Now Apocalypse
Eine Serie, die zum Polarisieren gemacht wurde: Sex, Sex und nochmals Sex. Ganz so plump wie sich das anhören mag ist das nicht (die ganze Zeit über). Hinter Now Apocalypse steckt Indie-Regisseur Gregg Araki (Mysterious Skin – Unter die Haut), der gemeinsam mit der Sexkolumnistin Karley Sciortino (Easy) das Drehbuch für den 2019er Next-Level-Trip schrieb. Arakis Fans wissen, dass er zu den Begründern des New Queer Cinema zählt und erkennen sofort Versatzstücke der Filme Kaboom und Nowhere wieder. Deutsche Zuschauer können sich die zehn Episoden auf dem Amazon Prime-Channel Starzplay ansehen, wo die Serie wöchentlich zwischen März und Mai 2019 ausgestrahlt wurde.
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Los Angeles: Ulysses (Avan Jogia, Ghost Wars) ist ein homosexueller Teenager der Marke verträumter Romantiker. Trotzdem hüpft er von einem unpersönlichen Sexdate ins nächste und fordert bewusst die heteronormativen Konventionen der Gesellschaft heraus. Gäbe es Romantik wirklich, wären er und sein Mitbewohner Ford (Beau Mirchoff, Flatliners) sicherlich ein Paar. Doch dieser schläft lieber mit seiner Freundin Severine (Roxane Mesquida, Kaboom), welche am liebsten ihre monogame Beziehung öffnen würde. Und dann sind da noch Ulysses‘ beste Freundin Carly (Kelli Berglund, Fosse/Verdon) und deren Freund Jethro (Desmond Chiam, The Shannara Chronicles). Bis auf Severine, welche als Wissenschaftlerin arbeitet, haben sie alle das Ziel, in Hollywood Fuß zu fassen. Eines Tages kommt Severine in einem Labor einer außerirdischen Verschwörung auf die Spur …
Teenie-Apokalypse
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Originaltitel | Now Apocalypse |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 10 (in 1 Staffel) |
Genre | Coming of Age, Comedy |
Cast | Ulysses Zane: Avan Jogia Carly: Kelli Berglund Ford: Beau Mirchoff Severine: Roxane Mesquida Gabriel: Tyler Posey Isaac: Jacob Artist Jethro: Desmond Chiam |
Seine ersten Erfahrungen als Episodenregisseur sammelte Araki passenderweise bei anderen Teenieserien: Tote Mädchen lügen nicht und Riverdale. Now Apocalypse bietet ein wildes Durcheinander von flippigen Figuren und natürlich ganz viel Sex. Ein Markenzeichen des Regisseurs, der mit seiner “Teen Apocalypse Quadrologie”, bestehend aus Totally Fucked up (1993), The Doom Generation (1995), Nowhere (1997) und Kaboom (2010) bereits aussagekräftige Statements zum Thema sexuelle Offenheit lieferte. Gregg Arakis Homosexualität zieht sich durch (fast) all seine Werke und entsprechend offen, tolerant und vielfältig sind auch seine Charaktere gestaltet. Ulysses sehnt sich eigentlich nach Halt und Geborgenheit, lebt aber in einer übersexualisierten Gesellschaft, in der sich Männer eben betrügen oder auch mal nachts irgendwo Sex auf einem Hinterhof haben, wenn die Lust das so verlangt. Und Carly verdient nebenbei ihr Geld als Cam-Girl, indem sie einfach nur einem Fremden ihre Füße zeigt. Fußfetischismus zählt noch immer zu den wenig anerkannten, wenn nicht sogar häufig verpönten sexuellen Vorlieben. Aber Now Apocalypse macht auch diesen Fetisch präsent, stellt ihn schließlich gleichauf mit Hetero-Sex oder schwulem Sex. Da Gregg Araki ohnehin besonderen Wert auf Visuelles legt, wird der Orgasmus passenderweise auch gleich noch durch eine Art Feuerwerkeffek unterlegt.
Ziellos durch die Genres
Ein wirkliches Ziel hat die Serie nicht. Zumindest läuft sie weder auf einen dramatischen Höhepunkt zu, noch gilt es, das vorgeschriebene Rätsel zu lösen. In dieser Hinsicht enttäuscht Now Apocalyspe ohnehin: Alles, was ansatzweise den Eindruck erweckt, Mystery- oder Sci-Fi-Element zu sein, überzeugt nicht und erweckt eher den Eindruck, die Mischdosis künstlich hochtreiben zu wollen. Anders sieht es da mit den Coming-of-Age-Anteilen aus. Die jungen Erwachsenen sammeln ihre Erfahrungen und lassen uns daran teilhaben. Die Bandbreite umfasst alternative Beziehungsmodelle bis hin zu Pinkelspielen in der Wanne. Die Message ist klar: jedem Tierchen sein Pläsierchen. Gepfeffert mit mal spritzigen, mal abgedroschenen Dialogen macht Now Apocalypse noch die beste Figur, wenn man die Show einfach nur als Sexkomödie in Serienform wahrnimmt. Alle anderen Ansprüche bleiben auf der Strecke, anders als etwa der wirkliche Genremix Kaboom.
Bewusstes Anecken
Drei Erzählstränge sollen und wollen den Zuschauer bei Laune halten. Ulysses‘ Geschichte beschreibt eine Wandlung vom Sexdate-Hopper zum Romantiker und ist damit wohl auch die harmloseste Storyline. Anders sieht das bei Carly aus, die immer tiefer in eine Fetischwelt abrutscht und dabei ganz neue Seiten an sich entdeckt. Dieser Strang besitzt die wohl skurrilsten Szenen, macht mitunter aber auch am meisten Spaß. So ein Mittelding ist die Beziehungskiste zwischen Ford und Severine. Während Ford für witzige Szenen sorgt, indem er schlichtweg nicht erkennt, dass die halbe Welt (inklusive aller Männer der Serie!) auf ihn steht, wird Severines Agenda schnell öde. Sie versucht zwanghaft, ihren Freund für polyamoröse Angelegenheiten zu gewinnen und lässt ihn immer wieder abblitzen, sobald es zu romantisch wird. Unterhaltsam ist das nur bedingt, dafür kommt Neues auf die sexuelle Spielwiese.
Wir reden hier über Sex
Man kann an dieser Stelle drei Sorten Zuschauer unterscheiden. Die einen, die angeekelt von soviel Hemmungslosigkeit und sexueller Vielfalt sind und wieder wegschalten (oder gar nicht erst einschalten). Die anderen, die noch nie von Gregg Araki gehört haben und einfach von soviel Nacktheit angezogen werden. Und jene, denen Gregg Araki als Name ein Begriff ist oder die zumindest noch Kaboom in entfernter Erinnerung haben. Now Apocalypse lässt sich quasi als Kaboom gekreuzt mit Nowhere in Serie bezeichnen, so oft wie beide Filme narrativ und visuell rauf und runter zitiert werden. Mit James Duval und Roxane Mesquida kehren sogar zwei Darsteller des Films zurück, allerdings in neuen Rollen. Auch diese Serie besticht mit schön anzusehenden Menschen, trendy Wohnungen und modischen Klamotten. Rein optisch ist hier alles bis ins Detail durchgestylt und hebt sich gar nicht so sehr von anderen Comedyserien ab. Bis auf die Sache mit dem Sex, der für eine solche Serie relativ mutig dargestellt wird.
Fazit
Now Apocalypse fällt ziemlich durchwachsen aus. Die Figuren mitsamt sexuellen Vorlieben und Romanzen stehen ganz klar über der Geschichte. Diese lässt sich schon fast auf einen Bierdeckel schreiben und vor allem die Alien-Verschwörungen entpuppen sich als störender Bestandteil. Als reine Sexkomödie funktioniert die Serie prächtig und liefert dabei gleich mehrere sexuelle Gangarten, die eher seltener anzutreffen sind. Als Zuschauer sollte man offen für LGBT-Szenen sein, denn davon gibt es zuhauf. Hat man keine Lust auf pausenloses Sexgelaber, wird man um diese Serie ohnehin einen weiten Bogen machen.