Nine Perfect Strangers

2017 begeisterte die HBO-Serie Big Little Lies, basierend auf einem Roman von Liane Moriarty, Kritik und Fans gleichermaßen, sodass der ursprünglich als Mini-Serie angelegten Produktion sogar weitere Folgen spendiert wurden. Kein Wunder also, dass man es sich nicht nehmen ließ, ein weiteres Buch der Autorin zu verfilmen und gleichzeitig erneut auf schauspielerische Aushängeschilder wie Nicole Kidman zu setzen – das Ergebnis ist das Mystery-Drama Nine Perfect Strangers. Zwischen August und September 2021 lief die auf dem gleichnamigen Roman basierende Serie auf dem US-Streamingdienst Hulu. Inhaltlich geht es um den unkonventionellen Aufenthalt neun verschiedener Menschen in einem Wellness-Spa, der sich mehr zum persönlichen Horror entwickelt. In Deutschland erschienen die acht Episoden der Serie nur kurz nach US-Release wöchentlich auf Amazon Prime Video, während sie für alle, die sich die Serie ins Regal stellen wollen, am 14. April 2023 erscheint. Was für einen Gesamteindruck hinterlässt die stark beworbene Serie nun also? Lest es in unserem Review.

   

Neun verschiedene Menschen reisen für einen zehntägigen Wellness-Retreat ins sogenannte Tanquillum House in Kalifornien an. Sie alle haben ihr eigenes Päckchen zu tragen und erhoffen sich von dem Trip vor allem eines: Entspannung. Denn das Tanquillum House verspricht Transformation und Heilung. Schnell wird jedoch klar, dass die Methoden von Betreiberin Masha (Nicole Kidman, Bombshell – Das Ende des Schweigens) alles andere als konventionell sind und anstatt Ruhe erwartet die Teilnehmer eine psychische Tortur …

Neun sich nicht ganz so fremde Menschen

Originaltitel Nine Perfect Strangers
Jahr 2021
Land USA
Episoden 8
Genre Drama, Mystery
Cast Masha Dmitrichenko: Nicole Kidman
Frances Welty: Melissa McCarthy
Napoleon Marconi: Michael Shannon
Heather Marconi: Asher Keddie
Zoe Marconi: Grace Van Patten
Lars Lee: Luke Evans
Jessica Chandler: Samara Weaving
Ben Chandler: Melvin Gregg
Carmel Schneider: Regina Hall
Tony Hogburn: Bobby Cannavale
Delilah: Tiffany Boone
Yao: Manny Jacinto
Verfügbar auf Amazon Prime Video, Veröffentlichung: 14. April 2023

Der Serientitel ist schon irreführend, denn nicht alle Personen reisen alleine an, sodass es sich tatsächlich nicht um neun sich fremde Menschen handelt. Ehepaar Napoleon (Michael Shannon, Shape of Water – Das Flüstern des Wassers) und Heather (Asher Keddie, Besser wird’s nicht) reist mit Tochter Zoe (Grace Van Patten, Madyday) als dreiköpfige Familie im Tranquillum House an, die noch immer am Suizid von Zoes Zwillingsbruder Zach leidet, während mit Jessica (Samara Weaving, The Babysitter) und Ben (Melvin Gregg, Out Of Play – Der Weg zurück) auch ein junges Ehepaar dabei ist, das aber seit einem satten Lottogewinn nicht mehr wirklich glücklich ist. Die anderen Figuren erscheinen tatsächlich alleine und agieren auch so, oft sogar bis zu einem Punkt, an dem man sie als Einzelgänger bezeichnen würde. Fest steht, dass alle neun Teilnehmer des Programmes mit einem emotionalen Ballast anreisen. Die Groschenroman-Autorin Frances (Melissa McCarthy, Gilmore Girls) knabbert noch immer daran, dass sie von einem Liebesschwindler um ihr Geld und ihre Gefühle betrogen wurde, der Journalist Lars (Luke Evans, Anna) hat sich erst vor Kurzem von seinem Lebenspartner getrennt und die geschiedene Mutter Carmel (Regina Hall, The Hate U Give) wirkt zunächst freundlich, hat aber tiefsitzende Aggressionsprobleme seit ihr Mann sie für eine jüngere Frau verließ. Tony (Bobby Cannavale, Jumanji: Willkommen im Dschungel) ist hingegen einiger seiner Mitreisenden durch das Fernsehen bekannt, denn er war einst ein berühmter Footballspieler. Heute kämpft er hingegen mit einer Tablettensucht und leidet darunter, dass er keinen Kontakt zu seinen beiden Töchtern hat. Die Figurenkonstellation erweist sich somit als interessant und die Interaktionen zwischen ihnen gestalten sich als vielseitig, da sich ganz verschiedene Situationen ergeben. So wird Jessica von Carmel wenig freundlich angegangen, da diese bei ihr unangenehme Erinnerungen weckt und Frances wird mit ihren eigenen Ängsten konfrontiert. Die so unterschiedlichen neun Menschen werden unter der Führung von Spa-Betreiberin Masha einiges gemeinsam durchstehen, wobei es auch zu zahlreichen Konflikten kommt und klar wird, dass einige der Beteiligten eventuell von Anfang an nicht ganz ehrlich waren.

Worum geht es hier eigentlich? Einschlagender Mystery-Faktor

Die mysteriöseste Figur ist ohne Frage Masha, denn ihr tatsächliches Motiv bleibt lange unbekannt, auch wenn sie eindeutig ein persönliches Ziel verfolgt. Offensichtlich ist allerdings auch Manipulation im Spiel. Über Masha selbst weiß man zunächst nur, dass sie gebürtige Russin ist und vor der Eröffnung des Retreats eine knallharte Businessfrau war, bis ihr eine Nahtoderfahrung die Augen öffnete. Zudem wird sie von mehreren Assistenten, vor allem Yao (Manny Jacinto, The Good Place) und Delilah (Tiffany Boone, The Midnight Sky) unterstützt, doch sie scheint intime bis sexuelle Beziehungen zu einigen von ihnen zu pflegen, insbesondere zu Yao. Unklar bleibt, wie genau sie zu ihren Assistenten steht, was diese Konstellation bedeutet und insbesondere was alle Beteiligten zusammenhält, schließlich führen sie kein normales Wellness-Retreat. Es wird vieles angedeutet, doch wer sich erhofft, eine zufriedenstellende Antwort darauf zu bekommen, was das alles soll, wird enttäuscht. Dazu kommt, dass man als Zuschauer*in nie sicher sein kann, ob das, was aktuell vor sich geht, tatsächlich passiert oder doch nur die Hirngespinste agierender Figuren sind. Fest steht, dass die Methoden des Retreats außergewöhnlich bis illegal sind. Mit Wellness haben die Aktivitäten nicht viel zu tun. Es gibt eine harte Konfrontationstherapie. So müssen die neun Gäste allesamt ihr eigenes Grab ausheben und sich hineinlegen, um sich besser über ihre eigenen Wünsche und Ziel klar zu werden. Gleichzeitig baut Masha enge Bindungen zu den einzelnen Besuchern auf, bringt sie dazu, ihnen ihre tiefsten Geheimnisse anzuvertrauen. Auch wird Masha von jemand Unbekanntem bedroht und manchmal scheint es, als könne sie selbst gut eine Therapie brauchen. Alles in allem überzeugt der Mystery-Faktor während der Handlung, die große Ernüchterung kommt dann mit den letzten Episoden, nach denen klar ist, dass viele Aspekte schlicht nirgendwo hinführen. Das hinterlässt den unschönen Beigeschmack, dass man einfach das Publikum bei Stange halten wollte, jedoch keinerlei Gedanken daran verschwendet hat, was genau die Serie mit den spannenden und mysteriösen Szenen überhaupt bezwecken will. Sie verspricht an dieser Stelle einfach viel zu viel, was zwangsläufig zu enttäuschten Erwartungen führt.

Unausgegorene Aufteilung der Screentime

Der große Cast an Charakteren verspricht ein entsprechend figurenfokussiertes Drama, dem die Serie teilweise auch gerecht wird. Der narrative Fokus liegt auf den verschiedenen Menschen, ihren Beweggründen und ihren Beziehungen zueinander. Dabei wird jedoch ein zu starker Fokus auf die Familie Marconi gesetzt, die für Betreiberin Masha ohnehin eine besondere Bedeutung zu haben scheinen – immerhin gewährte sie ihnen einen ordentlichen Rabatt für das Wellness-Retreat. Grundsätzlich ist die Thematik um die Marconis nicht uninteressant. es geht vor allem um den unverarbeiteten Tod von Zach, unter dem Napoleon, Heather und Zoe auf ganz unterschiedliche Weise leiden. Zudem werden den Bewohnern früh heimlich Drogen verabreicht, die im Falle der Marconis dazu führen, dass sie Halluzinationen von Zach haben. An dieser Stelle wird die spannende Frage aufgeworfen, ob diese Methode gar eine gute Möglichkeit zur Trauerbewältigung sein könnte. Aber insgesamt wird zu viel Wirbel um die Geschichte gemacht und zu wenig Wert auf andere Figuren gelegt. Insbesondere das Ehepaar Ben und Jessica kommt so kurz, dass man sich schon fragen muss, welche Daseinsberechtigung die beiden Charaktere denn überhaupt haben. Ihre individuellen Probleme werden nur sehr oberflächlich behandelt und sie bleiben auch erstaunlich flach. Bei den anderen Figuren sieht es zwar besser aus und es entwickeln sich interessante Freundschaften wie etwa zwischen Lars und Carmel oder auch die eher romantische Anziehung zwischen Frances und Tony, aber auch hier bleibt die Substanz erschreckend gering. Nach der letzten Episode wirken die Lebensentscheidungen einiger Charaktere abrupt und auf viele Konflikte wird einfach nicht tiefgreifend genug eingegangen, sondern sie verblassen zur Randnotiz.

Keine originalgetreue Umsetzung der Vorlage

Nine Perfect Strangers basiert auf dem in Deutschland unter dem Titel “Neun Fremde” erhältlichen Roman von Liane Moriarty, wie bereits HBOs Hitserie Big Little Lies, auch ist an beiden Produktionen David E. Kelley (Ally McBeal) beteiligt. Allerdings ist die Serie keine originalgetreue Adaption des Buches, sondern nimmt sich viele Freiheiten heraus: So sind Ereignisse vertauscht oder sogar gänzlich anders, sodass beide Formate die Geschichte auf eine eigene Weise erzählen, die nicht einmal unbedingt zum selben Ergebnis kommt. Die Serie ist zudem eine Hochglanz-Produktion – egal ob Besetzung, Kulisse oder Effekte. Im Hauptcast finden sich viele große Namen: Etwa Star-Schauspielerin Nicole Kidman, Comedy-Ikone Melissa McCarthy (hier in einer deutlich ernsteren Rolle) oder Scary Movie-Veteranin Regina Hall. Die namhafte Besetzung leistet gute bis sehr gute Arbeit, aber auch vergleichsweise unbekanntere Schauspielerinnen und Schauspieler wie Grace Van Patten legen eine überzeugende Performance hin. Gerade Nicole Kidman verleiht Masha genau das richtige geheimnisvolle Charisma, sodass man nachvollziehen kann, warum sich die Menschen so zu ihr hingezogen fühlen und der eigentlich so fremden Frau so viel Vertrauen schenken. Ihr russischer Akzent dürfte insbesondere für Muttersprachler hingegen eher unfreiwillig komisch wirken und hat unter Fans zu mehr belustigten Kommentaren geführt. Gedreht wurde die Serie vor traumhaften Kulissen in Australien, sodass sich Zuschauer*innen über kunstvolle und wunderschöne Klippen, Wasserfälle und dicht verwachsene Wälder freuen dürfen.

Fazit

Nine Perfect Strangers ist eine spannende Hochglanz-Produktion, die mit tollem Cast, schönen Kulissen und gelungenem Mystery-Faktor punkten kann. Der Teufel steckt jedoch bekanntlich im Detail und so ist es auch hier: So interessant die Charakterkonstellation ist und so gespannt man den Episoden auch folgt, der Gesamteindruck ist recht ernüchternd. Die Serie scheitert schlicht daran, selbstständig befeuerten Erwartungen gerecht zu werden. Das heißt nicht, dass sie schlecht wäre, sondern mehr, dass viel Potenzial verschenkt wurde und man die Screentime der Figuren besser fairer aufgeteilt hätte. Am Ende bleiben viele Fragen offen und auch, wenn gerade das wöchentliche Miträtseln Spaß gemacht hat, bleibt das Ergebnis nur recht okay. Für Fans von Mystery-Dramen ist Nine Perfect Strangers trotzdem die perfekte Kost für zwischendurch.

© Amazon Prime Video


Veröffentlichung: 14. April 2023

Ayla

Ayla ist Schülerin und beschäftigt sich hobbymäßig mit allen möglichen Medien, ohne dabei Beschränkungen zu kennen. Dennoch ist sie vor allem ein Serien- & Game-Junkie und liebt besonders actionreiche und dramatische Inhalte, wobei sie gleichzeitig für viele kindliche Themen zu haben ist, weshalb sie weiterhin großer Disney-Fan ist. Abseits ihrer Leidenschaft des Sammelns ihrer Lieblingsmedien schreibt Ayla gerne selbst Geschichten oder zeichnet Bilder, um sich so zu entspannen.

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Ayres
Redakteur
3. Januar 2022 21:20

Für mich der größte Serienflop 2021. Also eine einzige Katastrophe, die auch nicht gut daran tat, dass die Folgen nur wochenweise erschienen. Jede Woche habe ich darauf gewartet, dass es in irgendeiner Form mal spannend wird oder sich irgendein cleverer Twist auftut. Doch nichts dergleichen. Stattdessen dümpelt die Handlung wie so ein Zombie übers Parkett und die Figuren langweilen tierisch. Was schade ist, denn das nicht ganz unähnliche White Lotus zeigt, wie es besser geht und ist ganz nebenbei eine der besten Serien aus 2021.

Mir bleiben aus Nine Perfect Strangers also gerade einmal zwei Dinge positiv in Erinnerung: Nicole Kidman als Masha, an deren Akzent ich mich wirklich wirklich gewöhnen musste. Und dann den supercoolen Opener “This Strange Effect” von Dave Berry (auch empfehlenswert übrigens die Version von Hooverphonic, die aber nicht verträumt und hypnotisch genug für die Serie gewesen wäre)