GLOW (Staffel 3)
Netflix lässt die wilden Wrestling-Damen wieder los! Anfang August 2019 startete die mittlerweile dritte Staffel von GLOW. Da geht es wieder zurück in die 80er-Jahre. Und um dem Neon-Logo das Krönchen aufzusetzen, verschlägt es die Serie von Los Angeles nach Las Vegas. Zwischen klingelnden Spielautomaten, einer Drag-Show und Kursen für Schauspiel und Tanz stellen sich die Weichen neu. Mehr Charakterdrama in den typisch schrillen Kostümen. Ring frei!
Las Vegas hat mit G.L.O.W., den Gorgeous Ladies of Wrestling, eine neue Show im Programm. Premierenabend im Hotel und Casino Fan-Tan ist aber ausgerechnet der 28. Januar 1986, der Tag der Challenger-Katastrophe. Das drückt die Stimmung zunächst gewaltig nach unten. Doch das Publikum mag die sich balgenden Damen und der dreimonatige Gig läuft recht gut. Dabei entstehen allerdings ganz neue Probleme persönlicher Natur. Jeden Abend mit denselben Gags aufzutreten und routinierte Kämpfe abzuspulen, ist keine kreative Herausforderung. Dazu hocken alle unausweichlich aufeinander, während Glücksspiel, Alkohol und andere Ablenkungen locken. Während die Arbeit zum Selbstläufer wird, ist privat viel Selbstfindung angesagt.
Wenig Wrestling
Originaltitel | GLOW (Season 3) |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 10 in Staffel 3 |
Genre | Drama, Comedy, Sport |
Cast | Ruth Wilder: Alison Brie Debbie Eagan: Betty Gilpin Rhonda Richardson: Kate Nash Arthie Premkumar: Sunita Mani Carmen Wade: Britney Young Tammé Dawson: Kia Stevens Jenny Chey : Ellen Wong Melanie Rosen: Jackie Tohn Bash Howard: Chris Lowell Sam Sylvia: Marc Maron |
Mit der dritten Staffel stellt sich GLOW einer ganz neuen Herausforderung. Die Show in Las Vegas ist gebucht, was bedeutet, dass jeden Abend für die Gäste dasselbe Programm abgespult wird. Für Netflix-Zuschauer wäre das eine Zumutung. Und so tritt der sportliche Aspekt in den Hintergrund. Ein paar Mal lassen die Mädels sich etwas Besonderes einfallen, dass ein paar Wrestling-Moves zu sehen sind, aber es gibt mehr Szenen in der Umkleide als im Ring. Für manchen kommt also ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der Serie eindeutig zu kurz. Für eine vierte Staffel haben die Macher Liz Flahive und Carly Mensch schon versprochen, dass sie Ideen in petto haben, um den Ring wieder attraktiver zu gestalten. Doch die Charaktere sind die eigentliche Story und dies ist die Zeit, sich näher mit ihnen zu beschäftigen.
Neue Aufgabenfelder
Wofür braucht eine Show, die jeden Abend von den Darstellern vorgetragen wird, die ihre Charaktere in- und auswendig kennen, eigentlich noch einen Regisseur? So ist Sam Sylvia (Marc Maron) komplett unterfordert. Zumal ihm die Alibi-Tätigkeit als Produzent nicht liegt, denn mit anderen Las Vegas Leuten auf Liebkind zu machen, ist gar nicht sein Ding. Dafür ist Bash Howard (Chris Lowell) endlich in seinem Element. Seine Ideen und kindliche Begeisterung wirken nicht mehr wie der treibende Fremdkörper. Da zeigt GLOW wunderbar, was ein Ortswechsel mit Figuren bewirken kann. Debbie Eagan (Betty Gilpin) ist da auch ganz vorne mit dabei, denn sie will unbedingt ein zweites Standbein neben der Schauspielerei aufbauen. Sie will mitsprechen, produzieren und in einer absoluten Männderdomäne ernstgenommen werden. Dafür müsste sie auch heutzutage Hürden überwinden, da die Serie in den 80er-Jahren spielt, sind diese aber ungemein höher. Und so muss Debbie sich einmal mehr entscheiden, ob sie Erfolg will oder gemocht werden will.
Alltagstrott im Spielerparadies
Jeden Abend andere auf die Matte werfen und selbst hinfallen, kann bei aller Vorsicht Spuren hinterlassen. Das trifft ausgerechnet Tammé Dawson, die von Kia Stevens gespielt wird. Stevens ist seit Jahren im echten Leben Wrestlerin und hat aktuell einen Vertrag mit der neu gegründeten AEW (All Elite Wrestling). Tammé plagt sich mit immer schlimmer werdenden Rückenproblemen, die sie versucht runterzuspielen. Damit ist für sie die Arbeit auf negative Art aufregend. Die anderen suchen sich allerdings Abwechslung, wo sie können. Dabei stehen auch Partynächte an und der ein oder andere Besuch an den Spieltischen. Nur für Ruth Wilder (Alison Brie) scheint sich so gar nicht das Richtige zu finden. Sie schreibt allabendliche Berichte, um sich zu verbessern, merkt aber einmal mehr, dass sie noch den Traum von der großen Rolle hat. Und dabei nicht vorankommt. Frust und Sinnsuche rund um Familienplanung und Karriere ist ein Dauerbegleiter der dritten Staffel.
Breite gesellschaftliche Themenfelder
Ein Pluspunkt von GLOW war von Anfang an der vielfältige Cast. Das wurde genutzt, um schillernde Wrestling Personas zu erschaffen, die auf vor allem rassistischen Stereotypen basieren. Und genau dieser alltägliche Rassismus wird nun auch etwas genauer unter die Lupe genommen. In Episode 6 “In der freien Natur” machen die Ladies einen Campingausflug, der einen Seelenstriptease mit sich bringt. Musikalisch perfekt eingerahmt mit Fleetwood Macs “Gypsy” und “Light of a Clear Blue Morning” von Dolly Parton. Unter anderem äußert sich Jenny Chey (Ellen Wong) detailliert dazu, was es für sie bedeutet, jeden Abend aus einem Glückskeks zu hüpfen, um die böse Vietnamesin zu mimen. Obwohl sie aus Kambodscha stammt und sich an die Flucht vor den Roten Khmer erinnert. GLOW muss dafür den Ton nicht sonderlich ändern, denn Triumph und Schicksalsschläge liegen in dieser Dramedy seit jeher eng beieinander, und am Ende geht es darum, dass niemand in diesem Haufen unterschiedlicher Charaktere mehr allein ist.
Gay Pride in den 80ern
Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Storylines gelegt, die Homosexualität einbinden. Bereits Staffel 2 hat da schon einen Vorstoß gewagt, mit der Beziehung zwischen Arthie Premkumar (Sunita Mani) und Yolanda Rivas (Shakira Barrera). Diese wird vertieft, wobei GLOW leider in einen allzu beliebten Fettnapf tritt und das Wort Bisexualität gar nicht in den Wortschatz aufnimmt. Dass Film und Fernsehen sich auf entweder homo oder hetero beschränken, ist ein weit verbreitetes Problem. Abgesehen davon ist Arthies Schritt zum Finden der eigenen Identität aber sehr gelungen. Die nur subtil erwähnte AIDS-Epidemie wird stärker thematisiert, da eine Varieté-Show zu Spendenzwecken entsteht. Und wer seit jeher den Subtext der Serie rund um Bash liest, wird von der emotionalen Breitseite wenig überrascht sein.
Fazit
Ich bin begeistert und zugleich am Boden zerstört, wie furchtbar schnell die zehn Folgen wieder um sind. Zwar wünsche ich mir ein kleines bisschen mehr Wrestling, da dies der Grund ist, warum diese Gruppe entstanden ist. Aber ich fiebere bei allen persönlichen Abenteuern mit. Ob’s das neue Eheleben von Bash und Rhonda ist oder die langlebige Beziehung zwischen Cherry und Keith, die Risse bekommt. Debbies große Pläne, Ruths Rückschläge, Carmens Unterforderung und natürlich Sheilas Auseinandersetzung mit ihrem inneren Wolf. Ich habe sehr viel Sympathie und noch mehr Empathie für diese Leute entwickelt. Und wenn es mal in den Ring geht, ist das sehr sehenswert aufbereitet.
© Netflix