstudentin, verdammt vom Publikum gehasst zu werden. Aber Bösewichte kriegen wenigstens immer gutes Material und so auch hier. GLOW versteht es, trotz aller angesprochenen Probleme nie zu sehr ins Melodram abzudriften. Am Ende geht es um Spaß beim Wrestling und gutes Teamwork.
© Netflix