NOS4A2 (Staffel 1)
Ein Kinderentführer, der nicht sterben kann. Ein Ort, an dem immer Weihnachten herrscht, aber einen blutigen Tribut fordert. Und ein Mädchen, das mit seinem Motorrad die Realität aufreißen kann, um verlorene Dinge wiederzufinden. All das sind Zutaten der neuen Serie von AMC, die seit dem 7. Juni 2019 komplett auf Amazon Prime Video vorhanden ist. Basierend auf dem Roman NOS4A2 von Stephen Kings Sohn Joe Hill (Fireman), welcher hierzulande als Christmasland erschien, schlüpft Zachary Quinto nach Heroes erneut in die Rolle des Bösewichts. Als Charles Manx entführt er mit seinem schicken, aber bösen Rolls-Royce Wraith die lieben Kleinen. Ob sich die Fahrt lohnt oder das Ganze im Straßengraben endet, verraten wir in unserer Besprechung.
Seit Jahren entführt Charles Manx (Zachary Quinto, Star Trek (2009)) Kinder in das Christmasland. Ein Ort, welchen er nur erreichen kann, indem er seinen schwarzen Rolls-Royce Wraith fährt. Diesem Auto hat er es auch zu verdanken, dass er unsterblich ist. Doch nachdem er den Jungen Daniel Moore (Asher Miles Fallica, Greener Grass) entführt hat, beginnt eine Kette von Ereignissen ins Rollen zu kommen, an dessen Ende die junge Victoria „Vic“ McQueen (Ashleigh Cummings, Westside) steht. Diese fand heraus, dass sie mithilfe ihres geliebten Motorrads eine eigentlich abgerissene Brücke heraufbeschwören kann, um damit verlorene Dinge wiederzufinden. Als sie eines Tages bei der stotternden Bibliothekarin Maggie Leigh (Jahkara Smith, Debütrolle) landet, erfährt sie von Charles Manx und seinen dunklen Machenschaften. Doch da sie mit ihren Eltern und ihrem Vorhaben zu studieren genug um die Ohren hat, wendet sie sich erst einmal ab. Als jedoch ihr Pflegekind Haley Smith (Darby Camp, The Christmas Chronicles) entführt wird, beginnt sie die Jagd.
Nicht mit Vollgas voraus
Weihnachtsmusik, Geschenke und ein kleiner Junge, der vor Einsamkeit das wärmende Licht des alten Autos sucht. Die Eröffnungsszene von NOS4A2 könnte nicht passender sein. Doch anstatt dann mit einer wilden Hatz loszulegen, muss die Story erst einmal gewisse Weichen stellen. So dauert es, bis die einzelnen Handlungsfäden richtig zusammenlaufen und für Hauptcharakter Vic der Druck entsteht, ernsthaft selbst die Zügel in die Hand zu nehmen und den Kampf gegen Manx auszufechten. Doch auch wenn für den einen oder anderen unverständlich ist, warum es so lange dauert, findet man den Grund bei genauerem Hinschauen. Zuerst muss sich unser Mädchen aus der Arbeiterklasse ihrer harten Realität stellen. Ihre Mutter (Virginia Kull, Mr. Mercedes) schlug sie, ihr Vater (Ebon Moss-Bachrach, Marvel’s The Punisher) verließ sie – nicht gerade eine Bilderbuchfamilie! Nein, viel eher erkennt Vic erst nach und nach, was sie all die Jahre verdrängt hat. Zudem ist es keine alltägliche Sache, wenn plötzlich die Kraft vorhanden ist, die Welt nur mit seinen Gedanken und Wünschen zu beeinflussen. Verdrängung und Akzeptanz sind zwei Seiten einer Medaille und das passiert nicht von heute auf morgen. Sehr realistisch wird daher das Innenleben von Vic beleuchtet, was seine Zeit beansprucht.
Eher ein Thriller als eine blutige Horrorgeschichte
Originaltitel | NOS4A2 |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 10 in Staffel 1 |
Genre | Horror, Drama, Thriller |
Cast | Vic McQueen: Ashleigh Cummings Charlie Manx: Zachary Quinto Bing Partridge: Olafur Darri Olafsson Linda McQueen: Virginia Kull Chris McQueen: Ebon Moss-Bachrach Maggie Leigh: Jahkara Smith Craig: Dalton Harrod Sheriff Bly: Chris McKinney |
Hinter dem kryptischen Namen NOS4A2 verbirgt sich der Name Nosferatu. Wer das weiß, dem sollte klar sein, welcher Trick hinter Charles Manx‘ charismatischem Aussehen steckt. Doch anstelle des roten Lebenssaftes tankt er dank seines Autos die Lebensenergie seiner Geiseln und verwandelt die Kleinen in Monster, die liebend gerne ins Christmasland wollen. Eine schöne kreative Note, welche die Geschichte abseits ausgetretener Pfade führt. Doch trotz der düsteren Gegebenheiten erwartet den Zuschauer nur wenig zum Gruseln. Hier hüpft keiner schnell aus einer dunklen Ecke hervor und ekelige Leichenteile bleiben den Augen erspart. Das wenige Blut, was den Körper fliegend oder tropfend verlässt, ist selten, aber dafür stilvoll. Wenn eines der Monsterkinder eine Retterin ins Auto zieht und eine blutige Hand an die Scheibe klatscht, ist das schon ausdrucksstark genug. Viel eher wandelt Vics Abenteuer auf den Spuren eines Thrillers, denn selbst mit ihrer Brücke ist es nicht so einfach, den bösen Weihnachtsmann zu erwischen. Bei ihrem ersten Versuch Manx zu finden, landet das Gör zum Beispiel bei ihrem Freund, dem Hausmeister Bing Partridge (Ólafur Darri Ólafsson, Phantastische Tierwesen 2: Grindelwalds Verbrechen). Dass dieser Dreck am Stecken hat, das wissen nur wir und daher möchte der Zuschauer zum Fernseher brüllen, dass sie sich in Acht nehmen muss.
Das Messer, das die Realität aufschneidet
Die Fähigkeiten, die Vic und die anderen Kreativen, so der Begriff für all jene, die mit ihrer Macht die Realität umformen können, besitzen, sind in dem Sinne ungewöhnlich, dass alle einen hohen Preis dafür bezahlen müssen. Wenn Maggie ihren magischen Beutel mit Scrabble-Steinen befragt, stottert sie danach. Ein noch harmloser Preis, denn wenn Vic ihre Brücke benutzt, leidet sie unter Schmerzen im linken Auge und ihr erklärt Manx in einem Gespräch, dass sie auf die Fledermäuse achten soll. Die kleinen Tiere leben in der überdachten Brücke und symbolisieren Vics geistigen Verstand. Bei jedem Gebrauch fliegen einige davon, was kein gutes Zeichen ist. Wie immer ist also nichts im Leben umsonst. Nur das Böse fand einen Weg zum Schummeln. Manx‘ junges Aussehen ist aber auch nicht von dauerhafter Natur, denn er muss ständig für Kindernachschub sorgen, was nicht immer einfach ist. Ein großes Lob gebührt daher definitiv den Maskenbildnern, denn wenn Zachary Quinto zum Greis mutiert, sieht das perfekt aus. Ein wenig leidet zwar dessen Mienenspiel unter all den falschen Hautschichten, doch dafür kann der Schauspieler in anderen Szenen brillieren. Allgemein ist der Cast von NOS4A2 durch die Bank weg passend und hochgradig besetzt. Besonders beeindruckt Ashleigh Cummings, deren Wut, Angst und Trauer so greifbar sind. Wir können daher gar nicht anders, als ihr die Daumen für die Erreichung ihrer Ziele zu drücken.
Willkommen im Christmasland
Optisch präsentiert sich NOS4A2 in gedeckten Farben, welche für ein stimmungsvolles Bild sorgen, da so das Leuchten der Lichterketten oder des Christmaslands besonders hervorstechen. Auch mit anderen Stilmitteln arbeitete das Team hinter dem Titel, um für Stimmung zu sorgen. Unschärfe, Weichzeichner oder längere Schwarzeinblendungen, hier steckt Liebe zum Detail. Gerade das, was wir vom dunklen Kinderparadies erblicken können, erweckt den Wunsch, selbst länger verweilen zu dürfen, um sich ausführlich umzuschauen. Für Fans der Vorlage überlegten sich Produzentin Jami O’Brien (Fear the Walking Dead) und ihr Team einiges. Zum einen sind die Zeichnungen aus dem Roman von Gabriel Rodriguez (Locke & Key) übernommen worden, um bestimmte Ereignisse besonders anzukündigen. Das Design des Parks samt böser Kinder, welches Charles Paul Wilson II entwarf, der die Comic-Vorgeschichte Wraith – Todesfahrt ins Christmasland mit Joe Hill produzierte, findet sich hier wieder. Zum anderen wird das Bild durch einen passenden Soundtrack abgerundet. Selten bekommt der Zuschauer in anderen Geschichten ein mulmiges Gefühl, wenn Weihnachtsmusik erklingt. Besonders makaber, wenn Vic in einem Haus vor Manx um ihr Leben flüchten muss und dabei von The Chipmunks der Song „Hula-Hoop“ läuft.
Genug Material für eine weitere Staffel
Während der Roman mit einer achtjährigen Vic beginnt, die mit ihrem Fahrrad das erste Mal die Shorter Way Bridge benutzt, startet die Serie bei der Göre im Teenageralter. Auch andere Veränderungen finden sich im Skript, wobei gerade zum Finale hin NOS4A2 wieder zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Buchleser müssen sich daher darauf einstellen, keine Eins-zu-eins-Umsetzung zu bekommen. Während einige Hinzudichtungen die Geschichte aufwerten, müssen einige neue Dinge kritisch betrachtet werden. Während Vics Familienleben ausführlicher von der Handlung dargestellt wird, erfährt der Zuschauer leider nicht, woher Manx sein dämonisches Auto hat. Vielleicht wird darauf in einer zweiten Staffel eingegangen, endet die Serie doch nicht ganz endgültig.
Fazit
Den Roman Christmasland saugte ich bis zum letzten Buchstaben regelrecht auf. Dementsprechend war ich extrem neugierig, wie die Serienumsetzung sein wird. Natürlich war mir klar, dass einige Dinge wegfallen oder hinzugedichtet werden, doch es blieb die Frage, ob am Ende eine runde Sache dabei herauskommt. Ich würde sagen, dass sie es nicht ganz ist. Zu Beginn braucht das Skript einfach seine Zeit, um die Schauplätze, Handlungen und Figuren richtig zusammenzubringen. Wie bei einer Fahrt zum ersehnten Urlaubsort ist hier Geduld gefragt. Diese zahlt sich dann auch aus, denn die Spannungskurve steigt noch gut nach oben, nachdem Vics Entwicklung einige heftige Entscheidungen mit sich brachten.
© Amazon
Habe die Serie auch schon vor zwei Wochen durchgezogen. Das lief etwas ungünstig mit dem Ansehen, denn die erste Hälfte konnte ich noch am Stück schauen, dann verging eine Woche, in der alles Mögliche dazwischen kam, und dann lief das Ansehen der restlichen Episoden eher holprig ab. Habe leider dann auch nicht mehr so recht reingefunden, was ich schade um „NOS4A2“ finde. Doch soweit ich das einschätzen kann, hat sich ab Folge 6 sowieso Leerlauf eingestellt…
Was gefällt mir an der Serie? Ersteinmal finde ich die Atmosphäre sehr dicht. Sie erinnert mich an Horrorfilme aus den 80ern, bei denen immer eine Menge im Hintergrund passiert, während man vordergründig ganz alltägliche Dinge wahrnimmt. Vic ist eine sympathische und vor allem zugängliche Hauptfigur, aber Zachary Quinto als Charlie Manx einfach unschlagbar. Die Maske hat alle Arbeit geleistet, ihn altern zu lassen. Mit Maggie wurde ich leider nicht warm. Als Medium tritt sie mir einfach viel zu selbstverständlich auf.
Das Christmasland ist ein fantastischer Ort. Ich dachte erst, man würde es nie von innen sehen, da anfangs immer nur angedeutet wurde, aber da hat man sich ja wirklich keine Kosten und Mühen gescheut. Unangenehm finde ich da schon fast meine Assoziationen. Nämlich Michael Jackson und die Neverland Ranch…
Zudem finde ich gut, dass hier im Grunde genommen ein Auto der Vampir ist. Das klingt erstmal einfach nur abstrakt, funktioniert in der Praxis jedoch ganz gut.
Da eine zweite Staffel schon in der Pipeline ist, werde ich mir die erste dann nochmal in einem Rewatch ansehen. Von der Idee her ist alles stimmig, nur die Erzählung in der zweiten Hälfte… Die Integration der vielen Storylines (der Hausmeister, die um Vic buhlenden Jungs) kommt innerhalb der Vic-Manx-Hauptgeschichte nur schwer in Gang.