Star Trek: Lower Decks (Staffel 1)
Auf Star Trek: Discovery und Star Trek: Picard folgte mit Star Trek: Lower Decks 2020 der nunmehr dritte Titel seit der Wiederbelebung des Franchise in serieller Form – hier im animierten Serienformat, seit Januar 2021 auf Amazon Prime Video. Schöpfer Mike McMahan (Rick and Morty) führt Fans dabei nicht nur zurück in die beliebte Next Generation-Era (Lower Decks spielt ein Jahr nach Star Trek: Nemesis), sondern richtet den Fokus mit dem Unterstützungsschiff U.S.S. Cerritos und einer Gruppe von einfachen Mannschaftmitgliedern auf den Alltag abseits galaxiebewegender Ereignisse oder erster Kontakte. Am 18. November 2021 erschien die Serie als Heimkino-Veröffentlichung.
Tatsächlich ist die Spezialität der Cerritos sogar der zweite Kontakt. Nachdem der diplomatisch prekäre Erstkontakt überstanden ist und die Elite der Föderation weiter in die nächsten unerforschten Weiten des Weltraums gewarpt ist, kommen Unterstützungsschiffe wie die Cerritos ins Spiel. Sie regeln weitere Formalitäten, wie Kommunikationsmöglichkeiten zur Föderation einzurichten oder Informationen für weitere Besuche einzuholen. Nicht gerade die schillerndste Aufgabe in einer Organisation, die sich so hochgestochenen Zielen wie der friedlichen Erforschung neuer Welten und fremder Kulturen verschrieben hat. Aber diese Aufgaben müssen halt auch erledigt werden und die Brückencrew rund um Captain Freeman und Commander Ransom findet Wege, sich auch diese unrühmlichen Wartungsarbeiten der angestrebten friedlichen Koexistenz schönzureden. Vermeintlich noch unwichtiger geht es auf den unteren Decks zu, wo die normalerweise anonyme Riege an die Gänge auffüllenden Fähnrichen (an denen das Brückenpersonal auf dem Weg zur nächsten Krise vorbeischwirrt) meist damit beschäftigt ist, Wartungsarbeiten am alternden Schiff durchzuführen. Zu dieser Riege stößt nun auch Fähnrich D’Vana Tendi, eine enthusiastische Wissenschaftsoffizierin, die auf der Krankenstation assistieren soll. Kaum an Bord macht sie auch schon Bekanntschaft mit Fähnrich Rutherford, einem Cyborg und Reparaturtechniker, der nichts lieber macht als seine Zeit in den Jefferies-Röhren zuzubringen, sowie den Fähnrichen Boimler und Mariner. Während Boimler noch relativ grün hinter den Ohren ist und streng die Vorschriften befolgend Karriere machen will, hat Mariner einige Missionen auf anderen Schiffen hinter sich und nach ihren eigenen Worten schon ziemlich viel seltsamen Scheiß erlebt. Ihre Eigenheit, nicht viel auf Vorschriften zu geben und stattdessen einfach das zu tun, was sich richtig anfühlt, bremst nicht nur ihre Karriere aus, sondern frustriert auch regelmäßig ihre Mutter: Captain Freeman.
Star Trek ist witzig
Originaltitel | Star Trek: Lower Decks |
Jahr | 2020 |
Land | USA |
Episoden | 10 in Staffel 1 |
Genre | Science-Fiction, Komödie |
Cast | Beckett Mariner: Tawny Newsome Brad Boimler: Jack Quaid D’Vana Tendi: Noël Wells Samanthan Rutherford: Eugene Cordero Carol Freeman: Dawnn Lewis Jack Ransom: Jerry O’Connell Shaxs: Fred Tatasciore T’Ana: Gillian Vigman Andy Billups: Paul Scheer |
Veröffentlichung: 22. Januar 2021 auf Amazon Prime Video, 18. November 2021 (Blu-ray, DVD) |
Die Ankündigung der Serie wurde im Vorfeld von vielen Trekkies mit Argwohn beäugt. Immerhin sollte es sich dabei nicht nur um eine Animationsserie sondern dazu auch noch um ein Comedy-Format handeln, das zum offiziellen Star Trek-Kanon gehören soll. Lower Decks wäre dabei jedoch nicht die erste Animationsserie im Star Trek-Universum, auch wenn man die animierte Fortsetzung der Originalserie unter dem Titel Die Enterprise mal gerne vergisst. Auch ist es nicht ungewöhnlich, dass Star Trek in komisches Terrain vorstößt. Man erinnere sich bspw. an Folgen wie „Kennen Sie Tribbles?“ (Raumschiff Enterprise), diverse Q-Folgen in Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert ganz zu schweigen von Holodeckspäßen wie „Unser Mann Bashir“ (Deep Space Nine) oder „Chaoticas Braut“ (Raumschiff Voyager), die allesamt gerne zu den Lieblingsfolgen vieler Fans gezählt werden.
Star Trek ist seltsam
Damit man seine Freude an Lower Decks haben kann, das sich trotz des gerne mit Kinderprogramm assoziierten Daseins als Cartoon wohl mehr an Erwachsene statt an Kinder richtet, muss man sich vielleicht ein paar Sachen vorher in Erinnerung rufen: In Star Trek steckt nicht wenig idealistische Utopie. Diese Vision hat bis heute den lobenswerten Effekt, das Star Trek-Titel Diversität und Inklusion vorleben oder dass viele Figuren in ihrer Prinzipientreue bezüglich Werten wie Aufgeschlossenheit, Vernunft oder friedliche Konfliktlösung moralische Vorbilder darstellen. Man muss sich jedoch auch in Erinnerung rufen, dass serienübergreifend hunderte an Star Trek-Folgen oft ziemlich seltsam und auch mal etwas trashig ausfallen. Es passiert ziemlich viel seltsamer Scheiß, wenn man mit der Föderation das Weltall erkundet. Zum Beispiel sowas, wie dass man eine Liebschaft mit einem durch Plasmakerzen angetriebenen Geist eingeht, welcher später den Körper der frisch beerdigten Großmutter besetzt (die Folge „Ronin“ in Das nächste Jahrhundert). Oder dass man sich nach einem Warpantrieb-Experiment plötzlich in eine Eidechse entwickelt, den eigenen Captain entführt, die sich ebenfalls in eine Eidechse verwandelt und mit der man auf einem Sumpfplaneten Nachwuchs zeugt (die Folge „Die Schwelle“ in Voyager). Wenn man Star Trek rein auf den Idealismus reduziert, was sehr selektiv wäre, und entsprechend ernst nimmt, dann kommt einem Lower Decks natürlich wie Majestätsbeleidigung vor und man wird die Serie hassen. Wenn man Star Trek mit all seinen teilweise auch etwas schrottigen Facetten liebt, mit all den wiederkehrenden Plot-Wendungen, Szenarien und all der ausgefallenen Seltsamkeit, wenn man die Bereitschaft mitbringt, die Föderation als Vision nicht zu ernst zu nehmen, dann kann man an Lower Decks den allergrößten Spaß haben.
Parodie, ohne Parodie zu sein
Lower Decks fühlt sich in vielerlei Hinsicht an wie eine Parodie, ohne den Weg komplett zu bestreiten. Kapitäne wie Kirk, Janeway oder Picard und ihre Abenteuer sind den Fähnrichen genauso ein Begriff wie den Zuschauern. Immerhin handelt es sich dabei um Legenden, deren Missionen an der Akademie behandelt werden und es scheint ja wirklich so, dass den Crews der Enterprise anscheinend jede Woche eine neue Verrücktheit passiert. Entsprechend häufig sind dann auch die Anspielungen auf diverse Missionen bzw. TV-Folgen und auch viele Szenarien in Lower Decks kommen einem schnell bekannt vor. Etwa wenn die Cerritos-Crew auf Spezies trifft, die genau eine definierende Eigenheit oder genau einen speziellen kulturellen Fokus haben, sich die Crew plötzlich im Justizapparat einer fremden Kultur wiederfindet oder das Holodeck durch einen Unfall plötzlich zur tödlichen Gefahr wird. Manchmal geht es nur um Nebensächlichkeiten, oft können die Krisen, in welche die Cerritos gerät, auch ernst und spannend geraten. Es geht um Leben und Tod, darum das Schiff zu retten oder Planeten vor einer Katastrophe zu bewahren. Es passiert im Grunde dasselbe, was in den anderen Serien passiert. Die Perspektive verändert sich jedoch vom Ernsten zum Komischen, von den Hauptakteuren zum Personal an den Seitenlinien und die Situationen werden parodistisch derart überzogen und weitgetrieben, dass man dabei lachen kann.
Bitte merken: Tawny Newsome
Wie es für Comedy-Titel üblich ist, präsentieren sich viele der Figuren als teilweise überzogene Stereotypen mit hervorstechenden und leicht auszumachenden Charaktereigenschaften, die für sich oder im Zusammenspiel schon für Komik gut sind. Tendi und Rutherford sind riesige Techniknerds, die stundenlang über einen neuen Tricorder schwärmen könnten. Boimler ist ein Streber und Mariner die ihm entgegengepolte Rebellin, die bei jedem Offizier aneckt. Dabei bewegt man sich jedoch ebenfalls in Star Trek-typischen Grenzen. So erinnert Commander Ransoms Neigung zu coolen Sprüchen und noch cooleren Posen an Kirk und Riker, Sicherheitsoffizier Shaxs‘ Neigung zu undiplomatisch harten Gegenmaßnahmen an Worf oder Odo und Captain Freemans aufdringlich dargestellte Entschlossenheit an Sisko oder Janeway. Obwohl zehn Folgen zu je ca. 25 Minuten dafür wenig Zeit bieten und dies in Komödien auch nicht zwingend nötig ist, bleibt sogar noch Platz für etwas Charakter-Entwicklung, besonders in der Tochter-Mutter-Beziehung zwischen Mariner und Freeman. Der Voicecast ist ebenfalls gut bestückt mit Noël Wells (Master of None) als Tendi, Eugene Cordero (The Good Place) als Rutherford, The Boys-Star Jack Quaid als Boimler oder dem ebenfalls bekannteren Film- und Seriendarsteller Jerry O’Connell (Sliders) als Commander Ransom. Den größten Eindruck hinterlässt jedoch mit Abstand Tawny Newsome (Space Force), die bei der für Föderationsverhältnisse maßlos extrovertierten Mariner in jeder Folge mindestens 110 mitreißende Prozent gibt.
Fazit
Zugegeben: Bei der Ankündigung von Lower Decks habe ich mich schon gefragt, ob das denn sein muss und ob das klappen kann. Es klappt, es klappt sogar sehr gut und nach der gravitätischen ersten Staffel Picard und der zum pathetischen Kitschfest verkommenen Discovery muss es auch sein. Es ist sogar so dringend nötig wie ein Urlaub auf Risa. Lower Decks bringt Zuschauer zurück in die gut bekannte Next Generation-Era und zurück in ein Erzählmuster wöchentlicher Abenteuer und Verrücktheiten. Die Serie von Mike McMahan zeigt dabei ein Bewusstsein und Detailwissen für die bisherigen Serien, aus dem pure Liebe und Begeisterung für das Franchise hervorplatzt. Die Fülle an Easter Eggs, Anspielungen und wirklich gelungenen Veralberungen von allerlei Trek-typischen Plot-Schemas und Tropes macht extrem viel Spaß, ohne dass Lower Decks dabei zu einem Fremdkörper im Star Trek-Universum gerät. Wie gesagt: Wer Star Trek als ernste Angelegenheit auffasst und auf einem Podest anbetet, für den ist die Serie nichts. Aber wer Freude an den auch immer wieder kuriosen Verrücktheiten hat, denen so viele der Serien-Crews jahrelang wöchentlich ausgesetzt worden sind, der ist hier richtig und ich für meinen Teil bin vollends begeistert.
© Amazon Prime Video
Veröffentlichung: 18. November 2021
Ich teile deine Begeisterung, die Serie ist absolut dufte. Sie hatte mich schon bei diesem Intro, das das typische “Raumschiff fliegt kaiserlich herum”-Schema auf’s Korn nimmt. Hatte aber gehofft, dass die Cerritos wenigstens einmal den Warpsprung am Ende verkackt :>
Allerdings: Die Sache mit Shaxs nehm ich den Machern übel … >_>””
holy shit, das muss ich wohl verdrängt haben.