Moon Knight
Moon Knight ist die erste Serie des Marvel Cinematic Universe, die einen Charakter in den Mittelpunkt rückt, der bislang in keinem Film der Reihe in Erscheinung trat. Die erste von vielen folgenden Origin-Storys, denn auf Moon Knight folgen Ms. Marvel und She-Hulk. Seinen ersten Auftritt hatte Moon Knight 1975 in der Comicreihe Werewolf by Night, seine Herkunft wurde jedoch erst 1980 enthüllt. Damit zählt er im Vergleich zu anderen Figuren sogar zu den neueren und damit wenig bekannteren, um nicht zu sagen: zu den Helden aus der dritten Reihe. Das ändert nichts daran, dass die am 4. Mai 2022 auf Disney+ geendete Serie hochwertig produziert und mit Oscar Isaac (Ex Machina) populär besetzt wurde. Zwei Jahre später, am 21. Juni 2024 erscheint die Produktion erstmals hierzulande im Blu-ray-Steelbook.
Steven (Oscar Isaac) betreibt einen Museumsshop, ist dafür aber eigentlich überqualifiziert. Sein Wissen über Ägypten übersteigt das aller anderen, trotzdem nimmt niemand ihn ernst. Viel erdrückender ist, dass er sich nachts ans Bett fesseln muss, um nicht irgendwo an einem fremden Ort zu erwachen. Und dann sind da noch die regelmäßigen Blackouts, die dafür sorgen, dass er nicht weiß, was in den vergangenen Minuten geschehen ist. Als er einem Kult auf die Schliche kommt, der von dem zwielichtigen Arthur Harrow (Ethan Hawke, The Nortman) angeführt wird, wird Steven bewusst, dass in seinem Körper mehr als nur eine Persönlichkeit lebt und ihm die Aufgabe zuteil wird, den Kult aufzuhalten.
(Fast) Frei von MCU-Bezügen
Originaltitel | Moon Knight |
Jahr | 2022 |
Land | USA |
Episoden | 6 |
Genre | Action, Abenteuer |
Cast | Steven Grant / Marc Spector / Moon Knight: Oscar Isaac Arthur Harrow: Ethan Hawke Layla El-Faouly: May Calamawy Khonshu: F. Murray Abraham (Stimme) Taweret: Antonia Salib Bobby / Kennedy: Ann Akinjirin Billy / Fitzgerald: David Ganly |
Veröffentlichung: 4. Mai 2022 auf Disney+ / 21. Juni 2024 (physisch) |
Moon Knight bringt etwas mit sich, das für die einen Segen, für die anderen Fluch ist: Die Serie steht weitgehend für sich. Keine Cameos, keine Easter Eggs, keine Verweise auf andere Figuren des MCU. Maximal Orte, die aus anderen Serien bekannt sind, finden Erwähnung, doch sonst kann Moon Knight eine Serie sein, die man sich ohne jegliches Vorwissen zu Gemüte führen kann. Das ist hilfreich für alle, die einfach nur „irgendwas von Marvel“ sehen wollen, ohne dabei gleich den Einstieg in den gesamten Erzählkosmos zu finden. Alle anderen, die darauf hoffen, dass das MCU weiter ausgebaut wird, werden milde enttäuscht oder müssen sich damit begnügen, dass allenfalls das Worldbuilding minimal weiterentwickelt wird. Nachdem in vorhergehenden Titeln die Asen, Kree, Deviants, Celestials, Hexen und Magier:innen eingeführt wurden, kommen nun auch noch ägyptische Gottheiten hinzu, was das Weltbild des MCU noch einmal verändert. Das fühlt sich an, als wäre ein weiterer Eintrag „freigeschaltet“.
Skurriler Psycho-Trip
Der wohl größte Unterschied zu anderen MCU-Titeln liegt darin, dass Moon Knight um ein Wesentliches brutaler und düsterer ist. Stevens Aussetzer bringen grausame Ergebnisse mit sich (ohne dass es je etwas zu sehen gibt, schließlich soll die Serie ihre FSK 12 behalten) und sind zu Beginn auch kaum nachvollziehbar. Erst nach und nach erklären sich die Umstände, woraus vor allem die ersten Folgen ihre Spannung ziehen. Damit ist Moon Knight kein No-Brainer, sondern erfordert durchaus Aufmerksamkeit, weil frühzeitig deutlich wird, dass mehr als nur eine Persönlichkeit in Stevens Körper steckt. Ein Motiv, das sich durch alle sechs Folgen und sogar bis in die Post-Credits zieht.
Keine Superhelden-Action
Mit jedem Eintrag ins MCU versucht Marvel neue Nuancen einzubringen. Moon Knight ist überdeutlich an Abenteuer à la Indiana Jones oder Die Mumie angelehnt und könntevon einer klassischen Superhelden-Action kaum weiter entfernt sein. Das macht die Serie auch mit den spärlichen Auftritten des Titelhelden deutlich. Wenn Moon Knight als Protagonist in Erscheinung treten darf, dann imposant. Aber er tritt spärlich auf. Moon Knight ist in erster Linie eine Show über Steven Grant und dessen Psyche, die sich in Sachen Action vielseitig zeigt. Verfolgungsjagden zu Fuß und per Fahrzeug, Martial Arts und abenteuerliche Erkundungstouren durch Ägypten. Wohldosierte Einlagen, die dazu beitragen, dass die Serie an ihrem Protagonisten kleben bleibt und nicht in Dauerfeuer ausartet. Weder wird es spektakulär wie in The Falcon and the Winter Soldier noch so effektiv wie in Hawkeye, stattdessen geht es deutlich in Richtung Charakterdrama.
Die Gesichter des Oscar Isaac
Oscar Isaac bringt eine sensationelle Aura mit und beherrscht die unterschiedlichen Persönlichkeiten, die er spielt. Seine Performance stellt sogar eine der besten Leistungen der gesamten Reihe dar. Sein Gegenpart Ethan Hawke kann nur bedingt mithalten. Dessen Figur Arthur Harrow spielt in den Comics keine tragende Rolle, gehört nun aber zu den ausgereifteren Bösewichten des MCUs. Das Drehbuch gibt dem Charakter vielleicht Motive, aber dem Darsteller wenig Raum wirklich zu spielen. Viel eher wirkt seine Präsenz beunruhigend, wenn er hier und dort mal die Strippen zieht. Die dritte Hauptfigur ist Layla El-Faouly, welche lose auf der Comic-Figur Marlene Alraune basiert und für die Serie stark verändert wurde. Ihre Darstellerin May Calamawy darf allerdings erst in der zweiten Hälfte so richtig aufspielen. Auffällig ist allerdings, dass die drei Hauptfiguren auch ganz andere Namen haben könnten und Moon Knight sogar ohne seine Titelfigur funktionieren würde. Die Serie bleibt einfach eigenständig und zieht ihr Ding durch, ohne sich nach links zu den Comics und rechts zu den anderen Filmen orientieren zu müssen. Das Team rund um Jeremy Slater (The Umbrella Academy) und Hauptregisseur Mohamed Diab haben es tatsächlich geschafft, eine Serie abzuliefern, die aus dem Raster fällt.
Fazit
Moon Knight ist eher ein eigenständiges Prestige-Projekt, als dass die Serie das Marvel Cinematic Universe bedeutend beeinflusst. Mit dem Ägypten-Setting, Kreaturenduellen im Assassin’s Creed-Style und einem zerbrochenen Hauptcharakter weht frischer Wind durch den Marvel-Kosmos. Es ist schade, dass der Gesamtumfang nur sechs Episoden umfasst. Dadurch wirken die Ereignisse in vielen Punkten überstürzt (an anderen Stellen hingegen langatmig) und vor allem im Finale geht alles Schlag auf Schlag. Tonal leidet die Serie unter den häufigen Sprüngen zwischen Spannung, Humor und Psycho-Porträt. Allerdings unterstreicht die Produktion auch, dass viele Stoffe im TV-Format besser funktionieren. Fürs Kino wäre Moon Knight keineswegs etwas gewesen aufgrund fehlender Massentauglichkeit. Auserzählt ist die Geschichte nicht, insofern bleibt abzuwarten, ob man bei Disney nicht von der Idee einer Miniserie abrücken und eine zweite Staffel produzieren wird. Beurteilen muss man die Serie allerdings letztlich für das, was sie ist und nicht das Potenzial, das bleibt. Damit bleibt also ein solider Abenteuer-Trip in ein göttlich geprägtes Ägypten, das überwiegend zu unterhalten weiß und gelegentlich Tempo-Probleme aufweist.
© Disney
Gute Serie. Die erste Folge konnte mich direkt abholen und fühlte sich beleibe nicht so an, wie ich denke, dass Marvel sich anfühlt. Psychokisten mit Ägypten-Flair und dann dieser Blackout-Abstecher in einer Alpendorf, wo alle meschugge zu sein schein; irritierend und spannend.
Und Oscar Isaac ist echt ne Hausnummer. Er ist hier echt Charakterdarsteller und die ganze Serie ein Character Piece; auch etwas, womit ich nicht gerechnet hätte. Gut, wenn’s dann zum Ende hin in Richtung Godzilla-Kämpfe geht, verliert’s ein bissel an Stil, aber okay; geschenkt.
Und was ich auch noch sagen muss: Ich hatte wirklich Interpreationsprobleme zum Schluss. Das Spielen mit den Realitäts- und Psychoebenen … ich dachte, ich sei da abgehärtet, aber dass Marvel mich da nochmal durcheinander bringt; ebenfalls unerwartet.
tl:tr: Die Serie ist ne Überraschungstüte. Find gut, dass sie ‚ihr Ding durchzieht‘ und den MCU-Bezügen fernbleibt.
„wie ich denke, dass sich Marvel anfühlt“ ist heute gar nicht mehr so leicht zu präzisieren. Es gab 2015 einen Wechsel an der Spitze der Marvel Studios. Seitdem hat sich vieles verändert und Marvel bzw. das MCU ist so divers geworden, dass man gar nicht mehr von Formeln, Schemen oder Mustern sprechen kann, weil jedes Projekt mittlerweile einzigartig ist. Wenn du dich also überwinden kannst, die ersten zehn Filme zu schauen (auch da gibt es gute und schlechte Titel), wird sich danach eine ganz neue Welt offenbaren, die sich absolut lohnt. Früher war vieles noch sehr oberflächlich, Moon Knight ist aber ein gutes Beispiel für steigende Komplexität und Psychologisierung der Charaktere.